WiMAX Auge in Auge mit UMTS
Heute beginnt in Genf mit der World Radiocommunication Conference der Internationalen Telekommunikationsunion [ITU] das Großevent für alle Branchen, in denen Funk eine Rolle spielt. Zum Auftakt wurde der neue Datenfunk WiMAX mit UMTS/HSPA gleichgestellt.
Entsprechend umfangreich ist die Agenda dieser Weltkonferenz, die nur alle paar Jahre stattfindet. Im Zentrum steht die Neuverteilung von wichtigen Bereichen des gesamten Frequenzspektrums.
Betroffen ist von aereonautischen Telemetriediensten bis zum Seefunk, von digitalem Fernsehen und Radio, ob terrestrisch oder via Satellit, bis zum Mobilfunk so gut wie alles, was funkt oder empfängt.
Zukunftsweisend
Die Entscheidung mit den wohl weitreichendsten Folgen - sie betrifft die Zukunft des Mobilfunks bzw. des drahtlosen Internets - wurde bereits Donnerstagnacht publik.
Da hatte die Arbeitsgruppe WP8F, die wie andere ITU-Gremien im Vorfeld der Konferenz getagt hatte, eine Entscheidung bekanntgegeben, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
In den Kanon aufgenommen
Die WiMAX-Technologie für drahtlosen Datenverkehr wurde ganz offiziell in den Kanon des IMT-2000-Standards der ITU aufgenommen. Mobilfunkfirmen, die Lizenzen für UMTS oder EDGE-Datenfunk halten, dürfen auf Grundlage dieser Lizenzen nun auch den Datenfunk WiMAX einsetzen.
Nachdem der IMT-2000-Standard vor gut zehn Jahren entworfen wurde, kommt nun zu den damals entworfenen Luftschnittstellen für UMTS bzw. CDMA2000 eine weitere dazu.
Gegen "Technologieneutralität"
Noch im Frühjahr hatten sich die GSM Association [GSMA], das UMTS-Forum, Siemens, T-Mobile und andere Schwergewichte vehement gegen Pläne der EU gestemmt, den neu zu vergebenden Bereich von 2,5 bis 2,6 GHz "technologieneutral" zu vergeben.
Diesen Bereich wollte man nach dem Beispiel der UMTS-Bänder, die ausschließlich dieser Art von Datenfunk gewidmet sind, zur ebenso exklusiven Nutzung für die Mobilfunktöchter der alteingesessenen Telekoms reservieren.
Datendurchsatz
Das Warum ist leicht erklärt. Während UMTS noch weitgehend dem Telekom-Paradigma samt -Geschäftsmodell folgt - von der Priorität der Telefonie bis hin zur Abrechnungsart -, orientiert sich der WiMAX-Standard an den Gebräuchlichkeiten des Internets.
Die Ansagen von Sprint, der Nummer drei auf dem amerikanischen Mobilfunkmarkt und ersten großen Telekom weltweit, die auf den WiMAX-Zug aufgesprungen ist, lassen wenige Fragen offen. Sprints neuer WiMAX-Datendienst Xohm, der in Chicago gerade prototypisch aufgebaut wird, bietet einen mobilen Datendurchsatz, der UMTS/HSPA glatt verbläst.
Das Internet-Paradigma
Dazu folgt das mobile Internet dem Paradigma des drahtgebundenen. Es handelt sich also nicht um eine Ansammlung proprietärer Netzwerke mit selektiven "Roaming"-Vereinbarungen, wobei die Betreiber auch noch alle Services im Netzwerk kontrollieren.
Sprints Pakt mit dem von Intel und Motorola finanzierten WiMAX-Betreiber Clearwire sieht vielmehr ein US-weites Netz vor, das nach dem Muster des Internets funktioniert: Flatrate statt Minuten-Abrechnung, "immer online" statt Verbindungsaufbau.
Die Internet-Größen
Die gute alte Sprachtelefonie ist nur noch ein Dienst von vielen, da von Voice-over-IP über Peer-to-Peer [Tauschbörsen] bis Chat und Instant Messaging [ICQ & Co.] eben alles vom Internet Gewohnte funktioniert.
