Bild: Günter Hack

30 Jahre Informatik an der TU Graz

06.11.2007

Die Informatik an der TU Graz feiert am Dienstag ihr 30-jähriges Bestehen. Zum Geburtstag sprach ORF.at mit Gründungsprofessor Hermann Maurer über die Entstehung der Fakultät, die wichtigsten Projekte und über seine Wünsche an die österreichische Wissenschaftspolitik.

ORF.at: Herr Maurer, wann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt mit einem Computer?

Hermann Maurer: Den ersten echten Kontakt mit einem Computer hatte ich 1962 in Kanada.

Ich hatte das Glück gehabt, dass ich dorthin von einem der führenden Leute in der Informatik eingeladen worden bin.

Ich habe 1963 in Regina bei der Regierung von Saskatchewan als Systemanalytiker gearbeitet und bin zufälligerweise bei der ersten sozialdemokratischen Regierung in Kanada gelandet. Die hatte sich zum Ziel gesetzt, eine allgemeine Krankenversicherung einzuführen.

Unsere Gruppe sollte das Programm dafür entwickeln. Das war auf den damaligen Computern eigentlich noch fast unmöglich. Man hat für eine Million Menschen die Gesundheitsdaten mitführen müssen. Das hat damals fast die Möglichkeiten der EDV gesprengt. Die Regierung hat eines der besten Programmiererteams Nordamerikas zusammengezogen und ich war dort eine Art Lehrbub. Das hat mich aber so begeistert, dass ich so lange geblieben bin, bis das Projekt fertig war.

Sie sind dann aber nach Europa zurückgekehrt.

Die deutsche Regierung hat Anfang der 70er Jahre zwölf Zentren für Informatik gegründet. 1971 habe ich einen Ruf nach Karlsruhe bekommen. Nach einigen Jahren war es so, dass ich aus persönlichen Gründen nach Österreich zurück wollte. Da gab es meine alten Eltern und meine Geschwister.

Und von dort ging es dann nach Graz.

Ja, das war 1977. Der erste volle Lehrstuhl für Informatik an der TU Graz. Das ist auch der Grund weswegen wir das 30-jährige Jubiläum feiern. Es ist ein bisschen unfair den Leuten gegenüber, die schon vorher hier Informatik betrieben haben. Die werden aber in der Jubiläumsfeier erwähnt. Wir haben einen Vortrag über die Zeit vor 1977, weil es da schon das Rechenzentrum und das Forschungszentrum gegeben hat.

Als ich nach Karlsruhe gekommen bin, war ich der zweite Professor der Informatik. Als ich gegangen bin, waren wir schon 125 Mitarbeiter. Die Kollegen haben dann alle gesagt, dass ich verrückt wäre, dass ich nach Graz gehe, in die Nähe des Balkans. Da gab es ja noch den Eisernen Vorhang.

Der in Wien geborene Hermann Maurer [66] promovierte 1965 an der Universität seiner Heimatstadt in Mathematik. Nach beruflichen Zwischenstationen in Kanada und Deutschland wurde er 1978 zum ersten ordentlichen Professor für Informatik an der Technischen Universität Graz berufen.

Die in der Öffentlichkeit bekanntesten Projekte mit Maurers Beteiligung sind der österreichische Bildschirmtext-Computer Mupid und das Wissensmanagement-System Hyperwave.

In seiner Freizeit schreibt Hermann Maurer gern Science-Fiction und hat seine Gedanken über die Auswirkungen der Computertechnik auf die Gesellschaft in mehreren Romanen dargelegt.

Warum haben Sie Ihr Institut in Deutschland aufgegeben?

Der Grund war die Landesforschungsstelle in Graz. Die hat mir alles das geboten, was mir das Ministerium nicht gegeben hätte, auch in Deutschland nicht. Also Reisemittel in einem vernünftigen Ausmaß, oder die Möglichkeit, Programmierer zu einem vernünftigen Gehalt anzustellen.

