Frattini setzt auf Fluggastüberwachung
Am Dienstag hat EU-Innenkommissar Franco Frattini in Brüssel seinen Plan zur Überwachung von europäischen Flugpassagieren nach dem Vorbild der USA vorgestellt. Europaabgeordnete kritisieren die Pläne des EU-Kommisars scharf. Ein Verbot von Websites mit "terroristischen Inhalten" wurde vorerst verschoben.
Das europaweite System zur Auswertung von Fluggastdaten ist Kernstück eines umfassenden Anti-Terror-Pakets.
Das Sammeln und Auswerten von Fluggastdaten sei ein "wichtiges Instrument, um die Reisen von Terroristen zu überwachen und geplante Anschläge zu verhindern", sagte Frattini.
Zu den 19 Daten zählen die persönliche Anschrift und die E-Mail-Adresse des Reisenden sowie Kreditkartennummer, Kofferzahl, Flugdaten und Sitz im Flugzeug. Ausgenommen sind "sensible Daten" wie das Bordmenü, die Aufschluss über religiöse oder politische Überzeugungen geben könnten.
Bis 2010 nationales Recht?
Betroffen sind alle Passagiere, die aus der EU in ein Drittland wie die Schweiz, die USA oder Ägypten reisen. Wenn alle EU-Staaten den Plänen zustimmen, müssen sie bis Ende 2010 im nationalen Recht verankert werden. Die USA nutzen die Daten von europäischen Flugreisenden bereits seit 2003.
Den Plänen zufolge soll jeder EU-Staat zur Verwaltung der Daten eine "Passagier-Informationseinheit" ernennen, die eng mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet.
Daten werden 13 Jahre gespeichert
Die Fluggesellschaften müssen die Daten ihrer Kunden dann an die jeweilige nationale Behörde im europäischen Start- oder Zielland des Flugs weitergeben. Das muss in der Regel 24 Stunden vor Abflug geschehen und noch einmal nach Abschluss des Boardings.
Die Daten sollen maximal 13 Jahre gespeichert werden, zwei Jahre weniger als in den USA. Die ersten fünf Jahre sind die Daten "aktiv", die Sicherheitsbehörden können sie voll nutzen. In den folgenden acht Jahren gelten sie als "schlafend", sie dürfen dann nur bei "akuter Gefährdung" abgerufen werden.
Die Pläne waren bereits im Vorfeld bekannt geworden. Die Bürgerrechtsorganisation Statewatch bezeichnete die Maßnahme als "Fiasko für den Datenschutz".
Schrittweiser Ausbau des Systems
Frattini zeigte sich am Diesntag auch überzeugt, dass auch künftige Schengen-Mitglieder wie die Schweiz bei der Regelung mitmachten, wenn die EU das System beschließe. Außerdem sollte in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob auch Flüge innerhalb der EU einbezogen würden.
Kritik von Abgeordneten
Deutsche Europa-Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen kritisierten Frattinis Pläne. "Der Vorschlag der EU-Kommission geht eindeutig zu weit", sagte der SPD-Innenpolitiker Wolfgang Kreissl-Dörfler.
Cem Özdemir von den Grünen sprach von einem weiteren "Schritt in den Überwachungsstaat". Alexander Alvaro von der FDP forderte mehr Schutzvorschriften gegen einen Missbrauch der Angaben.
Lichtenberger: Nachvollzug der US-Gesetzgebung
Bereits am Montag sprach sich Eva Lichtenberger, österreichische EU-Parlamentarierin der Grünen, gegen die EU-Überwachung von Fluggästen aus. Der Vorschlag Frattinis sei ein schlichter Nachvollzug der US-Gesetzgebung, sagte Lichtenberger: "Unter dem Deckmäntelchen des 'Krieges gegen den Terror' soll von jedem Flugpassagier ein Profil erstellt werden, was im Klartext bedeutet, dass man jeden Fluggast zum potenziellen Terroristen abstempelt."
Parlament kann nicht mitentscheiden
Nach geltender Rechtslage kann das Europa-Parlament über Polizeifragen aber nicht mitentscheiden.
Der Vorschlag wird nun zunächst den Innenministern der 27 Mitgliedstaaten vorgelegt. Dann sollen nach dem Willen der Kommission die jeweiligen Parlamente die Vorgaben bis Ende 2010 in nationales Recht umsetzen.
Verbot von "Terror-Websites" verschoben
Ein EU-weites Verbot von Websites mit Anleitungen zum Bombenbau oder Aufrufen zu Terroranschlägen ist dagegen vorerst vom Tisch. Vor allem Österreich und Luxemburg hatten Datenschutzbedenken.
Stattdessen überlässt es Frattini den EU-Staaten, öffentliche Aufrufe zu Attentaten sowie die Rekrutierung und Ausbildung von Terroristen "auch im Internet" unter Strafe zu stellen.
Teil des Pakets ist auch ein Aktionsplan zur Überwachung von Sprengstoffen. Frattini will ein europaweites Frühwarnsystem beim Diebstahl von Sprengstoff schaffen und damit Anschläge wie in Madrid 2004 und in London 2005 verhindern.
(futurezone | dpa | AFP)