US-Musikindustrie siegt vor Gericht
Der US-Musikindustrieverband RIAA hat sich im ersten US-Schwurgerichtsprozess wegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen gegen die Angeklagte Jammie Thomas durchgesetzt.
Thomas, eine Angestellte und alleinerziehende Mutter aus dem Mittleren Westen der USA, wurde von den Geschworenen für schuldig befunden, die Urheberrechte von sieben Musikkonzernen verletzt zu haben.
222.000 Dollar Geldstrafe
Sie wurde zu einer Geldbuße von 222.000 Dollar [156.700 Euro] verurteilt, berichteten Agenturen und US-Blogs am Donnerstag.
Angestrengt wurde der Prozess, der am Dienstag vor einem Gericht in Duluth im US-Bundesstaat Minnesota begann, von den Plattenfirmen Virgin Records, Capitol Records, Sony BMG, Arista Records, Interscope Records, Warner Bros. Records und UMG Recordings, allesamt RIAA-Mitglieder.
Die Labels warfen Thomas vor, unter dem Benutzernamen Tereastarr, den sie laut RIAA auch für ihren E-Mail-Account und Online-Shopping-Sites verwendet hatte, über die Filesharing-Anwendung KaZaA rund 1.700 Musik-Files zum Download bereitgestellt zu haben.
In 24 Fällen wurde sie für schuldig befunden, die Urheberrechte der Labels verletzt zu haben. Pro Song verhängte die Jury eine Strafe von 9.250 Dollar. US-Gesetze sehen Geldbußen von 750 bis 30.000 US-Dollar pro Verstoß vor. Die Strafe kann auch bis 150.000 Dollar pro Musik-File steigen, wenn der Verstoß "absichtlich" begangen wurde.
Bei dem Prozess musste die RIAA erstmals eine Klage wegen Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Netzwerken vor einem Schwurgericht durchfechten. Der Großteil der mehr als 20.000 von der RIAA bisher angestrengten Verfahren gegen Tauschbörsennutzer wurde gegen Zahlung eines Bußgelds außergerichtlich beigelegt. Die Beschuldigten schreckten in vielen Fällen vor den hohen Gerichts- und Anwaltskosten zurück, die ein Prozess mit sich gebracht hätte.
Übereinstimmung bei IP-Adresse
Die Anwälte der Musikkonzerne legten vor Gericht dar, dass die IP-Adresse, die Thomas zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Urheberrechtsverletzungen zugewiesen war, mit der IP-Adresse übereinstimmte, über die die Files angeboten wurden.
Thomas wies während des Prozesses wiederholt zurück, die Files zum Download bereitgestellt zu haben.
Brian Toder, der Anwalt der Angeklagten, versuchte in seinem Schlussplädoyer die Jury davon zu überzeugen, dass nicht Thomas, sondern jemand anderer die Dateien über KaZaA zugänglich gemacht habe: "Jammie Thomas hat es nicht getan", sagte er.
Der Prozess wurde von zahlreichen Online-Medien und Weblogs verfolgt. Neben Ars Technica berichteten etwa auch Wired News und das Weblog Recording Industry vs The People von aktuellen Entwicklungen.
Bereitstellen verletzt Urheberrechte
Den Nachweis, dass die Musikfiles aus dem "Shared Folder" des KaZaA-Clients tatsächlich heruntergeladen wurden, mussten die Anwälte der Musikindustrie nicht erbringen.
Richter Michael Davis gab den Geschworenen vor ihren Beratungen mit auf den Weg, dass auch das bloße Bereitstellen der Dateien als Urheberrechtsverletzung zu werten sei.
Klagswelle rollt weiter
Noch während des Prozesses kündigte RIAA-Chef Cary Sherman an, dass der Industrieverband seine Klagswelle gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen fortsetzen werde.
Thomas und ihr Anwalt wollten keine Stellungnahme abgeben. Der New Yorker Anwalt und Copyright-Experte Ray Beckerman, der den Fall in seinem Weblog Recording Industry vs. The People begleitete, bezeichnete das Urteil als "einen der irrationalsten Augenblicke", die er in seiner Anwaltspraxis bisher erlebt habe. Die Musikindustrie habe überhaupt nicht beweisen müssen, dass Thomas die Dateien übertragen hat.
Seit September 2003 hat die RIAA mehr als 20.000 Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen gegen Tauschbörsennutzer eingeleitet. Die Internet-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation [EFF] veröffentlichte vor kurzem eine Zwischenbilanz zu den Klagen der US-Musikindustrie gegen Tauschbörsennutzer. Trotz der Klagen des Musikindustrieverbandes sei Filesharing beliebter als je zuvor, resümierte EFF-Anwalt Fred von Lohmann.