Wien kommt auf die Glasfaser
Als bisher größte Stadt weltweit wird Wien mit einem Open-Access-Netzwerk ausgestattet. Dank Glasfaser liegt die Bandbreite bei 100 MBit pro Sekunde, in Zukunft werden mehrere Gigabit möglich. Die Technik für das Projekt liefert der schwedische Netzwerkausrüster PacketFront.
Wienstrom arbeitet derzeit am Aufbau des Glasfasernetzes blizznet. Das blizznet-Netzwerk ist als Open-Access-Plattform konzipiert, das heißt, das Netzwerk steht allen Service-Providern offen. Wien Energie bietet nur die Infrastruktur.
In sieben Wiener Bezirken [3, 10, 11, 12, 16, 22 und 23] werden aktuell Glasfaserkabel verlegt, in den nächsten Jahren sollen weitere Teile Wiens mit Breitbandinternet mit Up- und Download-Raten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde versorgt werden.
Vormerkungen im vierstelligen Bereich
Auch wenn Wienstrom auf die Zielsetzung von 50.000 angeschlossenen Haushalten bis 2009 verweist, werden wohl noch einige Jahre mehr vergehen, bis eine flächendeckende Glasfaser-Infrastruktur errichtet ist.
Derzeit hält blizznet noch bei 600 Bestandskunden, das Interesse an der FTTH-Lösung [Fibre To The Home] sei jedoch groß. Die Zahl der vorgemerkten blizznet-Interessenten liege im guten vierstelligen Bereich, so Wienstrom-Sprecher Robert Grüneis zu ORF.at.
Kundeninteresse lenkt den Ausbau
Seit Ende August können sich Interessierte auf der blizznet-Website für einen Anschluss unverbindlich vormerken lassen und werden bei Verfügbarkeit informiert. Diese Nachfrage fließt in den Ausbauplan ein.
Die freie Wahl
Der Open-Access-Ansatz bringt Kunden den Vorteil, ihre Produkte frei wählen zu können und nicht mehr an einzelne Anbieter gebunden zu sein. Für verschiedene Dienste können dabei beliebig viele verschiedener Anbieter genutzt werden.
"Erfahrungsgemäß profitiert der Kunden auch finanziell von der Wettbewerbssituation, die Preise gehen runter", so der Pressesprecher von Wien Energie.
Die Palette an möglichen Services reicht neben klassischem Internet und Voice-over-IP-Telefonie über IPTV und Gaming bis zu Backup-Diensten und Überwachungslösungen.
Erst drei blizznet-Partner
Derzeit zählen erst die Telekom Austria, NeoTel und Conova.com zu den blizznet-Partnern. Mit weiteren Partnern stehe man in Gesprächen, so Grüneis.
Interesse aus dem Ausland
Das blizznet-Projekt erhält nicht nur bei anderen heimischen Energieversorgern in den Bundesländern große Aufmerksamkeit. Auch ausländische Interessenten etwa in Kroatien und Slowenien verfolgen das Open-Access-Projekt genau.
Chancen für Kleinstprovider
Die Provider sehen der Wienstrom-Initiative mit gemischten Gefühlen entgegen. Während kleine Provider damit die Chance bekommen, einen größeren Kundenkreis zu erreichen, halten jene Provider, die bereits viel Geld in eigene Infrastruktur investiert haben, weiter an ihrer Do-it-yourself-Strategie fest.
Sie schließen eine Beteiligung an blizznet vorerst aus und verweisen auf die Netzabdeckung, die bei blizznet noch ganz am Anfang steht.
UPC und Silver Server nicht an Bord
"Silver Server betreibt einen eigenen Glasfaserausbau und wird diesen Ausbau konsequent fortsetzen und weitere Objekte Zug um Zug erschließen", sagte Bert Estl, Pressesprecher von Silver Server, gegenüber ORF.at. "Deswegen wird Silver Server auch in Zukunft seine Services nicht via blizznet anbieten."
Auch beim Kabel-Konkurrent UPC [und Inode] setzt man auf das eigene Netzwerk. "UPC kann in Wien eine Netzabdeckung von 95 Prozent aufweisen, dafür haben wir in den vergangenen Jahren Hunderte Millionen Euro in den Infrastrukturaufbau investiert", so UPC-Pressesprecherin Doris Lenhardt zu ORF.at. "Wir sind keiner der mit der Stadt Wien in Sachen 'blizznet' derzeit kooperierenden Partner."
Bei Tele2 war vorerst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Blickt man jedoch nach Schweden, wo Tele2 bereits in Open-Access-Netzen aktiv ist, scheint auch hierzulande eine blizznet-Beteiligung wahrscheinlich.
Schwedischer Netzwerkausrüster
Für den technischen Aufbau des blizznet-Netzes ist das schwedische Unternehmen PacketFront verantwortlich. PacketFront ist spezialisiert auf Open-Access-Plattformen und liefert das zentrale Kontroll- und Versorgungssystem für blizznet.
Die technischen Komponenten
Beim Endkunden selbst steht ein Switch mit QoS-Ports [Modell DRG 230], der mittels optischen Frequenzmultiplexverfahrens mit dem Breitband-Router ASR 5000-CO, der im Keller des Hauses untergebracht ist, mit 24 Downlink-Ports und zwei Gigabit-Ethernet-Uplinks verbunden ist.
Anhand der Mac-Adresse des Kunden weist das zentrale BECS-System [Management Software] dem Client eine IP-Adresse aus dem Pool des Providers zu. Mittels dynamischen Routings [OSPF] und Übergabe an den Provider wird die Verbindung hergestellt.
Geschwindigkeit rauf- und runterschrauben
Das blizznet-Netz soll vor allem durch Schnelligkeit und Flexibilität punkten.
Besteht etwa vorübergehend Bedarf nach mehr Bandbreite etwa für Downloads, könnten sich Kunden, die eigentlich ein langsameres Internet-Paket nutzen, gegen eine Zusatzgebühr binnen weniger Minuten per Mausklick für eine höhere Bandbreite [z. B. 100 MBit für ein Wochenende oder auch nur zwei Stunden] freischalten.
"Jeder soll das tun, was er am besten kann. Die Technik gibt es, es liegt nun an den Unternehmen, innovativ zu sein und die Chancen zu nutzen", so Per Olof Stark, stellvertretender EMEA-Verkaufsleiter bei Packet Front.
Schweden: Zehn MBit für 18 Euro
Beispielspalette an Providerprodukten der schwedische Stadt Västeras: Die Einwohner können aus 85 verschiedenen Produkten wählen. Eine 10-MBit-Leitung kostet knapp 18 Euro.
Bandbreitenfresser HD-IPTV
Nach Einschätzung von Stark werden 100-MBit-Leitungen noch mindestens für die nächsten fünf Jahre reichen.
Mit dem Einzug von hochauflösendem IPTV, das um die 25 MBit/s je Fernsehstream benötige, könne dann eine weitere Beschleunigung nötig werden.
Doch auch dafür sei man mit der jetzigen Infrastruktur gerüstet. "Glasfaserleitungen haben kein technisches Limit bei der Bandbreite. In Zukunft sind weit höhere Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich möglich", so Stark.
(futurezone | Beate Zaussinger)