Radiohead-Experiment mit Wartezeiten
Radiohead-Fans haben am Dienstag die Website der Band gestürmt. Der Grund: Das siebente Radiohead-Album "In Rainbows" wird dort, ohne Beteiligung der Musikindustrie, exklusiv zum Download angeboten. Der Run auf das Album, dessen Preis die Käufer selbst bestimmen können, stellte die Server vor eine Belastungsprobe.
Dienstagmorgen erhielten Fans rund um den Globus, die das Album bereits vorbestellt hatten, eine E-Mail der Band, in der sich ein Link befand, über den das mittlerweile siebente Radiohead-Album heruntergeladen werden konnte.
Ausgeliefert wurde das Album im kopierschutzfreien MP3-Format [160 kBit/s] ohne Artwork und ohne digitale Booklets.
Während der morgendliche Download des 48,8 MB großen Zip-Files klaglos funktionierte, waren die Radiohead-Server im Tagesverlauf zumindest zeitweise überlastet.
Radiohead hatten vor zehn Tagen angekündigt, ihr siebentes Album zunächst ohne die Mithilfe der Musikindustrie ausschließlich über ihre Website verkaufen zu wollen. Den Preis für den Album-Download konnten die Fans selbst bestimmen.
Neben der Download-Version bieten Radiohead auf ihrer Website auch eine zwei CDs, zwei Vinylplatten und ein Booklet umfassende "In-Rainbows-Discbox" für 40 Pfund [rund 57 Euro] an, die am 3. Dezember ausgeliefert werden soll.
Verzögerungen bei Bestellungen
Wartezeiten von mehr als 20 Minuten waren keine Seltenheit. Vor allem Leute, die nicht vorbestellt hatten und über Inrainbows.com am Dienstag die Downloads ordern wollten, mussten mit Verzögerungen rechnen.
Der Jupiter-Analyst Mark Mulligan vermutete auf seinem Weblog sogar, die Band wolle mit der zeitraubenden Prozedur die Verkäufe einer allfälligen späteren CD-Veröffentlichung des Albums ankurbeln.
Dennoch hielten sich die Radiohead-Server am Dienstag vergleichsweise wacker. Bei der Ankündigung der Download-Veröffentlichung vor zehn Tagen war die Band-Site wegen Überlastung zusammengebrochen.
Gerüchten zufolge befinden sich Radiohead derzeit in Verhandlungen mit dem Musikkonzern EMI, der das Album noch vor Weihnachten regulär in den CD-Handel bringen will.
Download-Zahlen unter Verschluss
Über die Zahl der Downloads hält sich die Band bedeckt. Die Downloads sollen auch nicht an die Official U.K. Charts Company gemeldet werden, weshalb das Album auch nicht in der britischen Hitparade notieren wird.
Viele zahlen üblichen Album-Preis
Nach Angaben eines Bandsprechers entrichteten die meisten Fans den üblichen Preis für einen Album-Download von rund zehn Euro.
Nur wenige Fans kauften das Album für Penny-Beträge. Eine Kreditkartengebühr von 45 Pence war obligatorisch.
Während das Preislimit nach unten offen war, wurden Zahlungen, die höher als 99,99 Pfund [rund 143 Euro] waren, offenbar nicht akzeptiert, berichtete das Branchenportal The Daily Swarm.
Gemischte Reaktionen in Online-Foren
In Online-Foren sprachen viele Nutzer davon, dass "In Rainbows" das erste Album sei, für das sie in den vergangenen Jahren Geld ausgegeben hätten.
Die vergleichsweise niedrige Bitrate der MP3s von 160 kBit/s sorgte jedoch für Verstimmungen unter den Fans. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich weniger bezahlt", hieß es etwa.
Die nur auf Einladung zugängliche britische Filesharing-Community Oink verbannte das Werk deshalb auch aus ihrem Angebot.
Album bereits in Tauschbörsen
In Filesharing-Netzwerken war "In Rainbows" unmittelbar nach der Veröffentlichung zu haben. In den vorangegangenen Tagen waren dort lediglich "7th Record Previews" erhältlich, die sich vorwiegend aus Konzertmitschnitten der Band speisten.
Die Downloads mit BitTorrent wurden am Nachmittag jedoch mit Sicherheit schneller abgewickelt als auf der Band-Website.
Beispiel macht Schule
Das Beispiel der britischen Art-Rocker, beim Vertrieb ihrer Werke auf die Mithilfe der Musikindustrie zu verzichten, macht unterdessen Schule.
Neben den Rave-Ikonen The Charlatans, die ihr nächstes Album über die Website einer britischen Indie-Radiostation kostenlos zum Download anbieten wollen, sollen nach Berichten der britischen Tageszeitung "Telegraph" auch die Brit-Pop-Veteranen Oasis und der Funk-Kasper Jamiroquai, beide derzeit ohne Plattenvertrag, ähnliche Schritte überlegen. Mit weiteren Beispielen ist zu rechnen.
Von Branchenbeobachtern wurde das Radiohead-Experiment begrüßt. Der US-Experte Bob Lefsetz [The Lefsetz Letter] sprach davon, dass die Band der Industrie nun "den Mittelfinger zeige".
Die Labels würden damit auch dafür bestraft, dass sie 20 Dollar für schlechte CDs verlangen und ihre Kunden verklagen, so Lefsetz.