Indie-Games und Anarchie

18.11.2007

Unabhängige Game-Designer mischen mit frischen Konzepten den Spielemarkt auf. Während es die britischen Hacker von Introversion Software mit ihren Ideen zu Weltruhm gebracht haben, trumpfen auch österreichische Entwickler mit eigenen Tools und Spielen auf.

Das Herz eines jeden Computerspiels ist die sogenannte Game Engine. Das ist eine Sammlung von Programmen und Codes, die alles steuert, was

während eines Games am Bildschrim zu sehen und zu hören ist. Je aufwendiger, spektakulärer und wirklichkeitsgetreuer ein Spiel und seine Effekte sind, desto komplexer ist auch die dahinter liegende Spiel-Engine.

Hochprofessionelle Game-Engines wie etwa Unreal 3D kosten über 500.000 Euro und sind für kleine und unabhängige Spiele-Entwickler nicht erschwinglich. Diese sind daher auf leistbare Alternativen in Form von Freeware- oder Open-Source-Spiele-Engines angewiesen. Um diese kleinen

und unabhängigen Spiele-Schmieden zu unterstützen, haben sich ein Dutzend Universitäten und Firmen aus verschiedenen EU-Ländern zum "Game Tools"-Projekt zusammengeschlossen.

Ein Werkzeug aus Wien

Auch das Institut für Computergraphik und Algorithmen an der Technischen Universität Wien hat in den vergangenen drei Jahren unter der Leitung von Michael Wimmer am "Game Tools"-Projekt teilgenommen und mitgeholfen, den Game-Code und Effekte für bereits existierende Grafik-Engines zu verbessern. Während sich andere Universitäten etwa

mit Geometrievereinfachung und realistischen Beleuchtungseffekten beschäftigten, hat man sich an der TU vor allem mit Fragen der Sichtbarkeit und Sichtbarkeitsalgorithmen auseinandergesetzt.

Um die im Rahmen des "Game Tools"-Projekts entwickelten und verbesserten Visualisierungseffekte auch entsprechend darzustellen und potenzielle Interessenten aufmerksam zu machen, haben Studenten an der TU Wien ein Demo sowie ein komplett spielbares Game gebaut.

Quellenfreier Code für Spiele

Im Rahmen des "Game Tools"-Projekts wurden vor allem Effekte für die Open-Source-Engine Ogre 3D weiterentwickelt. Neben Ogre 3D erfreuen sich unter unabhängigen Spiele-Entwicklern auch andere Open-Source-Tools und Engines großer Beliebtheit, allen voran der "Torque Game Builder".

Das Game mit dem besonderen Dreh

Mit dem "Torque Game Builder" wurde auch das innovative österreichische Jump & Run-Game "And Yet It Moves" programmiert. Entwickelt haben das Game vier Studenten am Institut für Gestaltungs-

und Wirkungsforschung der TU Wien - und zwar im Rahmen ihres Bakkalaureats und ohne jede Vorerfahrung auf diesem Gebiet.

Herausragend ist dabei neben der visuellen Umsetzung - ein Papiermännchen läuft und springt durch eine Collage aus eingescannten Landschaftsbildern - vor allem auch die Möglichkeit, das ganze Spiel bzw. den Bildschirm um 90 Grad zu drehen.

Mit diesem besonderen Dreh hat "And Yet It Moves" auch international auf sich aufmerksam gemacht:

Die Zeitschrift "Wired" etwa listete das innovative Spiel als eines der besten "Indie Games 2007". Und beim renommierten "Independent Games Festival" in San Francisco wurde "And Yet It Moves" sogar zum Gewinner im Bereich "Student Showcase" gekürt.

Vom Fan zum Entwickler

Um ein Computerspiel zu entwickeln, muss man nicht unbedingt an der TU studieren, das "Games College" in Wien oder einen Spieleentwicklungslehrgang an einer FH besuchen, es reicht auch schon, einfach Fan und von Computerspielen begeistert zu sein.

So wie es zum Beispiel Florian Hufsky ist. Er hatte die Idee, "Super Mario" mit Sounds aus Unreal Tournament zu kombinieren. Gedacht, getan: Hufsky

brachte sich mit Hilfe von "Game Development Tutorials" im Internet Programmieren bei und lernte, wie man Grafiken aus Super-Nintendo-Spielen extrahiert.

Das Ergebnis seiner Modifikation nannte Hufsky schließlich: "Super Mario War". Online hat sich rund um das modifizierte Game eine Community gebildet, die ihrerseits und in Eigenregie an weiteren Modifikationen arbeitet.

"Sex Pistols des Game Designs"

Die leuchtenden Vorbilder im Bereich der Independent Games sind Introversion Software in London. Die Anfang 2002 von den drei Freunden Chris Delay, Mark Morris and Thomas Arundel gegründete Spiele-Schmiede hat sich mit ihren kostengünstig produzierten Games weltweit

Kultstatus erarbeitet.

Die Introversion-Spiele "Defcon" und "Uplink" zitieren klassische Hacker-Filme der 1980er Jahre wie "Sneakers" und "Wargames". Die 1980er Jahre sind auch in anderer Hinsicht Vorbild und Referenzpunkt

für die Introversion-Macher, war dieses Jahrzehnt doch auch die Blütezeit der sogenannten "Bedroom Programmers" - oft nur ein oder zwei Leute, die in ihren Schlaf- oder Wohnzimmern Games für Homecomputer produzierten.

Die Spieleästhetik der 1980er Jahre diente auch als Inspiration für das preisgekrönte, 2005 erschienene Introversion-Game "Darwinia" - es ist mit seinen grobkantigen Landschaften und Figuren ein kruder und bewusster Gegenentwurf zu den glattpolierten und nach größtmöglichem Photorealismus strebenden Großproduktionen der Gamesindustrie. Das Spiel brachte Introversion auch den Ruf ein, die "Sex Pistols des Game Designs" [so die Zeitschrift "Wired"] zu sein.

Hörtipp

Mehr dazu heute, Sonntag, um 22:30 Uhr in "Matrix" auf Ö1: Interviews mit Introversion Software, Florian Hufsky, den "And Yet It

Moves"-Entwicklern und Michael Wimmer vom Institut für Computergraphik und Algorithmen der Technischen Universität Wien.

(matrix | Richard Brem)