Das hat das Forschungszentrum Graz alles versprochen und auch gehalten. Wenn man damals etwas entwickeln wollte, hat man die Leute nicht bekommen, weil man sie nur nach einem festen Schema entlohnen konnte, so wie eine Sekretärin. Und in der Industrie waren sie gut bezahlt.

Mit der Hilfe des Forschungszentrums habe ich in Graz eine Programmierergruppe aufbauen können, die in Deutschland nur illegal aufzubauen war. In Deutschland haben die Informatiker damals einen Verein gegründet und aus diesem Verein heraus und aus Mitteln der Industrie haben wir auch Leute etwas besser bezahlt. Dieser Verein ist zwei Jahre nach meinem Weggang aus Karlsruhe dann vom Rechnungshof zerpflückt worden und es war nahe dran, dass die beteiligten Leute angeklagt worden wären. Das ist dann nicht passiert.

Welche Projekte sind Sie dann in Graz angegangen?

Ich bin eigentlich Theoretiker. Ich habe mich intensiv mit formalen Sprachen und Automatentheorie befasst. Als Mathematiker habe ich Zahlentheorie studiert. Zahlentheorie war damals ein absolut brotloses Geschäft. Das war schon lustig, zu überlegen, wie die Primzahlverteilung ist, aber es hat kein Mensch geglaubt, dass das je wichtig werden könnte. Durch die kryptographischen Verfahren ist die Zahlentheorie ins Zentrum des Interesses gerückt. Das ist komisch. Manchmal sind die Sachen, die so nutzlos ausschauen, eben dann doch wichtig.

Wir haben in Graz angefangen, Algorithmen zu entwickeln. Wir hatten eine sehr gute Algorithmengruppe. Einige der Leute, die damals promoviert haben, sind sehr gut geworden. Mein bester Student, Herbert Edelsbrunner, ist heute der beste Informatiker aus Österreich und lehrt heute an der Duke University in den USA.

Wir haben so ein Ranking für Informatikprofessoren, aufgrund einer Rangliste der Zitate und Publikationen und dergleichen. In dieser Liste liegt der Herbert weltweit an Stelle 200, weit vor dem nächsten Österreicher. Wir sind in Graz ganz gut. Wir haben immerhin vier Leute, die in den ersten 6.000 dieser Liste liegen. Keine andere österreichische Uni hat das.

Bekannt wurden Sie aber vor allem mit dem in Graz entwickelten Heimcomputer Mupid.

Ich hatte das Glück, dass mich die Post beauftragt hat, eine Studie zu machen, ob und wie man Bildschirmtext in Österreich einführen kann. Ich habe diese Studie dann gemacht und habe darin die Empfehlung ausgesprochen, ein Netz von Microcomputern aufzubauen.

Gemeinsam mit Reinhard Posch haben wir dann das Konzept des Mupid entwickelt, eines mit Basic und Pascal programmierbaren Kleincomputers, der mit Vektorgrafik umgehen und Software über das Netz herunterladen konnte. Das war um 1980. Im Juni 1982 haben wir ihn im Arsenal in Wien vorgestellt. Unterstützt wurden wir von der Post und von der VOEST.

Ein Exportschlager wurde das Gerät aber nicht.

Nach der Rechnung, die wir aufgestellt haben, war klar, dass wir im Jahr mindestens 50.000 Stück verkaufen hätten müssen, damit wir genug Geld einspielen, um die nächste Generation entwickeln zu können. Wir sind im Juni auf den Markt gegangen und haben bis zum Ende des Jahres 23.000 Stück verkauft.

Aber schon im zweiten Jahr ist es bergab gegangen. Die deutsche Post hatte damals Loewe-Opta protegiert und wollte den Mupid um jeden Preis draußen halten. Das ist eine Geschichte, die ich mich erst heute zu erzählen traue.

