OLPC

XO: Open Source für die Bildung

12.10.2007

Der von Skeptikern als Kindercomputer gescholtene XO hat zahlreiche Fähigkeiten, die auch wesentlich teureren Notebooks fehlen. Die wichtigste davon ist seine Offenheit, die den freien Austausch von Wissen und Software erlaubt.

Auf den ersten Blick sieht der XO wie ein Kinderrechner aus, doch das unter der Führung des MIT entwickelte Gerät hat es faustdick hinter den Ohren.

Bereits die Grundfunktionen laden den Nutzer eines XO zum Experimentieren und Herumspielen ein - vor allem Kinder, für die das Gerät gedacht ist. So kann das gesamte Trackpad für die Eingabe mit Stiften genutzt werden, etwa zum Lernen des Schreibens.

"Learning by making"

"Die Devise lautet 'Learning by making'", umreißt Simon Dorner von OLPC Austria das Konzept, das er anhand der Software eToys demonstriert, mit der Kinder die Grundlagen des Programmierens lernen können.

Mit der Programmiersprache Python können die Schüler eigene Anwendungen schreiben und den Quellcode bereits bestehender Anwendungen beliebig verändern. Sollte einmal etwas schiefgehen, wird das System mit einem USB-Stick binnen weniger Minuten wiederhergestellt.

Die Anwendungen können zudem unkompliziert und drahtlos auf ein anderes Gerät übertragen werden. Auch das gemeinsame und zeitgleiche Arbeiten an einem Dokument ist mit dem XO möglich.

Bei eToys werden Zeichnungen als Objekte übersetzt, die mit vordefinierten Befehlen in Bewegung mit und ohne Ton versetzt werden können.

"Schöne, billige und effektive Hacks"

Mit einem selbst entwickelten Prototypen für Menschen mit Behinderungen wollen Dorner und sein Mitstreiter Aaron Kaplan demonstrieren, wie einfach der XO für die eigenen Bedürfnisse anpassbar ist.

An den rechten USB-Port des Rechners werden dabei Infrarot-LEDs angesteckt, vor der ebenfalls dort eingebauten Kamera wird ein entwickelter, aber nicht belichteter Diafilm angebracht. Dadurch kann die Kamera Reflexionen von Metall einfangen und dessen Bewegungen verfolgen - etwa auf einer Brille, die so zum Mausersatz werden kann.

"Das sind wunderschöne, billige und trotzdem effektive Hacks", sagt Kaplan.

An vier österreichischen Volksschulen werden demnächst 100 XOs im Unterricht getestet. Dem Unterrichtsministerium gefällt das Konzept des Teilens, nur bei der Software hapert es noch etwas.

Geteiltes Netz, gemeinsamer Nutzen

Den Kontakt zueinander stellen die Geräte über ein Mesh-Netzwerk her, bei dem sich die Rechner selbstständig konfigurieren und ein gemeinsames Netz aufbauen.

Darüber können sie Daten austauschen und eine Internet-Anbindung teilen. Bis zu 1.000 Rechner könnten auf diesem Weg gemeinsam eine Zwei-MBit-Leitung zum Surfen und Verschicken von E-Mails nutzen, erklärt Kaplan - "nicht so flott wie bei chello, aber es geht".

Die Internet-Anbindung selbst soll von einem zentralen Rechner, vorzugsweise in der Schule, erfolgen, der auch als automatischer Backup-Server dienen soll.

Die finale Hardware-Spezifikation sieht drei USB-Ports, eine Kamera, je einen Eingang für Kopfhörer und Mikrofon [auch als Oszilloskop einsetzbar] sowie einen Slot für SD-Speicherkarten vor, über den der Speicherplatz erweitert werden kann. Der Monitor ist bei Sonnenschein gut lesbar und erreicht ohne Backlight 200 dpi. Die Antennen des XO können bei freier Sicht bis zu 1,5 Kilometer weit funken und so auch weitere Distanzen überbrücken.

"Der Computer ist nur ein Werkzeug"

Trotz ihres eigenen Enthusiasmus ist der XO für Dorner und Kaplan ein "großes Experiment. Die These, dass man Bildung auf diesem Weg verändern kann, muss sich erst zeigen, wenn man ehrlich ist."

Auch das große Interesse am XO aus Nicht-Entwicklungsländern ist für sie ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sei es gut, denn durch höhere Stückzahlen könne der Preis schneller runtergehen, andererseits könnten Leute, die auf einem XO ein Excel laufen lassen möchten, enttäuscht sein, sagt Kaplan. "Es geht aber nicht um Excel, es geht darum, dass man experimentieren und herumspielen und dabei etwas lernen kann."

Wer am XO verdient

"Eigentlich geht es um Open Source in Bildung, dass Bildungsinhalte kopiert, remixt und verändert werden können und dass dabei ein großer Dialog entsteht. Der Computer ist dabei nur ein Werkzeug", so Dorner.

Am XO verdienen weder Dorner noch Kaplan noch die Non-Profit-Ogransiation OLPC. Bezahlt werden müssen hingegen die Komponenten, die Logistik des Verschickens und der Hersteller Quanta, der die XOs in China herstellen lässt. Daraus würde sich auch der aktuelle Preis zusammensetzen, so Dorner.

Die Entwicklung des XO wurde über Spenden finanziert. Dorner, Kaplan und viele andere sind unentgeltlich für das Projekt im Einsatz.

(futurezone | Nadja Igler)