Das iPhone, "dumm wie ein Ziegel"

02.10.2007

Das Software-Update für Apples Handy iPhone in den USA hat nicht nur gehackte Geräte deaktiviert, die für andere Netze als AT&T freigeschaltet waren. Programme von Drittanbietern wurden samt Inhalten ausradiert - vom Telefonbuch bis zu Klingeltönen. Die Fans sind nicht amüsiert.

Wie schnell der Wind im Internet umschlagen kann, erlebt derzeit Apple. In den einschlägigen Foren und Blogs, wo die Fans Apples "iProdukte" gewöhnlich abfeiern, brodelt es nachhaltig.

Apples Software-Update, das seit Freitag eine unbekannte, aber jedenfalls sehr große Zahl von iPhones in den USA lahmlegte, beförderte auch eine Menge Geräte ins elektronische Nichts, deren SIM-Card-Sperre intakt war.

Unautorisierte Programme

Diese iPhones waren nicht gehackt - Exklusivanbieter des iPhone ist AT&T -, sie hatten nur kleine Progrämmchen zusätzlich darauf installiert, die Apple selbst nicht bieten konnte oder wollte.

Eine mittlerweile unübersichtlich gewordene Zahl von Software-Werkzeugen nichtautorisierter Entwickler - von Kalender- und Adressbuch-Tools über Organizer für Bookmarks, IRC-Chat bis zu einer "Shell" - werkte bis Freitag auf einer unbekannten Zahl von iPhones in den USA.

Beispiel Kommandozeile

Mit der Kommandozeilen-Oberfläche [Shell] kann ein Systemadministrator am iPhone zum Beispiel den Status seiner Webserver auch unterwegs kontrollieren. In Europa dienen seit Jahren Geräte wie Nokias Communicator genau dafür.

Gerade wenn nur bandbreitenschwaches GPRS zur Verfügung steht, ist diese Methode praktisch. Bei Kommandozeilen-Tools fallen weit weniger Daten an, als wenn derselbe Administrationsvorgang über ein Web-Interface abgewickelt wird.

Der elektronische Orkus

Über die Kommandozeile lässt sich freilich auch in das Betriebssystem des iPhone selbst eingreifen, weshalb die Shell von Anfang an nicht in Apples mitgeliefertem Software-Paket enthalten war.

Alle Anwendungen von Drittanbietern wurden nun durch das Software-Update gelöscht, was dazu führte, dass Adressbücher, Termineinträge und Klingeltöne der Benutzer auf Nimmerwiedersehen im elektronischen Orkus verschwanden.

Apple hatte am Montag der vergangenen Woche davor gewarnt, allein die betroffenen Kunden hatten es ganz offensichtlich nicht geglaubt.

Hier kommt der Ziegel

In den anderen Fällen führte das Vorhandensein von Fremdprogrammen dazu, dass Apples Update 1.1.1 das Gerät deaktivierte und keinen Neustart mehr zuließ.

War das SIM-Lock des iPhone über einen der vielen erhältlichen Hacks deaktiviert, dann verwandelte sich das Gerät nach dem Update ebenfalls in einen "Ziegel" ["Brick"]. Im Angelsächsischen steht der Ziegel seit jeher sprichwörtlich für Dummheit - "dumb as a brick". Und genau dieser Begriff setzt sich im Netz gerade für das iPhone durch.

Abschuss, exklusive Verträge

Quer über die Fan-Blogs wird gerätselt, ob der Abschuss aller Fremdprogramme auf dem iPhone eine gezielte Aktion war oder ob das Apple gleichsam "nur passiert" sei.

Tatsache ist, dass Apples exklusive Verträge mit dem größten US-Mobilfunker AT&T in den USA sowie der T-Mobile in Deutschland [nicht in den USA] äußerst lukrativ sein müssen.

Garantiert ist nicht nur, dass eine große Stückzahl schnell abgesetzt werden kann. Wie überall kolportiert wird, schneidet Apple auch bei den anderen Services mit, bei denen die Mobilfunker bis jetzt allein abkassierten.