Da sind wir sechsmal nach Darmstadt gepilgert, zur FTZ, zum Fernmeldetechnischen Zentralamt, die haben dann immer wieder was gefunden. Beim letzten Mal waren wir so sicher, dass wir keinen Fehler mehr hatten. Das war aber schon vier Monate, nachdem der Loewe-Opta-Decoder zugelassen war.

Bei dieser Abnahme standen der Loewe-Opta-Decoder und der Mupid. Und da gab es einen Test, bei dem 5.000 Bilder aus einer Datenbank abgerufen werden mussten. Man hat immer gesehen, ob die beiden dasselbe zeigen. Am zweiten Tag hat der Loewe-Opta-Decoder irgendwann etwas anderes angezeigt als der Mupid. Ein Jubel beim FTZ: Jetzt haben wir doch wieder einen Fehler beim Mupid gefunden!

Posch hat aber die Nerven bewahrt und protokollieren lassen, was über die Leitung reingekommen ist. Dann hat sich aber herausgestellt, dass der Loewe-Opta den Fehler gemacht hat, nicht der Mupid. Sie hätten dann sofort die Zulassung des Loewe-Opta streichen müssen. Stattdessen hat der zuständige Mann gesagt, dass sie nachträglich die Spezifikation ändern müssen. Das ist bei einer Ausschreibung natürlich illegal.

Was haben Sie dann gemacht?

Wir sind gezwungen worden, den Fehler des Loewe-Opta-Decoders im Mupid nachzuprogrammieren.

Aus dem Grund war ich dann beim damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky und habe ihn gefragt, ob er intervenieren will.

Der Kreisky war sehr lieb, der hat gesagt: "Herr Professor, ich mach das schon für Sie, der Loewe-Opta-Decoder wird verschwinden und Sie haben dann das führende Gerät. Aber eins sag ich Ihnen: Die Version zwei des Geräts kriegen Sie in Deutschland nie mehr durch. Sie haben dann eine derartige Clique von Feinden gegen sich, die dann alles tun werden, um zu verhindern, dass Sie nochmals zum Zug kommen. Wenn Sie das wollen, fahre ich nach Deutschland." Er hat mir abgeraten.

Es war der Anfang vom Ende. Aber wir hatten nur 50 Mitarbeiter. Die haben 17 Firmen gegründet, mit und ohne unsere Hilfe. Diese Firmen gibt es alle noch, einige sind sehr groß geworden.

Was hatte die Uni von diesem Unternehmen?

Wir haben sechs Prozent des Umsatzes bekommen. Das war eine ganz schöne Summe. Ich war ja bis 1986 der einzige Professor. Aber durch die Mupid-Entwicklung haben die Firmen so viel Druck gemacht, dass die damalige Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Hertha Firnberg, ein Sonderprogramm für die Einrichtung der Telematik in Graz genehmigt hat.

Damals sind sechs Professuren genehmigt worden und eben auch das Studienprogramm Telematik. Das war unsere Idee, dass wir nicht die konservative Informatik, die in Wien und Linz gelehrt wurde, kopieren. Damals hat eine Studienordnung noch durchs Parlament gehen müssen. Wenn man da was ändern wollte, hat man zwei Jahre warten müssen, weil das immer der letzte Punkt auf der Agenda war. Das ist immer wieder vertagt worden. Dadurch waren die Studienpläne der Informatik verstaubt.

Das wollten wir nicht. Dann gab es einen Trick, nämlich den des Studienversuchs. Da hat man einen neuen Titel erfinden müssen für den Studiengang. Da haben wir Telematik als Studiengang eingeführt als eine Kombination von Informatik und Kommunikationstechnologie und Elektronik. Bei einem Studienversuch hatte das Parlament nichts mitzureden gehabt. Wenn der Studienversuch fünf Jahre lang erfolgreich war, dann wurde er automatisch zum Studienprogramm. So ist es mir unter Umgehung des Parlaments gelungen, ein Studienprogramm einzuführen, und zwar ein relativ modernes.

Sie haben sich dann weiter mit vernetzten Informationssystemen befasst.

