Von Wanderern und IMSI-Catchern
Der grüne Nationalrat Peter Pilz wirft Innenminister Günther Platter [ÖVP] vor, mit Hilfe einer Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes den Behörden das Abhören von Telefongesprächen via Mobilfunk ohne richterliche Kontrolle ermöglichen zu wollen. Das Innenministerium weicht aus.
Pilz warf am Montag in Wien Platter vor, über eine Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] die richterliche Kontrolle bei der polizeilichen Überwachung von Mobilfunkgesprächen ausschalten zu wollen.
Konkret kritisiert Pilz den Vorschlag des Innenministeriums zur Neufassung von Paragraf 53 Abs. 3a SPG. Das Ministerium wolle es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, dass sie, wenn Gefahr im Verzug ist, die weltweit einmalige Kennziffer einer Mobilfunk-SIM-Karte [International Mobile Subscriber Identity, IMSI] und die Standortdaten eines "gefährdeten Menschen" vom Provider unverzüglich ermitteln und "technische Mittel zur Lokalisierung" dieser Personen in Stellung bringen können.
Die Begutachtungsfrist für den Entwurf ging am 2. Oktober zu Ende. Im Lauf der kommenden Wochen soll der Vorschlag im Parlament zur Abstimmung kommen.
Gesetz als Trojaner
Laut Pilz geht es dem Innenministerium bei den im Vorschlag erwähnten "technischen Hilfsmitteln zur Lokalisierung" darum, den Sicherheitsbehörden den Einsatz von IMSI-Catchern zu ermöglichen, ohne dass sie vorher um eine richterliche Genehmigung ansuchen müssten.
IMSI-Catcher sind Abhörgeräte, die eine Mobilfunkstation simulieren und es ihrem Betreiber ermöglichen, innerhalb der von ihr simulierten Funkzelle den Mobilfunkverkehr mitschneiden zu können.
Pilz erachtet es auch als problematisch, dass die IMSI-Catcher im Einsatz die gesamte Kommunikation in der von ihnen simulierten Funkzelle erfassen würden und die Behörden damit auch Gespräche mithören könnten, die mit ihren Ermittlungen nichts zu tun hätten. Damit, so Pilz, werde auch gegen das in Paragraf 93 TKG 2003 festgeschriebene Kommunikationsgeheimnis verstoßen.
Rechtfertigung der IMSI-Catcher
Die österreichischen Behörden verfügten, so Pilz, bereits über drei IMSI-Catcher; die Anschaffung eines vierten solchen Geräts im Wert von 600.000 Euro sei geplant. Im Vorblatt zur Gesetzesnovelle schreibt das Innenministerium, einen IMSI-Catcher zur Vollziehung des neuen Paragrafen 53 Abs. 3a zu benötigen. Genau hier setzt die Kritik von Pilz an. Ein solcher IMSI-Scanner sei überhaupt nicht dazu notwendig, vermisste Personen über das Mobilfunknetz ausfindig zu machen.
In den Anmerkungen des Ministeriums zur Gesetzesnovelle steht das Argument der Abwehr akuter Gefahren im Mittelpunkt. Damit soll der Einsatz der IMSI-Catcher gerechtfertigt werden. Genau hier sieht Pilz den Mechanismus, mit dem die Sicherheitsbehörden die richterliche Kontrolle aushebeln wollen. Darüber hinaus sei im vorliegenden Entwurf keine zeitliche Beschränkung des Einsatzes vorgesehen.
Zweifel des Verfassungsdienstes
Pilz ist mit seinen Einschätzungen nicht allein. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts moniert in seiner Stellungnahme:
"Den Sicherheitsbehörden soll es künftig ohne irgendeine justizbehördliche Kontrolle möglich sein, Standortdatenermittlungen Betroffener ohne deren Zustimmung vorzunehmen, obwohl gar keine Straftat oder auch nur ein gefährlicher Angriff vorliegen. Es soll ausreichen, dass aufgrund bestimmter Tatsachen 'eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen' besteht. Welche Qualität Informationen haben müssen, damit die Sicherheitsbehörden eine gegenwärtige Gefahr im vorstehend genannten Sinne unterstellen können, bleibt unklar."
