Terror bringt mehr Überwachung
Seit den Terroranschlägen in Madrid wächst offensichtlich in ganz Europa das Gefühl der Bedrohung.
Politiker debattieren über neue Sicherheitspakete; manche fordern bereits die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und den Einsatz von Militär im Inland. Zu Gunsten größerer Sicherheit zeigen sich laut einer aktuellen Umfrage auch viele Bürger offen für die Beschneidung von Datenschutz und Bürgerrechten. Doch Experten warnen vor Überreaktionen.
So würden etwa drei von vier befragten Deutschen die vermehrte Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Straßen akzeptieren. Gut 60 Prozent hätten laut der EMNID-Umfrage nichts gegen mehr verdachtsunabhängige Polizeikontrollen. Und fast 90 Prozent der 1.000 Befragten würden den Fingerabdruck im Ausweis akzeptieren.
Persönliche Opfer im Kampf gegen Terror
Das alles zeigt aus Sicht von Thilo Weichert vom
Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein, "dass die Menschen zurzeit
aus Furcht und Hilflosigkeit bereit sind, im Kampf gegen Terrorismus
persönliche Opfer zu bringen". Doch bringe die Installation von
Kameras etwa an Moscheen wenig.
"Sicherheit wird nur vorgegaukelt"
"Sicherheit wird dabei nur vorgegaukelt, denn die Täter weichen ins Verborgene aus, das Risiko von Fehlalarmen steigt und es kommen 99,9 Prozent Unschuldige ins Visier." Wenn nicht zugleich kurzfristig Sicherheitskräfte parat stünden, könne Videoüberwachung Anschläge nicht verhindern, sondern höchstens rekonstruieren helfen, so Weichert.
Den selbst ernannten Sicherheitspolitikern steht Weichert mit Skepsis gegenüber - und erinnert zum Beispiel an die nach dem 11. September 2001 "mit großem Brimborium" eingeführte Rasterfahndung nach so genannten Terrorschläfern. "Da fällt die Bilanz katastrophal aus, das hat nichts gebracht." Doch seien gerade Ausländer in der Folge "grandios verunsichert" worden, berichtet er. "Zu uns kamen Menschen, die sich permanent bespitzelt fühlen, mit teilweise traumatischen Folgen."
In die Zukunft blickt der Datenschützer daher mit Unbehagen. "Ich fürchte, mit jedem weiteren Anschlag in Europa wächst die Bereitschaft, Grundrechte über den Haufen zu werfen und der Ausweitung von Polizeibefugnissen zuzustimmen." Diese Stimmung könnten manche "Law-and-Order-Politiker" ausnutzen.
Verkehrsüberwachung zur TerrorabwehrWahrscheinliche Folge wären kopfloser Aktionismus und ein Klima der Angst, meint Weichert. "Damit würde man im Endeffekt den Terroristen in die Hände spielen."
Der Gießener Psychoanalytiker und Sozialforscher Horst-Eberhard Richter glaubt hingegen, dass sich das aktuelle Unsicherheitsgefühl nicht lange halten wird - vorausgesetzt, es kommt nicht zu weiteren Anschlägen in Europa.
"Eigentlich müsste die Politik aber mehr dafür tun, die Antriebskräfte des Terrorismus zu schwächen", fordert der 80-jährige Mitbegründer der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs [IPPNW]. "Dazu braucht die Mehrheit der Terrorgegner in den islamischen Ländern mehr Unterstützung - auch für ihre kulturelle Selbstachtung."