Gemischte Reaktionen auf Microsoft-Urteil

Wettbewerb
17.09.2007

Während sich die EU-Kommission durch das Urteil des EU-Gerichts mehr Wettbewerb und weniger Marktanteil für Microsoft erhofft, fürchten andere um ihre Geschäfte. Heftiger Beifall kommt vom ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti.

Monti, der beim ersten Urteil der Kommission 2004 der zuständige EU-Wettbewerbskommissar war und mittlerweile Rektor an der Universität Bocconi ist, streute vor allem seiner Nachfolgerin Neelie Kroes Rosen.

"Sie zeigte eine bemerkenswerte und kontinuierliche Bestimmtheit und Kraft bei der Umsetzung der Entscheidung", so Monti.

"Ein Deal wäre schon nett gewesen"

Er selbst sei 2004 schon versucht gewesen, auf das Angebot von Microsoft-Chef Steve Ballmer über eine außergerichtlichen Einigung einzugehen, doch das hätte die EU der rechtlichen Möglichkeiten für die Zukunft beraubt, so Monti.

"Ein Deal wäre schon ein netter Weg raus aus der Geschichte gewesen und weniger riskant für die Kommission", so Monti, allerdings mit der Gefahr verbunden, dass daraus rechtliche Unsicherheiten resultieren.

Für ihn ermöglicht die Entscheidung des EU-Gerichts vom Montag, dass die EU-Kommission in Zukunft schneller handeln kann.

Kroes hofft auf mehr Wettbewerb

Kroes selbst erhofft sich durch das Urteil mehr Wettbewerb: "Der [Software-]Markt wird aufgebrochen, und keiner kann seine beherrschende Stellung mehr ausnutzen." Das bedeute für den Verbraucher mehr Innovation und niedrigere Preise.

Sie unterstrich, es sei noch zu früh, über neue Bußgelder zu sprechen. Bei einem neuen Verfahren zu Lizenzgebühren, das seit März 2007 läuft, droht abermals eine Strafe im dreistelligen Millionenbereich.

Ob die Kommission Sanktionen beim Windows-Nachfolgesystem Vista plant, ließ sie ebenfalls offen.

"Marktniveau unter 95 Prozent"

An weiteren Auswirkungen erhoffe sie sich, dass sich Microsofts Marktanteil reduziert: "Ein Marktniveau von viel weniger als 95 Prozent wäre eine Möglichkeit, den Erfolg zu messen", so Kroes am Montag in Brüssel.

Es sei nicht wichtig, dass es "genau 50 Prozent" seien, die Kommission erwarte aber "eine deutliche Reduktion des Marktanteils", sagte die oberste Wettbewerbshüterin der EU. Bis wann das umgesetzt sein müsse, sagte sie nicht: "Je früher, desto besser."

Die Kommission werde alles unternehmen, um die Umsetzung der Kommissionsentscheidung sicherzustellen.

Weitere Auswirkungen unklar

Offen ist laut Kroes auch, ob jene 280 Mio. Euro Strafe aufrecht bleiben, die die Kommission Microsoft im Vorjahr wegen der Nichtumsetzung der Auflagen auferlegt hat. Auch dagegen hat Microsoft Einspruch erhoben, der Fall läuft noch.

Ob es weitere Untersuchungen zu Microsoft geben werde, etwa zum neuen Betriebssystem, hänge vom Verhalten des Unternehmens ab. Nächste Woche will Kroes das Thema Microsoft auch mit den US-Wettbewerbsbehörden erörtern.

Was mit dem Geld passiert

Die 497 Mio. Euro Bußgeld, die die Kommission 2004 verhängt hat, werden an das EU-Budget gehen und die Beiträge der Mitgliedsstaaten reduzieren.

"Gute Verkehrsregeln"

Thomas Vinje, Prozessvertreter des European Committee for Interoperable Systems [ECIS], forderte: "Microsoft muss das jetzt umsetzen." Seiner Organisation gehören unter anderem Microsoft-Konkurrenten wie Adobe Systems, Corel, IBM, Nokia, Opera, Oracle, RealNetworks und Sun Microsystems an.

"Dieses Urteil schafft Prinzipien für das Verhalten von Firmen in einer Reihe von Fällen und in einer Reihe von Märkten." Das seien "Verkehrsregeln, die gut für den europäischen Verbraucher sind".

Der Linux-Distributor Red Hat begrüßte das Urteil als "eine großartige Nachricht". "Microsoft kann sich nicht länger über das Recht stellen", sagte Georg Greve, Präsident der Free Software Foundation.

"Komfort ohne Wettbewerb"

Auch der europäische Verbraucherschutzverband zeigte sich erfreut: "Die Entscheidung sollte den Wettbewerb stärken und mehr Anreize für andere Unternehmen wie auch für Microsoft selbst bieten, bessere Produkte und Dienstleistungen anzubieten", erklärte der Direktor des Europäischen Büros für Verbraucherschutz [BEUC], Jim Murray.

Zum Argument Microsofts, die Verknüpfung des Media Player mit Windows sei für die Verbraucher die komfortabelste Lösung, meinte er: "Komfort ohne Wettbewerb kann ein schlechtes Angebot sein."

Das EU-Gericht erster Instanz hat am Montag eine Beschwerde des US-Software-Konzerns Microsoft gegen ein von der EU-Kommission verhängtes Bußgeld in der Höhe von 497 Millionen Euro in allen wesentlichen Punkten zurückgewiesen.

"Völlig willkürliche Behandlung"

Andere waren vom Urteil weniger begeistert. "Unsere Mitglieder sind sehr besorgt über die Auswirkungen dieses Falles auf den Schutz geistigen Eigentums in Europa", erklärte Jonathan Zuck, Präsident der Association für Competitive Technology [ACT].

Der Verband vertritt vor allem kleine und mittelständische US-Software-Hersteller und unterstützte die Microsoft-Klage.

"Das ist eine völlig willkürliche Behandlung des geistigen Eigentums von Microsoft", sagte Zuck. "Das ist ein sehr schlimmer Präzedenzfall für mögliche Investitionen von kleineren Unternehmen in Europa."

(APA | Reuters | dpa)