Gebühr für Netzmusik
Der Musikmanager Peter Jenner hat unter anderem Pink Floyd und The Clash betreut. Nun tritt er für eine Zugangsgebühr für Musik aus dem Netz ein. Dass diese über kurz oder lang kommen wird, davon ist Jenner überzeugt: "Der Musiktausch im Netz ist nicht mehr aufzuhalten, die Tonträgerverkäufe kollabieren."
"Die Musiknutzung im Netz ist anarchisch", meint Jenner, der am Montag bei der vom mica [music information center austria] veranstalteten Konferenz "The fan, the music and the net" zu Gast war. Anarchische Zeiten seien jedoch immer gut für die Kreativität. Das sei beim Punk und auch bei den Hippies so gewesen, sagte der Musikmanager.
Dass die Musikkonzerne die Kontrolle über den Musikvertrieb im Netz verloren haben, findet er nicht weiter schlimm: "Das ist gut für das Publikum."
Allerdings müssten Wege gefunden werden, die Arbeit der Musiker auch zu vergüten. Dazu schlägt Jenner eine Nutzungsgebühr für Musik aus dem Internet vor.
Peter Jenner
Jenner ist seit mehr als 40 Jahren im Musikgeschäft tätig. Zu seinen Klienten zählten neben Pink Floyd und The Clash auch T.Rex und Ian Dury. Heute betreut Jenner den britischen Musiker Billy Bragg und ist Vorsitzender des International Music Managers Forum [IMMF].
ORF.at: Der Online-Musikmarkt ist keine Erfolgsgeschichte.
Jenner: Alle Systeme, mit denen bisher versucht wurde, mit Musik im Internet Geld zu verdienen, sind gescheitert. ITunes hilft Apple beim Verkauf von iPods, den Künstlern bringt es jedoch nichts.
Die Internet-Nutzer, die im Grunde genommen für den Vertrieb der Musik selbst aufkommen und sich die CDs selber brennen, wollen für Online-Musik nicht dieselben Preise bezahlen wie für Musik aus dem Plattenladen.
Ich glaube, dass die Preisgestaltung für Musik im Netz schon immer falsch war. Wenn etwa ein Download für fünf Cent verkauft würde, hätten die Online-Tauschbörsen nicht so viel Zulauf. Die Leute hätten kein Problem damit gehabt, für Musik zu bezahlen. Aber die Preise, die verlangt werden, sind nicht fair. Sie sind beleidigend.
Auch der Einsatz von Digital-Rights-Management-Systemen [DRM] war eine schlechte Idee. Niemand bezahlt für ein eingeschränktes Produkt, wenn er die bessere Version umsonst bekommen kann.
Wir müssen aber eine Möglichkeit finden, die Künstler zu vergüten. Mein Vorschlag dazu ist ein Gebührenmodell für die Nutzung von Musik über Breitband-Internet und 3G-Mobiltelefone. Gewissermaßen eine Gebühr für die Anarchie, für die unautorisierte Nutzung von Musik im Netz.
ORF.at: Wie soll so ein Gebührenmodell aussehen?
Jenner: Die Gebühr müsste national geregelt werden. Ich betone ausdrücklich, dass damit keine Pauschalgebühr für alle Musik im Netz gemeint ist. Das wäre rechtlich nicht zu bewältigen. Man bräuchte die Zustimmung von allen Rechteinhabern, und das ist nicht möglich.
Die Rechteinhaber wollen abgestufte Möglichkeiten haben. Sie wollen nicht, dass alles zu einem Preis erhältlich ist. Warum sollen nicht tausende Blumen blühen? Es wird Möglichkeiten geben, Musik zu filtern und zugänglich zu machen.
Es wird Leute geben, die für Musik bezahlen, die für sie ausgesucht wurde. Eine solche Gebühr würde Mehrwertdienste [Value Added Services] und Dienstleistungen rund um Musik nicht beeinträchtigen.
ORF.at: Wie hoch könnte eine solche Gebühr sein?
Jenner: Etwa zwei Pfund oder drei Euro pro Monat. Die Leute werden es gar nicht merken. In Großbritannien gibt es 15 Millionen Breitbandanschlüsse und 3G-Telefone.
Würde jeder Inhaber eines Breitbandanschlusses oder eines 3G-Telefons zwei Pfund bezahlen, dann würden sich die Einnahmen auf 1,2 Milliarden Pfund im Jahr belaufen. So viel hat die Musikindustrie in ihren besten Jahren eingenommen.
ORF.at: Halten Sie die Einführung einer solchen Gebühr für realistisch?
Jenner: Das wird passieren, spätestens in zwölf Monaten. Denn der Musiktausch im Netz ist nicht mehr aufzuhalten. Die Tonträgerverkäufe kollabieren. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis für die Industrie.
