Tauschbörsenklagen als "Verlustgeschäft"
Vertreter der Musikindustrie beklagen beim ersten US-Schwurgerichtsprozess wegen Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzwerken die Kosten der Klagen gegen Tauschbörsennutzer.
Jennifer Pariser, Anti-Piraterie-Beauftragte des Musikkonzerns Sony BMG, ließ am Mittwoch mit der Bemerkung aufhorchen, dass die Klagen des US-Musikindustrieverbandes RIAA gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Netzwerken ein Verlustgeschäft für die Labels seien. "Die Klagen kosten uns Millionen. Wir verlieren dabei Geld", sagte Pariser.
Ein solches Verlustgeschäft wird seit Dienstag erstmals vor einem US-Schwurgericht verhandelt. Im kleinen Ort Duluth im US-Bundesstaat Minnesota stehen die Anwälte von sieben Musikkonzernen Jammie Thomas, einer Büroangestellten und alleinerziehenden Mutter aus dem Mittleren Westen der USA, gegenüber.
Sie werfen Thomas vor, mehr als 1.700 Songs über das P2P-Programm KaZaA zum Download angeboten zu haben. Thomas stritt das während des Prozesses wiederholt ab. Eine Entscheidung der Jury wird am Donnerstag erwartet.
Keine Angabe über Schadenshöhe
Angaben über den Schaden, den der Musiktausch in Filesharing-Netzwerken für die Labels angeblich verursacht, konnte die Sony-BMG-Vertreterin nicht machen. Das sei nicht Gegenstand des Prozesses, sagte sie.
Der Beklagten droht im Falle eines Schuldspruchs eine Geldstrafe in der Höhe von bis zu 3,6 Millionen Dollar.
Seit September 2003 hat die RIAA rund 20.000 Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen gegen Tauschbörsennutzer eingeleitet. Der Großteil der Verfahren wurde gegen Zahlung eines Bußgeldes außergerichtlich beigelegt. Die Höhe der Entschädigungszahlungen belief sich dabei auf durchschnittlich 3.000 Dollar.
Kopie als "Diebstahl"
Auf die Frage des RIAA-Anwaltes, ob sie das Kopieren rechtmäßig erworbener Songs als "legal" betrachte, antwortete Pariser, dass in einem solchen Fall "Kopieren" nur ein anderes Wort für "Diebstahl" sei.
Bei den Juroren, unter denen fünf Personen MP3-Player besitzen, dürfte sie damit keinen guten Eindruck hinterlassen haben. Prozessbeobachter sprachen von einem "strategischen Fehler".
Klagswelle geht weiter
RIAA-Präsident Cary Sherman kündigte unterdessen am Mittwoch an, dass der Industrieverband unabhängig vom Ausgang des Prozesses seine Klagswelle gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen fortsetzen werde.
Sherman, der vom Gericht nicht als Zeuge zugelassen wurde, verteidigte die Klagswelle damit, dass die Musikkonzerne ihre Rechte verteidigen müssten.
Die Internet-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation [EFF] veröffentlichte vor kurzem eine Zwischenbilanz zu den Klagen der US-Musikindustrie gegen Tauschbörsennutzer. In Österreich wurden nach Angaben des Verbandes der Österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] seit Oktober 2004 550 Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzen eingeleitet.
Schlußplädoyers und Beratungen
Beim Prozess stand kurz vor den Jury-Beratungen die Frage zur Diskussion, ob durch das Zurverfügungstellen von Musik im "Shared Folder" einer Filesharing-Anwendung von Vertrieb gesprochen werden könne und damit der Tatbestand der Urheberrechtsverletzung erfüllt sei.
Der Richter entschied, dass der Nachweis des tatsächlichen Downloads der Files nicht erbracht werden müsse.
Beweise dafür, dass die Files tatsächlich "vertrieben" wurden, standen auf tönernen Füßen. Die RIAA stützte sich dabei ausschließlich auf Angaben des von ihr beauftragten Unternehmens Media Sentry.
Donnerstagmorgen [Ortszeit] wurden in dem Prozess die Schlussplädoyers gehalten. Danach trat die Jury zur Beratung zusammen. Die Entscheidung der Geschworenen wird für den späten Nachmittag erwartet.
Der Prozess wird von zahlreichen Online-Medien und Weblogs vor Ort verfolgt. Neben Wired News berichten etwa auch Ars Technica und das Weblog Recording Industry vs The People von aktuellen Entwicklungen.