Die Online-Fahndung im Ministerrat
Details zu den Plänen für die Online-Durchsuchung aus dem Ministerratspapier von Innen- und Justizministerium.
Mittlerweile verfügt ORF.at über das gemeinsame Vortragspapier von Innenministerium und Justizministerium, das am heutigen Mittwoch dem Ministerrat vorgelegt wurde.
Das Papier mit dem Betreff "Erweiterung des Ermittlungsinstrumentariums zur Bekämpfung schwerer, organisierter und terroristischer Kriminalitätsformen ["Online-Durchsuchung"]" deckt sich in wesentlichen Teilen mit den im Laufe des Tages bekanntgewordenen Informationen zur Umsetzung besagter Fahndungsmethode in Österreich, zeigt aber auch die Entwicklungsperspektiven der Online-Durchsuchung auf.
Probleme des Rechtsschutzes
Die Autoren des Papiers erkennen an, dass die Online-Fahndung sich von bisher üblichen Instrumenten wie der Hausdurchsuchung unterscheidet. Insbesondere nehme die heimliche Durchsuchung den Betroffenen die Möglichkeit, den Durchsuchungsvorgang mit Hilfe des anwaltlichen Beistands zu überwachen. Daher seien die vorgesehenen Rechtsschutzinstrumente besonders wichtig.
Es folgt die Bezugnahme auf die Zusammenarbeit der Strafverfolger in der Europäischen Union:
"Anlässlich des informellen Treffens der Innen- und Justizminister am 1./2. Oktober 2007 in Lissabon hat Vizepräsident [Franco, Anm.] Frattini eine Mitteilung der Europäischen Kommission über neue Ermittlungsmaßnahmen und Ermittlungstechniken angekündigt, deren Inhalt wohl auch für die österreichische Gesetzgebung Anhaltspunkte über die weitere Entwicklung der Angleichung nationaler Ermittlungsbefugnisse und ihrer näheren Ausgestaltung geben wird. Gerade in diesem Gebiet kann Österreich durch die 'Online-Durchsuchung' Vorbild für die anderen europäischen Staaten sein."
Die Programme
Weiters umreißen die Autoren des Papiers, mit welchem technischen Mittel die Online-Durchsuchung vorgenommen werden soll:
"Nun wissen wir, dass für die Durchführung einer 'Online-Durchsuchung' Programme benötigt werden, die unbemerkt auf einem Computer installiert werden und es dem Angreifer ermöglichen, den Inhalt der Festplatte auszulesen, den E-Mail-Verkehr zu überwachen oder das Aufsuchen bestimmter Internetsites auszuforschen, ohne dass es der Inhaber merkt. Hier ist Bedacht darauf zu nehmen, dass derartige Programme ['Trojaner'] zielgerichtet und punktgenau eingesetzt werden."
Der Rechtsschutzbeauftragte
Die Ministerien schreiben, dass es zur Kontrolle der mit diesen Mitteln durchgeführten Untersuchungen notwendig sei, das "System der Rechtsschutzbeauftragten" weiterzuentwickeln. Der Rechtsschutzbeauftragte ist dem Innenministerium zugeordnet.
Die Ermittlungsmaßnahmen sollen gemäß § 149d Abs. 1 Z 3 [ab 1. Jänner 2008 § 136 Abs. 1 Z 3] der Strafprozessordnung begrenzt werden.
Die Bedingungen
Die Online-Durchsuchung darf demnach nur zum Einsatz kommen, wenn es um die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder des Verbrechens der kriminiellen Organisation oder der terroristischen Vereinigung nach §§ 278a und 278b StGB geht.
Die Online-Durchsuchung darf auch eingesetzt werden, wenn ein dringender Tatverdacht nach § 278a oder § 278b StGB [Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität bzw. Terrorismus] gegen die verdächtige Person besteht.
Bevor die Fahnder zur Online-Durchsuchung schreiten dürfen, benötigen sie eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, die gerichtlich genehmigt wurde. Die Durchsuchung selbst soll einer nicht näher spezifizierten Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragen im Innenministerium unterliegen.
Falls die Strafverfolger in die Wohnung des Verdächtigen eindringen müssen, um die Online-Durchsuchung durchzuführen, benötigen sie eine gesonderte gerichtliche Genehmigung. Dabei haben sie, so das Papier, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten.
Allen Personen, deren Daten im Lauf der Durchsuchung ermittelt wurden, sei das mitzuteilen, und es seien ihnen "umfängliche Beschwerdemöglichkeiten" anzubieten.
Auch "strenge Vernichtungsregelungen von unzulässig ermittelten oder für die Untersuchung nicht bedeutsamen Daten" sollen erarbeitet werden.
Der Datenschutzkommission soll ein Beschwerderecht eingeräumt werden, der Bund haftet darüber hinaus verschuldensunabhängig für Schäden, die durch die Online-Durchsuchung verursacht wurden.
Die Online-Durchsuchung ist ferner in den jährlichen Bericht über besondere Ermittlungsmaßnahmen mit aufzunehmen, der dem Parlament, dem Datenschutzrat und der Datenschutzkommission vorzulegen ist.
Die Expertengruppe
Die Ministerien beabsichtigen, "unverzüglich" eine interministerielle Arbeitsgruppe einzurichten, die mit der Hilfe nicht näher spezifizierter Experten bis Februar 2008 die technischen Details der Online-Durchsuchung unter besonderer Berüchsichtigung der Erfahrungen mit diesem Instrument in anderen Ländern klären soll.
Die Arbeitsgruppe soll, wie bereits bekannt, auch die datenschutz- und europarechtlichen Aspekte klären sowie eine Perspektive für die "Weiterentwicklung des rechtlichen Kontrollinstrumentariums, etwa durch den Ausbau der Rechtsschutzbeauftragten", erarbeiten.
(futurezone | Günter Hack)