"Und jetzt: Befreien Sie Ihr Handy."
Mit "OpenMoko" kommt im Oktober das erste einer Serie von Linux-Handys auf den Markt, die in allen GSM-Netzen funktionieren. Weltweit schreiben Linux-Entwickler an einer Software-Suite, die das Handy mit Linux-PCs kompatibel macht. WLAN, Bluetooth und GPS sind inkludiert.
Ob Google tatsächlich ein Linux-Handy auf den Markt bringt, oder auch nicht, das Linux-Handy kommt auf jeden Fall - und zwar schon bald.
Der offizielle Launch eines Handys auf Open-Source-Basis ist für den Oktober angekündigt, benannt ist es nach der mobilen Softwareplattform, die unter Linux-Entwicklern immer populärer wird.
Börsennotiert in Taiwan
Es heißt also nicht gPhone, sondern OpenMoko und ist - vom Ansatz her - das Gegenteil von Apples iPhone, denn bei diesem Linux-Handy läuft in der Entwicklung alles anders, als man von der Mobilfunkwelt bis jetzt gewohnt ist.
Es beginnt damit, dass auf der Produkt-Website zuoberst von Philosophie die Rede ist, mit einer Schlussfolgerung, die gerade für einen Hardwarehersteller ungewöhnlich ist.
Technologien verschwinden
Das Linux-Handy werde dafür gebaut, um letzendlich zu verschwinden, schreiben die Hersteller und zitieren den Propheten des "Ubiquitous Computing" [allgegenwärtige Computerei] Mark Weiser: "Die profundesten Technologien sind jene, die verschwinden. Sie fügen sich so nahtlos in den Lebensalltag ein, bis von diesem nicht mehr zu unterscheiden sind."
"Geräte verschwinden, wenn die Entwickler unbeschränkten Zugang zur Hardware haben", ergänzt dazu der Hersteller: "Und jetzt: Befreien Sie Ihr Handy."
Hinter dem Linux-Handy steckt die börsennotierte First International Computing aus Taiwan, die seit 25 Jahren PC-Komponenten produziert.
Stars, Entwickler
Die Stars bei diesem Projekt sind weder die Handys selbst, noch gibt es einen Produkt-Charismatiker, wie es etwa St. Jobs für Apple ist.
Im Mittelpunkt stehen die Entwickler einer Softwareplattform auf Linux-Basis, mit der sich das Gerät so selbstverständlich in den mobilen Kommunikationsalltag einfügen soll, dass es eben nicht mehr das "Besondere" ist.
Das Prinzip Open Source
Die OpenMoko-Entwicklung geschieht nahezu mustergültig nach dem Open-Source-Prinzip und das ist nun einmal das Gegenteil von dem, was sich in Mobilfunknetzen oder im Hardwaresektor normalerweise abspielt.
Der gesamte Prozess der Entwicklung und Kombination von Hard- und Software wird weltweit einsehbar gemacht, was für die Mobilfunk-Branche nur als revolutionär zu bezeichnen ist.
Alles GSM der Welt
Während das iPhone auf Apples selbst entwickelter Software läuft und vorerst an einen einzigen US-Netzbetreiber [AT&T] gebunden ist, kann mit der kommenden OpenMoko-Geräteserie in allen GSM-Netzen der Welt telefoniert werden.
In mehreren Wellen wurden die Entwickler vom Hersteller mit Geräten seit Anfang des Jahres versorgt, die Allerersten gab es gratis. Die Serie vom Juli kostete in der einfachen Version 300 Dollar und war rasch vergriffen.
Die Entwickler
Ein Blick auf das Wiki der Entwickler genügt, um zu sehen, dass bei diesem vor nicht ganz einem Jahr gestarteten Projekt Größeres im Gange ist, Teile der Website sind bereits in 19 Sprachen übersetzt.
In den IRC-Channels sei jede Menge los, die für Oktober angekündigten Features lägen gut im Plan, sagte ein Insider, der nicht genannt werden will, am Sonntag zu ORF.at.
Wie "Neo1973" verschwindet
Der Philosophie des Verschwindens folgt die Produktpolitik von First International Computer. Das erste Produkt für die OpenMoko-Software-Plattform heißt eigentlich "Neo1973" und läuft in der im Juli ausgelieferten Version auf einem mit 266MHz getakteten "System on a Chip" von Samsung.
Vom Radioteil her ist es ein Tri-Band-Handy für alle GSM-Netze. Dazu kommen ein 2,8-Zoll-Touchscreen, [A]GPS-Navigationssystem, Bluetooth und ein Slot für eine MicroSD-Flash-Speicherkarte, wie sie in Digicams üblich ist.
Neue Features
Die erste Serie, die im Juli an die Entwickler ausgeliefert wurde, verfügte noch über kein WLAN-Modul, das soll sich beim offiziellen Launch dann ändern.
Weitere Features der kommenden, ersten Version für Alle sind ein 400MHz-Prozessor, ein Grafikbeschleuniger und ein stärkerer Akku.
UMTS/HSPA
Im Jahr 2008 soll dann die nächste Generation auch UMTS/HSPA-tauglich werden. Die Termine sind allerdings mit etwas Vorsicht zu betrachten, zumal hier eine ganze Softwareplattform entwickelt wird.
Was in der Wiki-Übersicht der Entwickler noch an "weißen Flecken" in der Linux-Infrastruktur aufscheint - zum Beispiel ein Browser - ist anderswo längst in Arbeit.
Die Googles
Die von Google unterstützte Mozilla Foundation hatte im Mai herausgelassen, dass man an einer mobilen Version des Browsers Firefox arbeite.
Google-Chef Eric Schmidt wiederum hatte um dieselbe Zeit so nebenbei erwähnt, dass sich seine Firma gerade auf die Entwicklung mobiler Applikationen konzentriere.
In einschlägigen Blogs und Foren quer durch das Internet wird seit Wochen über den bevorstehenden Launch eines Linux-Handys von Google geraunt.
PC-Innereien
Mit der Philosophie des Verschwindens essentieller Hardware hat der Hersteller First International Computer schon einige Erfahrung. Das börsennotierte Unternehmen hat seit seiner Gründung im Jahre 1980 eine Unzahl an Produkten auf den Markt gebracht, die allesamt nach dem Verkauf verschwanden.
Und zwar in Computern, denn First International Computer stellt in erster Linie Motherboards und andere PC-Innereien her, über die man gewöhnlich nicht nachdenkt, außer sie werden hin.
(futurezone | Erich Moechel)