"Mittelfinger für die Musikindustrie"
Nach dem US-Musiker Prince verschenkt auch die britische Band Charlatans ein komplettes Album. Dass Plattenfirmen deshalb überflüssig werden, glauben Marktbeobachter nicht.
Ab 22. Oktober soll zunächst die jüngste Single der Charlatans, "Cross my Path", kostenlos über die Website des britischen Indie-Radiosenders XFM zum Download bereitstehen.
Anfang nächsten Jahres soll das noch unbenannte dazugehörige Album folgen, kündigten Alan McGee, der Manager der Band, und Radio XFM am Montag an.
"Musikverkauf hat sich überlebt"
Das Geschäftsmodell des Verkaufs von Musik habe sich überlebt, meinte McGee gegenüber der britischen Tageszeitung "The Independent". Künftig würden Bands mehr denn je mit Live-Konzerten und Merchandising Geld verdienen, so der Manager, der einst das Label Creation gründete und die Band Oasis entdeckte.
Der Entscheidung, Single und Album der Band zu verschenken, sei ein "unbefriedigendes" Vertragsangebot des Labels Sanctuary vorausgegangen, sagte McGee. Der Großteil der Musik werde heute ohnehin kostenlos aus dem Netz geladen, so der Manager. Niemand kaufe heute noch CDs.
"Wegwerfprodukt" Musik
Im britischen Tonträgerhandel schrillen unterdessen die Alarmglocken. Eine Sprecherin des Branchenverbands Entertainment Retailers Association kritisierte das Gratisdownload-Angebot.
Sie warnte davor, dass damit auch jungen Bands, die live noch nicht so zugkräftig sind, die Möglichkeit genommen werde, mit ihrer Musik Geld zu verdienen. Musik werde durch solche Aktionen zum "Wegwerfprodukt", sagte sie.
Prince als Vorreiter
Im Juli verschenkte der US-Musiker Prince sein jüngstes Album "Planet Earth", sehr zum Ärger seines Labels und des Tonträgerhandels, als Gratis-CD-Beigabe zu einer britischen Boulevardzeitung, um für eine Konzertserie in London zu werben.
Radiohead übernehmen Vertrieb selbst
Ebenso wie die Charlatans verzichtet auch die britische Band Radiohead auf die Mithilfe der Musikkonzerne beim Vertrieb ihrer Musik.
Die Band kündigte am Montag an, ihr neues Album "In Rainbows" über ihre Website zum Download anzubieten. Die Fans können dabei selbst entscheiden, wie viel sie dafür bezahlen wollen.
Direkter Kontakt mit Fans
Der US-Branchenexperte Bob Lefsetz [The Lefsetz Letter] bezeichnete den Schritt der Band als den "schlimmsten Alptraum" der Musikindustrie. Radiohead brauche die Unterstützung der Industrie nicht mehr und zeige ihr nun den "Mittelfinger".
Die Labels würden damit auch dafür bestraft, dass sie 20 Dollar für schlechte CDs verlangen und ihre Kunden klagen, weil sie Musik in Filesharing-Netzwerken tauschen. Das Internet erlaube es Bands und Musikern, direkt mit ihren Fans in Kontakt zu treten.
"Labels spielen auch künftig wichtige Rolle"
Der Jupiter-Research-Analyst Mark Mulligan will in den Abgesang auf die Musikkonzerne nicht einstimmen. Labels würden auch künftig eine wichtige Rolle im Musikgeschäft spielen, schrieb Mulligan in seinem Weblog.
Schließlich wurden Bands wie Radiohead und die Charlatans mit Hilfe der Musikkonzerne groß. Auch heute würden sich noch Tausende junge Bands und Musiker um Plattenverträge anstellen.
Die Labels müssten allerdings Möglichkeiten finden, wie sie ihre Geschäftsmodelle flexibler gestalten können, meinte Mulligan.
Der Musikkonzern Sony BMG etwa plant, künftig Gemeinschaftsunternehmen mit Künstlern zu gründen, über die sich der Musikkonzern an sämtlichen Umsatzquellen der Musiker und nicht nur am CD-Verkauf beteiligen will.