Journalisten gegen Data-Retention
Kurz vor der Entscheidung des deutschen Bundestags über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung hat der Deutsche Journalisten-Verband [DJV] vor katastrophalen Folgen für die Pressefreiheit gewarnt. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Parlamentsabstimmung soll am Dienstag fallen.
Der DJV warnte vor katastrophalen Folgen für die Pressefreiheit. "Wo werden sich dann noch Informanten finden, die sich mit Journalisten unterhalten, damit die Journalisten investigativ arbeiten können? Das geht dann eigentlich nur noch auf der Parkbank", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken vor Journalisten am Rande des DJV- Bundesverbandstages am Dienstag in Saarbrücken.
Am Nachmittag wollten die rund 300 Delegierten mit einem Demonstrationszug gegen die Pläne zu Vorratsdatenspeicherung, Telefonüberwachung und Online-Durchsuchungen protestieren. Auch in anderen deutschen Städten sind am Dienstag Kundgebungen geplant.
Gesetzesentwurf kurz vor Verabschiedung
Nach dem Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, der in Kürze verabschiedet werden soll, müssen künftig alle Daten von Telefon- und Internet-Verbindungen für ein halbes Jahr gesichert werden. Im Zuge von Strafverfolgungen kann der Staat darauf zurückgreifen.
Konken beklagte, die Politik mache bei der Überwachung mittlerweile einen "Rangunterschied" beim Schutz verschiedener Berufsgruppen. "Abgeordnete und Strafverteidiger werden im ersten Rang geschützt, und dann kommen die Journalisten. Ich meine, die Journalisten müssen ganz oben stehen, weil ihre Arbeit für die Demokratie so wichtig ist."
In den vergangenen Jahren hätten die staatlichen Eingriffe in die Pressefreiheit "beängstigend zugenommen". Der Staat gehe "immer rigoroser" damit um. Die Begründung der Politik für die Verschärfung der Gesetze - den Kampf gegen den Terrorismus - halte er für vorgeschoben.
Zum Zeitpunkt der Abstimmung
Wann der Bundestag über das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung abstimmen wird, ist derzeit noch unklar. Während die Pressestelle des deutschen Parlaments am Montag auf Anfrage von ORF.at sagte, dass die Vorratsdatenspeicherung in dieser Woche voraussichtlich nicht mehr zur Abstimmung kommen werde, sagten Vertreter der SPD-Fraktion gegenüber Heise Online, dass doch am Freitag über das Gesetz abgestimmt werden würde.
Auf Anfrage von ORF.at teilte die Pressestelle der SPD-Fraktion am Dienstagvormittag mit, dass anlässlich einer Fraktionssitzung um 15.00 Uhr über den Zeitpunkt der Abstimmung entschieden werde.
Ärzte und Anwälte wehren sich
Auch der Deutsche Anwaltverein und die Ärzteorganisation Marburger Bund haben wenige Tage vor der geplanten Neufassung der Telefonüberwachung massiv gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung protestiert.
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Ulrich Montgomery, warnte am Dienstag in Berlin vor einer totalen Aushöhlung des Vertrauensverhältnisses, wenn der Patient damit rechnen müsse, in der Arztpraxis abgehört zu werden.
Anwaltspräsident Hartmut Kilger nannte die unterschiedliche Behandlung von Berufsgeheimnisträgern ein nicht zu rechtfertigendes Zwei-Klassen-System. Beide Organisationen lehnten auch die vorsorgliche Speicherung der Telefon- und Internetverbindungsdaten ab.
(dpa | futurezone)