"DRM ist tot, aber ..."

14.11.2007

Frank Taubert, Geschäftsführer des digitalen Musikvertriebs 24-7, hat beim Telekomkongress tel.con in Wien das baldige Ende von Digital Rights Management [DRM] bei Musik-Downloads vorausgesagt. Daneben wurde beim Branchentreff auch eine Pauschalabgabe für Musik aus dem Netz diskutiert.

In spätestens sechs Monaten werde DRM im Download-to-own-Bereich verschwunden sein, so Taubert, dessen in London ansässiges Unternehmen 24-7 Entertainment Vertriebslösungen und Inhalte im digitalen Unterhaltungsbereich für Großkunden bereitstellt: "Das wünschen sich auch die Musikkonzerne."

DRM werde von den Kunden als Einschränkung wahrgenommen, die Kompatibilitätsprobleme der unterschiedlichen Kopierschutzformate behinderten das Wachstum des Online-Musikmarktes und sorgten für Zulauf in Online-Tauschbörsen.

3:1 für DRM-freie Musik

DRM-freie Musik verkaufe sich in den von 24-7 Entertainment betriebenen Musik-Shops etwa dreimal so oft wie kopiergeschützte Titel, so Taubert.

Nach den Majors EMI und Universal, die ihre Musik bereits ganz oder teilweise ohne Kopierschutz zum Download anbieten, werden bald auch Sony BMG und Warner Music folgen, ist Taubert überzeugt.

Der DRM-freie Verkauf von Musik werde den Markt beflügeln, so Taubert, der am Mittwoch bei der tel.con, dem vom Institute for International Research [IIR] organisierten Jahreskongress der Telekombranche, in Wien zu Gast war.

Das Podium

Nach seinem Vortrag diskutierte Taubert auf dem Podium mit Franz Medwenitsch , Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI], Michael Nitsche , Leiter der Werbeagentur Saatchi & Saatchi in Wien, Ute Rabussay , stellvertretende Geschäftsführerin des Verbandes Alternativer Telekomnetzbetreiber [VAT], und Josef Lusser von der ORF-Generaldirektion über Urheberrecht, Kopierschutztechnologien und Pauschalabgaben.

DRM rechnet sich nicht

Medwenitsch sieht das ähnlich: Letztlich entscheide der Konsument. Man müsse sich über die Sinnhaftigkeit von DRM im Musik-Download-Bereich Gedanken machen. "Man hat geglaubt, dass das funktioniert, aber der Konsument hat das nicht angenommen", sagte Medwenitsch.

Kopierschutz verursache für die Rechteinhaber Kosten, rechne sich aber nicht: "DRM bringt nicht das an Effekt und Wirkung, was man sich erwartet hat", so Medewenitsch.

DRM bei Aboangeboten

Bei werbefinanzierten Angeboten und bei Abomodellen werde aber auch künftig nicht auf den Einsatz von Digital Rights Management [DRM] verzichtet werden könnnen, sagte Taubert.

Musik zur Miete

Musikabodienste wie Napster und RealNetworks Rhapsody galten zwar unter Branchenbeobachtern lange Zeit als die Zukunft des Online-Musikvertriebs. Sie blieben bisher jedoch weit hinter den in sie gesteckten Erwartungen zurück.

Songs der Abodienste können auf dem Computer sowie auf kompatiblen Musik-Playern und Handys abgespielt werden. Die Songs sind jedoch mit Kopierschutz versehen und für den Kunden nur so lange nutzbar, wie für das Abo bezahlt wird.

Absage an "Kultur-Flatrate"

Einer "Kultur-Flatrate" für Musik aus dem Internet erteilten die Diskutanten eine Absage. Medwenitsch bezeichnete eine solche Pauschalabgabe für Musik aus dem Netz gar als "Unkultur-Flatrate". Dadurch würden Kreative mit einem monatlichen Almosen abgespeist. Der Online-Musikmarkt würde im Keim erstickt.

Manche Formen der Rechtenutzung wie etwa die private Vervielfältigung ließen sich jedoch nicht individualisieren und sollten auch weiterhin pauschal über die Leergüterabgabe vergütet werden, sagte Medwenitsch. Es gelte, einen sinnvollen Mix aus pauschalen Vergütungen und individuellen Vergütungen der Rechteinhaber zu finden.

"Individualisierte Kundenbeziehungen"

Die stellvertretende VAT-Geschäftsführerin Rabussay verwies darauf, dass sich die Informationsgesellschaft in Richtung individueller Kundenbeziehungen entwickle.

Über die Telefonrechnung ließen sich etwa verschiedene Dienste individuell abrechnen. Man brauche neben den Geräteabgaben keine weiteren Pauschalabgaben, sagte Rabussay. Es gebe sehr wohl Möglichkeiten, Urheberrechte individualisiert abzugelten.

Der Musikmanager Peter Jenner, der am Montag bei der Konferenz "The fan, the music and the net" im Wiener mica [music information center austria] zu Gast war, ist davon überzeugt, dass eine Zugangsgebühr für Musik aus dem Netz über kurz oder lang kommen werde: Der Musiktausch im Netz sei nicht mehr aufzuhalten, die Tonträgerverkäufe kollabieren, und auch der Online-Musikmarkt funktioniere nicht, sagte er im Gespräch mit ORF.at.

Diskussion über Qualität

Der Werber Nitsche meinte, dass sich Inhalte im Netz zwar nicht kontrollieren ließen, die Leute jedoch sehr wohl bereit seien, für qualitativ hochwertigen Content zu bezahlen. Ihm gehe die Diskussion über die Qualität der veröffentlichten Inhalte ab.

Die Musikindustrie habe jahrzehntelang nur darauf geachtet, was sich schnell und gewinnbringend vermarkten lässt. Der langsame Aufbau von Künstlern sei dieser Marketinglogik zum Opfer gefallen. Auch er lehne weitere Pauschalabgaben ab. Denn damit würden auch Inhalte gefördert, die "eigentlich nicht existieren sollten", so Nitsche. Es gebe im Netz unendlich viele Inhalte, viele davon seien jedoch Schrott.

Überarbeitung des Urheberrechts

Einigkeit herrschte darüber, dass das Urheberrecht einer Überarbeitung bedarf. Das Urheberrecht hinke der technischen Entwicklung immer hinterher, sagte ORF-Vertreter Lusser.

Taubert kritisierte, dass die Verwertungsgesellschaften neue Geschäftsmodelle blockieren würden, um ein Maximum an Vergütungen zu bekommen. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, damit neue Geschäftsmodelle auch rechtlich abgesichert seien: "Es hilft nichts, wenn keine Industrie mehr da ist, weil die Nutzer längst über andere Wege zu den Inhalten gekommen sind."

Der vom Institute for International Research [IIR] organisierte Jahreskongress für die Telekombranche, tel.con, fand am Dienstag und Mittwoch in Wien bereits zum zehnten Mal statt. Hauptthema am ersten Tag waren die Telekomregulierung und der Wettbewerb auf dem heimischen Markt.

(futurezone | Patrick Dax)