Am Institut haben wir uns gefragt, was nun eigentlich am Bildschirmtext falsch gewesen ist. Diese Überlegungen haben uns dann zur Entwicklung von Hyperwave geführt. Hyperwave sollte ursprünglich nur ein Testsystem für unsere Universität werden.

Die Firma Hyperwave ist 1996 gegründet worden, sechs Jahre, nachdem wir das System entwickelt haben. Eines der Grundprinzipien von Hyperwave war, dass wir keine Links haben wollten, die ins Leere führen. Wir wollten das verhindern, indem wir die Links bidirektional machten. Das heisst, jedes Objekt "weiß", dass ein Link auf es zeigt. Auch wenn ein Objekt verändert wird, ändert sich der Link. Wenn die Seite gelöscht wird, wird der Server verständigt und löscht den Link.

Das setzt voraus, dass man die Links von den anderen Daten trennt. Man kann ja nicht einem fremden Server erlauben, dass der in meinen Daten etwas verändert, aber wenn man den Link von den Inhalten trennt, kann man das schon so machen, dass der fremde Server dem eigenen System mitteilt, wenn ein Link ungültig ist.

Eine andere große Schwäche des Bildschirmtexts war auch, dass man Informationen abgelegt hat, aber keine Beschreibung dazu. In Hyperwave sollte man zu jedem Objekt Attribute anlegen können, also Metadaten. Wir wollten auch, dass man an jeder Stelle eine Diskussion starten kann.

Ein großer Erfolg wurde Hyperwave trotzdem nicht.

Am Anfang ist das sehr gut gelaufen. Wir wollten an die Börse gehen und hatten alles vorbereitet. Dann sind wir aber mitten im Crash der späten 90er Jahre gelandet. Die Bank sagte, dass unsere Aktien im Crash sofort an Wert verlieren würden und sie wollte das den Großanlegern nicht zumuten.

Das war eine heikle Situation. Ein halbes Jahr zuvor hat Hyperwave in den USA einen Expansionskurs gefahren. Wir haben gedacht, das durch den Börsengang finanzieren zu können. Ein paar Venture-Capital-Firmen haben uns trotzdem Geld gegeben. Dadurch hat Hyperwave zwar überlebt, aber es ist damals sehr gebremst worden.

Heute verstehe ich nicht, warum Hyperwave nicht mehr Erfolg hat. Es ist eine Firma mit 100 Leuten und hält sich soweit am Leben, aber es ist keine riesige Erfolgsstory, obwohl es bei weitem das beste Wissensmanagementsystem der Welt ist. Die Firmen, die es verwenden, die schwören drauf.

Ist Österreich ein guter Standort für Informatik-Projekte?

Österreich ist sicherlich nicht der ideale Standort, um neue Entwicklungen in der Informatik durchzusetzen. Aber es ist sicher nicht unmöglich, hier sehr groß zu werden und wichtige Sachen zu erfinden.

Dass es nicht so einfach ist, liegt auch daran, dass es hier immer noch Leute gibt, die Informatik nicht für wichtig halten. Wir haben in Graz jetzt einen Rektor und vier Vizerektoren. Der Rektor unterstützt die Informatik einigermaßen, aber einer der Vizerektoren hat einmal gesagt, er glaube nicht, dass Informatik eine Wissenschaft sei.

Wenn ich mir andererseits Fälle wie Facebook ansehe, dass also ein junger Mann eine Idee hat, diese umsetzt und sein Unternehmen dann zwei Jahre später mit 15 Milliarden Dollar bewertet wird – das kommt im Maschinenbau eher selten vor. Aber in der Informatik gibt es das.

Ich betrachte die Tatsache, dass die Informatik an keiner Universität wirklich stark gefördert wird, als Betrug an den jungen Leuten. Wir sind in Graz relativ groß, aber wir sind auch aus eigener Kraft so stark geworden. Die Universität hat uns nur mäßig unterstützt. Wir haben jetzt, je nachdem, wie man zählt, 45 Leute, die normal bezahlt werden. Aber über 160 Leute, die wir aus Tantiemen, Projekten und Drittmitteln bezahlen. Das ist natürlich ein ganz ungewöhnliches Verhältnis.

