Verwirrspiel um Vorratsdatenspeicherung

Data-Retention
13.11.2007

Drei Ministerien kümmern sich in Österreich um die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und schieben sich gegenseitig die Verantwortung für das Projekt zu. Neue Termine für weitere Verhandlungen und die Umsetzung stehen noch nicht fest.

Eigentlich hätte die EU-Richtlinie zur Data-Retention wie berichtet bereits bis zum 15. September in nationales Recht umgesetzt werden sollen, doch schon vor dem Sommer war klar, dass dieser Termin nicht halten würde.

Ein neuer Termin für die Umsetzung ist weiterhin nicht in Sicht, ist aus dem Infrastrukturministerium zu hören. "Es gibt keinen Zeitrahmen", sagte Ministeriumssprecher Marcin Kotlowski auf Anfrage. Auch für das Gespräch auf Ministerebene zwischen Infrastruktur-, Innen- und Justizministerium sei, entgegen bisherigen Aussagen gegenüber ORF.at, noch kein Termin gefunden worden.

Pattstellung in Verhandlungen

Aktuell scheinen die Verhandlungen auf eine Pattstellung hinausgelaufen zu sein: Einerseits ist weiterhin die Kostenfrage ungeklärt, andererseits gibt es auch beim Strafrahmen, ab dem die Strafverfolger die gesammelten Kommunikationsdaten nutzen dürfen, unterschiedliche Meinungen.

Im ersten Entwurf war der Zugriff auf die Daten im Telekommunikationsgesetz geregelt. Nun soll sich das Justizministerium einschalten. Jene Delikte, bei denen der Zugriff auf die gespeicherten Daten gewährt wird, sollen künftig in der Strafprozessordnung [StPO] definiert sein.

"Was ist ein schweres Verbrechen?"

Noch bleibt offen, um welche Fälle es sich dabei handelt. Die EU-Richtlinie sieht die Vorratsdatenspeicherung als Maßnahme gegen "schwere Delikte" vor.

"Die Frage ist: Was ist ein schweres Verbrechen?", hieß es dazu aus dem Infrastrukturministerium. So werde man sich entweder auf eine "Deliktgruppe" oder auf ein Strafausmaß einigen. Dieser Punkt soll mit dem Justizministerium besprochen werden. "Wir werden unseren Teil für das Gesamtpaket beisteuern", hieß es dort auf Anfrage.

Es müsse eine gemeinsame Linie gefunden werden, damit dem Ministerrat ein Vorschlag unterbreitet werden könne, hieß es zuletzt.

Was die Kostenfrage betreffe, werde das Justizministerium Gespräche mit den Betreibern aufnehmen.

Innenministerium will ein Jahr speichern

Bei der Speicherdauer beharrt das Innenministerium unter Günther Platter [ÖVP] weiterhin auf einem Jahr. "Unser Standpunkt ist unverändert", hieß es dazu aus seinem Ministerium.

So sah es auch der erste Entwurf vor, zu dem beim Infrastrukturministerium laut Kotlowski 100 Stellungnahmen eingelangt sind. Aufgrund zahlreicher Proteste und Änderungswünsche von Industrie und Interessengruppen schien das Infrastrukturministerium zurückzurudern und kündigte eine "Geringstumsetzung" an. Die EU-Richtlinie sieht eine Mindestspeicherdauer von sechs Monaten vor.

In all den Verhandlungen unverändert geblieben ist die Art der Daten, die gespeichert werden sollen: vorerst "nur" Kommunikationsdaten des Telefonverkehrs, also wer wann mit wem gesprochen hat - und bei Mobiltelefonie auch die Standorte. Internet und E-Mail sollen ab 2009 dazukommen.

Vorher könnte aber der Europäische Gerichtshof die gesamte Richtlinie kippen, da mittlerweile mehrere Beschwerden anhängig sind.

Zuletzt hatte sich der Präsident des Verfassungsgerichtshofs [VfGH], Karl Korinek, gegen die Vorratsdatenspeicherung gewandt.

Widerstand vermisst

Der LIF-Abgeordnete Alexander Zach vermisste in einer Pressekonferenz am Dienstag Proteste in Österreich gegen die Vorratsdatenspeicherung. "Es ist bedenklich, dass sich keinerlei öffentlicher Widerstand formiert", beklagte er.

Er hoffe nun, dass die SPÖ standhaft gegenüber Platters Plänen bleibe. In Deutschland hätten 7.000 Personen eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof vorbereitet, darunter auch CDU-Abgeordnete, sagte Zach.

Sein Mitstreiter Hans Zeger von der ARGE Daten sieht durch die Vorratsdatenspeicherung sogar die Polizeiarbeit selbst gefährdet. Das "technisch übermächtige Instrument" würde die Feinarbeit bei den Ermittlungen "totschlagen".

Zeger glaubt außerdem nicht, dass das Innenministerium gegen Gegenangriffe der organisierten Kriminalität gewappnet wäre.

(futurezone | APA)