Den Telekoms wie ihren Ausrüstern konnte natürlich nicht recht sein, dass nun Internet- und IT-Größen wie Google, Intel, Cisco und IBM, um nur ein paar zu nennen, in ein Geschäftsfeld eindringen, das bis jetzt ihnen exklusiv vorbehalten war. Logischerweise waren es auch die genannten IT-Firmen, die den WiMAX-Standard mit Macht vorantrieben.
Telefonie, Hegemonie
Unterstützung kam von der US-Regierung, die all die Jahre recht unglücklich darüber war, dass europäische Standards wie GSM und danach UMTS den globalen Äther erobert hatten.
Das Rennen um die Hegemonie im digitalen Telefoniebereich der Zweiten Generation [2G] konnten die Europäer haushoch für sich entscheiden, denn GSM hält bei knapp 85 Prozent des Weltmarkts. Im Match zwischen UMTS und dem vergleichbaren US-Standard CDMA2000 sieht es für die USA prozentuell noch schlechter aus.
Die UMTS-Nachfolge
Mit der Verbreitung von WiMAX soll die Mobilfunkdominanz der Europäer gebrochen werden, deren UMTS-Nachfolgestandard bezeichnenderweise "Long Term Evolution" heißt.
Denn allzu eilig, das eigene Geschäftsmodell zu gefährden, hatten es die Telekoms nicht, die weltweit sündteuer vergebene UMTS-Lizenzen erworben hatten, aber die zugehörigen UMTS-Netze bis jetzt noch längst nicht fertig ausgebaut haben.
Die Fronten bröckeln
Die Zuordnung von WiMAX in den Bereich "3G" durch die ITU gab wohl den Ausschlag zur Zustimmung, denn damit ist eine neuerliche Großabzockerei bei nationalen Frequenzvergaben a la UMTS weitgehend ausgeschlossen.
Wie die Front gegen WiMAX in der Telekombranche immer mehr bröckelt, zeigt das Beispiel Nokia. Der weltgrößte Ausrüster von GSM- und UMTS-Funknetzen und haushohe Marktführer bei mobilen Endgeräten trat jüngst erst dem Branchenverband WiMAX-Forum bei.
Grünes Licht für WiMAX
In Großbritannien und den USA haben die Regulationsbehörden bei dem zu vergebenden Spektrum zwischen 2.500 und 2.690 MHz bereits grünes Licht für den Einsatz von WiMAX gegeben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das in ganz Europa ebenso verwirklicht wird.
Gegner China, Satbetreiber
Die Widerstände der Satellitenbetreiber, die den Bereich ebenfalls haben wollten, konnten im Vorfeld der World Radiocommunication Conference abgebogen werden.
Doch bis zuletzt legte sich die chinesische Regierung quer, die sich bei der internationalen Mobilfunk-Standardisierung als immer größerer Störfaktor erweist.
Hatte man sich schon bei UMTS für eine eigene nichtkompatible Variante des Standards entschieden, der nur in China gilt, so versuchte man bis zuletzt, auch einen eigenen Datenfunkstandard durchzudrücken.
Supermachtträume ausgeträumt
Die derzeit regierenden Mobilfunkgrößen aber können schon jetzt beginnen, sich extra warm anzuziehen. Die vom Datenvolumen her aberwitzig hohen Preise für SMS werden mittelfristig rutschen und dann ins Bodenlose fallen, wenn auf neuen Mobilgeräten Chat und Instant Messaging funktionieren.
Die Supermachtträume der Telekoms, neben Infrastruktur auch alle Services anzubieten und gleichzeitig groß ins Geschäft mit Inhalten einzusteigen, sind mit der ITU-Entscheidung endgültig ausgeträumt.
Verkaufsgerüchte um "3"
Nicht ganz zufällig mehren sich in den letzten Wochen in der Branche Gerüchte, dass die Hongkonger Firmengruppe Hutchison Whampoa ihre europäischen Mobilfunktöchter verkaufen will.
Hutchison war mit der Marke "3" in Großbritannien, Italien, Irland und Österreich und anderen europäischen Ländern angetreten, um primär als Service- und Content-Anbieter zu reüssieren.
Der Vielfalt der involvierten Branchen, Funkdienste und Frequenzbereiche zufolge kann die ITU-Konferenz mit noch einem weiteren Superlativ aufwarten: Mit einer Dauer von fast drei Wochen ist sie das bei weitem längstdauernde Fachevent.
(futurezone | Erich Moechel)