Wie viele Leute waren Sie am Anfang?

Am Anfang waren wir vier Wissenschaftler. Reinhard Posch, der dann die zweite Professur für Informatik bekommen hat, der Günter Haring, der heute Dekan der Fakultät für Informatik an der Uni Wien ist und Walter Bucher. Bei all den Projektbeschreibungen habe ich unterschlagen, dass ich nicht auf unsere Firmen am meisten stolz bin, sondern auf unsere Studierenden.

Dieter Fellner beispielsweise ist Nachfolger von Jose Encarnacao geworden, am Fraunhofer-Institut für grafische Datenverarbeitung in Darmstadt. Wir werden eine Fraunhofer-Gruppe in Graz aufbauen, die zu 60 Prozent von Deutschland finanziert wird und zu 40 Prozent von österreichischen Ministerien. Das kostet die TU Graz keinen Groschen und bringt uns 30 Mitarbeiter.

Ich habe 60 bis 80 Leute promoviert und habilitiert. Viele unserer ehemaligen Studierenden sind heute in Positionen, die besser sind als meine. Ich glaube, dass ich am meisten als Lehrer beigetragen habe, nicht mit dem, was ich selber gemacht habe.

Wo sehen Sie die Stärken der Informatik an der TU Graz?

Ich habe mir immer vorgenommen: Wenn wir Leute einstellen, dann stellen wir die unabhängig vom Gebiet ein. Wir nehmen einfach die besten Leute. Das hat sich bewährt. Bei der Computergrafik sind wir heute unter den zehn besten Instituten in der Welt. In der Kryptographie sind wir unter den drei besten. Beim Wissensmanagement sind wir im deutschsprachigen Bereich unter den zwei besten.

Und dazwischen haben wir aber riesige Löcher. Wir sind zu klein, um alles mit Topleuten besetzen zu können.

Was stört Sie am Universitätsbetrieb in Österreich?

Im Wesentlichen hakt es daran, dass die Universitäten schlecht organisiert sind. Das Gesetz, das wir seit 2002 haben, ist zwar ein deutlicher Fortschritt, aber es ist auch halbherzig, weil es so eine Art Gegenregierung gibt. Es gibt ein Rektorat und einen Senat und die können sich gegenseitig halt schon auf die Nerven gehen.

Dann kommt dazu, dass der Rektor halt nicht wirklich ein CEO ist, sondern der Vorsitzende des Rektorats. Da kann es passieren, dass der Rektor von den Vizerektoren überstimmt wird.

Ein Rektor muss halt den Mut zur Lücke haben. Man kann nicht an jeder technischen Universität in Österreich jedes Fach unterrichten. Ich glaube, dass nach wie vor die Gießkanne regiert. Man muss sich auf gewisse Gebiete konzentrieren. Mittlerweile wird an acht Universitäten in Österreich Informatik unterrichtet. Auch das ist für mich zweifelhaft. Die Informatik sollte man vielleicht an drei Universitäten unterrichten.

Es sollte halt von Regierungsseite her besser koordiniert werden. In Österreich haben wir 23 Universitäten. Es gibt diese furchtbare Zerstückelung in kleine Einheiten, anstatt dass man sagen würde, wir konzentrieren uns auf Nanotechnologie oder Quantenphysik. Und schauen, dass wir die Informatik mit guten Leuten in Graz, Wien und Linz weiterbringen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Fakultät?

Dass wir unsere Situation stabilisieren. Im Moment sind wir 200 Forscher, von denen etwa 160 aus Projekten bezahlt werden, wobei wir ständig neuen Projekten nachlaufen müssen. Wir haben sechs Professorenstellen über eine Stiftung finanziert, von der wir nicht wissen, wie lange sie das noch machen wird. Wir müssen in einigen starken Punkten ausbauen.