Denn je weniger Kopien pro Album verkauft werden, desto weniger wird damit verdient. Je weniger umgesetzt wird, desto weniger Geld gibt es für Musiker und für Aufnahmen. Das führt dazu, dass auch Plattenläden schließen müssen. Die ökonomische Basis des Massenmarktes für Tonträger ist gefährdet.
In wenigen Jahren wird man die Tonträgerindustrie mit der europäischen Motorradindustrie vergleichen können. Es wird einige wenige Spezialisten geben. Die Ära des Massen-CD-Marktes neigt sich dem Ende zu.
Seit sieben Jahren haben die Musikkonzerne mit sinkenden CD-Verkaufszahlen zu kämpfen. Heuer hat sich der Rückgang der Tonträgerverkäufe neuerlich beschleunigt. Downloads können das Minus nicht ausgleichen.
ORF.at: Noch werden aber rund 70 Prozent der angebotenen Musik als CD verkauft.
Jenner: Die Frage ist aber nicht, was verkauft wird, sondern was tatsächlich genutzt wird.
Und ich bezweifle, dass dieses Verhältnis noch dasselbe ist, wenn wir Musik dazuzählen, die aus Filesharing-Netzwerken geladen wird.
ORF.at: Sie haben die Klagen der Musikindustrieverbände gegen Tauschbörsennutzer mit dem Vietnam-Krieg verglichen?
Jenner: Ja, denn auch während des Vietnam-Kriegs wurde von der US-Regierung - genauso wie jetzt von den Industrieverbänden - ständig behauptet, dass der Kampf gewonnen werde. Wir wissen, wie der Vietnam-Krieg ausgegangen ist.
Um es mit anderen Worten zu sagen: Wer gibt schon gerne zu, dass er verloren hat?
Die Internet-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation [EFF] veröffentlichte vor kurzem eine Zwischenbilanz zu den Klagen der US-Musikindustrie gegen Tauschbörsennutzer. Trotz der Klagen des Musikindustrieverbandes sei Filesharing beliebter als je zuvor, resümierte EFF-Anwalt Fred von Lohmann. In Österreich wurden nach Angaben des Verbandes der Österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] seit Oktober 2004 550 Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzen eingeleitet.
ORF.at: Zuletzt machten Radiohead von sich reden, als sie beim Vertrieb ihres Albums "In Rainbows" zunächst auf die Mithilfe einer Plattenfirma verzichteten und es über ihre Website zum Download anboten. Brauchen Musiker eigentlich noch Labels?
Jenner: Nicht im herkömmlichen Sinn. Aber ich glaube, Musiker brauchen Leute, die ihnen dabei helfen, ihre Musik zu vermarkten. Das wird immer der Fall sein.
Musiker machen Musik, und es hat immer Leute gegeben, die ihnen geholfen haben, damit Geld zu machen und davon zu leben. Früher gab es Mäzene und Verlage, die Notenblätter unter die Leute gebracht haben.
ORF.at: Wie könnten künftige Geschäftsmodelle für Musiker aussehen?
Jenner: Wir wissen es nicht. Als die Wright-Brüder ihr erstes Flugzeug vorgestellt haben, wusste auch niemand, dass es in hundert Jahren Ryanair geben würde. Ich denke aber, dass Musik künftig weniger ein Produkt als eine Dienstleistung sein wird.
Sie kaufen dann keine CDs mehr. Sie werden für eine Dienstleistung bezahlen. Wie das funktionieren wird, müssen wir herausfinden. Sicherlich werden dabei auch viele Fehler gemacht werden. Ich habe da einige Vorschläge, aber ich weiß nicht, ob sie auch funktionieren.
ORF.at: Zum Beispiel?
Jenner: Ich glaube, dass Musiker möglicherweise Dienste anbieten werden, die ihrem Publikum bevorzugten Zugang zu ihren Arbeiten bieten: Aufnahmen aus dem Studio, Live-Aufnahmen, Ticketverkauf, Artwork, Musikempfehlungen. Musik wird zur Dienstleistung.
Dabei können sich Bands und Musiker auch zusammentun. Sie könnten etwa Mitglied der Vienna Jazz Musicians Appreciation Society werden und dafür fünf Euro im Monat bezahlen. Sie würden Musik herunterladen können und mit Informationen zu den Musikern versorgt werden. Ich glaube, dass die Leute für Musik auch bezahlen würden.
Sie wollen ihr Geld allerdings nicht den Konzernen geben. Die Leute wollen eine Beziehung zu den Künstlern aufbauen. Je enger diese Beziehungen sind, desto glücklicher werden die Leute sein.
Das mica, wo Jenner am Montag zu Gast war, startete im vergangenen August die Initiative "fair music". Damit soll Bewusstsein für mehr Fairness im Musikgeschäft hergestellt und die Stellung von Musikschaffenden und Hörern gestärkt werden.
(futurezone | Patrick Dax)