Wirtschaftskammer und AK dagegen
Auch die Stellungnahmen von Bundeswirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Datenschutzrat kommen zu dem Schluss, dass mit dem Vorschlag des Innenministeriums die Kontrollmechanismen der Strafprozessordnung außer Kraft gesetzt würden.
Pilz spricht sich ausdrücklich für den Einsatz technischer Hilfsmittel in der Terrorismusbekämpfung aus. Die Tätigkeiten der Sicherheitsorgane müssten allerdings stets richterlicher Kontrolle unterliegen.
Überarbeiteter Vorschlag im Ministerrat
Auf Anfrage von ORF.at weist Michaela Huber, Sprecherin von Platter, die Vorwürfe von Pilz zurück. "Die Regelung zielt darauf ab, Personen, die in Not geraten sind und wo anzunehmen ist, dass eine gegenwärtige Gefahr für ihr Leben besteht, zu lokalisieren, wenn sie ein Handy bei sich tragen. Es geht niemals um Inhaltsdaten, sondern es geht um den jeweiligen Standort, um verschwundene Wanderer bzw. entführte Personen rasch auffinden zu können", schreibt Huber.
Die Kontrolle der Strafverfolger sei durch den Rechtsschutzbeauftragten gesichert. Das Ministerium habe auch schon auf die eingereichten Stellungnahmen reagiert: "Pilz geht vom Begutachtungsentwurf aus. In der Zwischenzeit hat es dazu auf Anregung des Datenschutzrates eine Runde aus Verfassungsexperten, Datenschützern, Praktikern aus der Exekutive und Vertretern der WK, AK, ISPA und Telekombetreibern unter dem Vorsitz des Innenministeriums gegeben."
Die neue Fassung des Vorschlags, die ORF.at nicht vorliegt, soll, so Huber, am Mittwoch im Ministerrat behandelt werden.
Pilz: "Absoluter Unsinn"
Die Angabe des Ministeriums, man brauche die IMSI, um verirrte Wanderer anzupeilen, sei "absoluter Unsinn", sagt Pilz auf Anfrage von ORF.at. "Sie brauchen die IMSI nicht, um Wanderer im Gebirge anzupeilen." Pilz: "Das Innenministerium soll aufhören, uns anzuschwindeln."
Der inhaltliche Kern des Vorschlags sei einfach, so Pilz: "Der Einsatz der IMSI-Catcher ist nur dann sinnvoll, wenn man ein Gespräch überwachen will." Die IMSI sei im Ernstfall auch sehr schnell und einfach über eine richterliche Genehmigung zu bekommen. Diese rechtsstaatliche Hürde wolle das Innenministerium aber durch die Novelle abschaffen.
Aktuelle Fassung von § 53 Abs. 3a SPG
Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer
eines bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung dieses Anschlusses kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluß geführtes Gespräch durch Bezeichnung des Zeitpunktes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen.
Der zuletzt publizierte Vorschlag des Innenministeriums
§ 53 Abs. 3a lautet:
(3a) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Betreibern öffentlicher
Telekommunikationsdienste Auskunft über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer und sonstige Kontaktinformation eines bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen.
Die Bezeichnung dieses Anschlusses kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf eine von diesem Anschluss geführte Kommunikation durch Bezeichnung des Zeitraums und der aktiven oder passiven Teilnehmernummer erfolgen.
Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden zur Abwehr dieser Gefahr darüber hinaus berechtigt, von den Betreibern im Mobilfunkbereich Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung [IMSI] zu verlangen sowie technische Mittel zur Lokalisierung
einer von einem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zum Einsatz zu bringen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich und gegen Ersatz der Kosten nach den Tarifen der Überwachungskostenverordnung – ÜKVO, BGBl. II Nr. 322/2004, zu erteilen.
(futurezone | Günter Hack)