Da besteht die Gefahr, dass darunter auch Projekte sind, die man nicht macht, weil sie innovativ sind, sondern weil sie Geld bringen. Bisher ist das nicht passiert, aber die Gefahr besteht. Wir brauchen in einigen Bereichen mehr Leute.

Es geht nicht, dass wir in den Einführungsvorlesungen für Programmierer oder in Informatik I 600 Studenten sitzen haben. Es ist schon eine Frechheit, dass die Fachhochschulen eine Gruppengröße von 40 Leuten haben und wir teilweise eben 600 Leute in den Veranstaltungen haben. Da ist die Politik gefordert.

Ein Studentenjahr an einer TU kostet den Staat 19.000 Euro. An der FH kostet ein Studentenjahr 40.000, auch in den nichttechnischen Fächern. Die Fachhochschüler werden mit mehr als doppelt soviel Geld unterstützt wie die Studenten an den Universitäten. Ist das in Ordnung, wenn man Forschung fördern will?

Wenn ich eine große Vorlesung halte, dann habe ich einen gewissen Maßstab, aber es fallen bei der Prüfung 40 Prozent durch. Man müsste ein besseres Auswahlverfahren haben, bei dem man schneller feststellen kann, welche Studenten motiviert sind und welche nicht für den Beruf taugen. Es gibt auch Leute, die gut sind, aber in einem bestimmten Teil des Fachs Probleme haben, die man aber gut mit Zusatzkursen beheben könnte. Dazu haben wir bei uns überhaupt keine Chance. Wenn da einer durchfällt, dann ist das halt so. Dann fallen halt hundert durch.

Wie hat die Informatik in den letzten 30 Jahren die Menschen verändert?

Ich glaube, dass die Computer für die Allgemeinheit erst in den letzten fünf bis acht Jahren wirklich an Bedeutung gewonnen haben. Das heißt, die Auswirkungen der Computer auf die Gesellschaft sind noch nicht voll sichtbar.

Eine Auswirkung, die ich sehr stark befürchte, ist die Verflachung des Wissens. Ich habe schon Schulaufsätze gesehen und Aufsätze von Studierenden, bei denen Fragmente aus Google und Wikipedia zusammengeklebt worden sind und zum Schluss haben die nicht verstanden, was sie geschrieben haben.

Ich glaube auch, dass die Fähigkeit zum zusammenhängenden Lesen leidet, unter den Minihäppchen an Informationen, die wir im Netz serviert bekommen.

Wie könnte die Wissenschaft dem vorbeugen?

Wenn ich die Chance hätte, ein neues Zentrum für Informatik zu beantragen, würde ich mich mit E-Learning beschäftigen. Ich würde aber nicht die Frage stellen, wie man mit Computern Wissen vermittelt, sondern welches Wissen man mit ihnen vermitteln sollte.

Ich glaube, dass es blödsinnig ist, den Kindern in der Volksschule noch Handschrift beizubringen. Wenn die Kinder aus der Schule kommen, werden sie keine Handschrift mehr brauchen. Warum sollten sie? Sie werden mit Tastaturen und anderen Eingabegeräten arbeiten, aber nicht mehr mit Kugelschreiber auf Papier.

Ich glaube, dass die Zeit der Handschrift vorbei ist. Es gibt nur ein Argument für die Handschrift: Dass sie dabei hilft, die Feinkoordination zwischen Augen und Fingern zu üben.

Sie sind ein Scherzbold.

Einmal haben wir den Erhard Busek hochgenommen. Wir haben ihm einen Computer mit Kamera zur Gestenerkennung vorgestellt.

In Wirklichkeit ist einer unserer Mitarbeiter im Nebenzimmer gesessen, hat live die Bilder von der Kamera angesehen und dem Computer die entsprechenden Kommandos gegeben. Es hat funktioniert. Busek hat uns dann ordentlich Forschungsgelder gegeben.

(futurezone | Günter Hack)