"Das Geschäft geht in unsere Richtung"

19.11.2007

Die Online-Musikplattform Jamendo bietet Musik unter Creative-Commons-Lizenzen zum Download über Peer-to-Peer-Netzwerke an. Fans können Musiker mit Spenden unterstützen. ORF.at hat mit Romain Becker von Jamendo über die Musik-Community gesprochen.

Vor kurzem stellte die britische Band Radiohead ihr Album "In Rainbows" auf ihrer Website zum Download bereit. Die Fans konnten selbst entscheiden, wie viel sie dafür bezahlen wollten. Die in Luxemburg ansässige freie Musikplattform Jamendo vertreibt Musik seit 2005 auf diese Art und Weise und fährt gut damit.

Rund 75.000 Tracks oder 5.600 Alben von über 3.300 Bands und Musikern stehen in den Formaten MP3 und Ogg zum Download bereit. Weltweit zählt Jamendo mehr als 200.000 Nutzer. Insgesamt wurden bereits mehr als eine Million Alben von der Plattform heruntergeladen

Die Jamendo-Community bewertet und bespricht die Musik und bringt über Tags Ordnung in das aus fast allen Stilrichtungen bestehende Reportoire der Plattform. Über einen Player können von den Nutzern auch Playlists erstellt und untereinander getauscht werden.

Derzeit ist Jamendo in sieben, vorwiegend europäischen, Sprachversionen verfügbar.

Creative-Commons-Lizenzen

Über das Radiohead-Experiment zeigt man sich bei Jamendo erfreut. "Es sieht so aus, dass das Musikgeschäft in unsere Richtung geht", sagte Jamendo-Sprecher Becker, der vergangene Woche bei der Konferenz "Der Fan, die Musik und das Netz" im Wiener mica [music information center austria] zu Gast war.

Das jüngste Radiohead-Album hätte auf Jamendo dennoch keinen Platz gefunden. Denn die in Luxemburg ansässige Plattform akzeptiert nur Musik, die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht wurde.

Creative-Commons-Lizenzen ermöglichen es Rechteinhabern, unter dem Motto "Some rights reserved" ihre Werke im Netz frei zu verbreiten, ohne ihre Urheberrechte aufzugeben.

Bescheidene Summen

Während Radiohead Informationen über die Spenden für die Downloads des Albums von ihrer Website zurückhalten, sind Statistiken über die Fanzuwendungen für Jamendo-Musik offen einsehbar.

Die Summen sind bescheiden. Seit Jänner 2006 spendeten die Jamendo-Nutzer rund 14.400 Euro. Insgesamt gingen in diesem Zeitraum 1.454 Spenden ein.

Laut dem Ökonomen Aron Schiff, der die auf der Jamendo-Website veröffentlichten Zahlen zu den Spenden auswertete, verteilt sich das Geld über eine große Zahl von Bands und Musikern. Den einzelnen Künstlern bleibe sehr wenig Geld, so Schiff.

Radiohead machten über die Spendierfreudigkeit ihrer Fans bisher keine Angaben. Laut einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Comscore griffen lediglich zwei von fünf Radiohead-Fans zur Geldtasche. Dem Großteil der zahlenden Fans [17 Prozent] war das Album weniger als vier US-Dollar [2,75 Euro] wert. Radiohead wiesen die Zahlen jedoch als "völlig falsch" zurück.

Downloads über BitTorrent und eMule

Die Spenden seien bescheiden, räumte Becker ein, wichtig sei jedoch, dass der Hörer dabei mithelfe die Musik zu vertreiben. Jamendo gebe den Impuls, und der Vertrieb erfolge dann nach dem Peer-to-Peer-Prinzip. Songs und Alben können über BitTorrent und eMule heruntergeladen werden.

Die wichtigste Musikplattform im Netz sei nicht iTunes, Musik werde vorwiegend über Filesharing-Netzwerke vertrieben, so Becker.

Für Musiker sei es sehr wichtig, dass sie in diesen Netzwerken gefunden werden. "Wenn man aber nach kleinen Bands in Filesharing-Netzwerken sucht, findet man sie kaum. Wir wollen das ändern", so Becker. Mit Creative-Commons-Lizenzen sei das auch rechtlich kein Problem.

Die Berliner Band Einstürzende Neubauten finanziert ihre Produktionen seit 2002 mit der direkten Hilfe ihrer Fans. Neubauten-Bassist Alexander Hacke ist davon überzeugt, dass solche Modelle auch für andere Bands funktionieren können.

Über Werbung finanziert

Finanziert wird Jamendo vorerst ausschließlich über Werbung und über einen Anteil an den Spendengeldern an die Musiker. In Zukunft will man auch Dienstleistungen für Bands und Musiker anbieten, etwa den Verkauf von T-Shirts und anderen Merchandising-Produkten, kündigte Becker an.

Das Modell stößt zunehmend auch bei etablierten Bands, die neue Märkte erschließen wollen, auf Interesse. Seit kurzem biete etwa das in den USA erfolgreiche Indie-Rock-Quartett White Light Riot ihr jüngstes Album "Atomism" auf Jamendo an, so Becker: Jamendo sei eine gute Möglichkeit für die Band, auch in Europa bekanntzuwerden.

Social-Networking-Plattformen, personalisierte Web-Radios und MP3-Blogs zeigen Möglichkeiten auf, neue Musik zu entdecken. Der britische Psychologe David Jennings hat darüber ein Buch geschrieben. ORF.at sprach mit ihm über die neue Musiklandschaft im Netz.

(futurezone | Patrick Dax)