Die Unzufriedenheit

Klar ist, dass unter diesen Konditionen der US-Marktführer im Mobilfunk AT&T gar nicht zufrieden sein konnte, dass die entsperrten iPhones großteils im Netz von T-Mobile USA telefonierten.

Klar ist weiters, dass T-Mobile auf dem deutschen Markt besonders viel Wert darauf legen wird, die kommenden iPhones auch im eigenen Netz zu halten. Damit sie nicht etwa in jenes des Konkurrenten Vodafone abwandern, der T-Mobile ausgerechnet auf dem Heimmarkt im Nacken sitzt.

Gesättigte Märkte

Weiters erklärt sich, warum der Abschluss Apples mit dem französischen Anbieter Orange so lange dauerte.

Alle genannten Mobilfunkfirmen sind um ein Vielfaches größer und kapitalkräftiger als Apple. Auf den gesättigten Handymärkten Europas ist ein vom Konsumenten- und Medieninteresse so überrepräsentiertes Produkt natürlich ideal geeignet, durch exklusive Verträge Kundschaft von den Konkurrenten abzuziehen.

Mobilfunk und Garantien

Man ist seitens der Mobilfunker bereit, recht tief in die Tasche zu langen, verlangt dafür aber Garantien.

Die kann es nur dann geben, wenn auf den iPhones tatsächlich nur von Apple kontrollierte Software läuft und eben keine Kommandozeilen-Oberfläche, die der Schlüssel zu jeder Veränderung ist.

Die Verziegelung

Der aktuelle Status der in "Ziegel" verwandelten iPhones ist: Seit Montagfrüh können untote iPhones reanimiert werden.

Hacker Kmac1985 und Konsorten haben es geschafft, ein "Downgrade" einzuspielen und das Gerät nach Apples Software-Version 1.1.1 wieder auf die Version 1.0.2 zurückzubringen. Bei Redaktionsschluss dieses Artikels in der Nacht auf Dienstag war man noch dabei, Version 1.1.1 so weit zu hacken, um den "Status quo ante", also den Zustand "davor" vollständig wiederherzustellen.

Das schreibt Dave Farber

Die Aussage von Apple-Chef Steve Jobs, dass seine Firma die Kontrolle über alle iPhone-Funktionen behalten müsse, um Beeinträchtigungen des Netzwerks und Beschädigungen des Geräts auszuschließen, kommentierte der altgediente Netzwerkarchitekt und Verfechter von "Net Neutrality", Dave Farber, mit einem lapidaren Satz auf seiner Mailing-List.

"So hat auch Ma Bell immer gesagt, wenn du einen Telefonapparat von anderen anschließen wolltest", schreibt Farber - sonst nichts zum Topthema auf der von ihm moderierten Liste.

Die Post

"Ma Bell" war das nationale Monopol AT&T vor der Aufteilung in den 80ern. Inzwischen haben die abgespaltenen Töchter untereinander wieder geheiratet, so dass die neue AT&T wieder Marktführer in den USA ist.

In Österreich ist für den Begriff "Ma Bell" ganz einfach "die Post" einzusetzen, um zu verstehen, was Farber meint.

Der Akustikkoppler

Im Jahr 1989 gab es in Österreich einen einzigen Typ von Akustikkoppler, der offiziell für analoge Datenübertragung via Telefon von der Post- und Fermeldestelle zugelassen war.

Der Preis war um die 10.500 Schilling, die Übertragungsgeschwindigkeit 300 Baud. Das Gerät war in etwa so groß wie ein herkömmlicher Ziegel, mit einer adipösen Schwellung in der Mitte, flankiert von zwei merkwürdigen Schaumstoffohren.

Drei Jahre später wurden 1.200-Baud-Modems etwa in der Größe eines iPhones für ein Zehntel dieser Summe in Österreich gebraucht verkauft.

(futurezone | Erich Moechel)