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Amazon stellt "Always-on"-Buch vor

19.11.2007

Der weltgrößte Online-Einzelhändler Amazon will mit seinem am Montag vorgestellten E-Book-Reader Kindle, der über eine Netzanbindung verfügt, auch mit elektronischen Büchern punkten. Vorerst ist das Lesegerät nur in den USA erhältlich.

Am Montag präsentierte Amazon-Chef Jeff Bezos in New York den E-Book-Reader Kindle, an dessen Entwicklung Amazon seit 2004 arbeitete.

Das Lesegerät sei die wichtigste Entwicklung, die Amazon in Angriff genommen habe, sagte Bezos im Vorfeld der Produktpräsentation dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek". Es sei ambitioniert einen Kulturtechnik wie das Buch verbessern zu wollen, so Bezos: "Vielleicht ändern wir die Art und Weise wie Leute lesen."

Platz für 200 Bücher

Der E-Book-Reader, der etwa so groß ist wie ein Taschenbuch, wiegt 289 Gramm und kann rund 200 elektronische Bücher speichern. Das Fassungsvemögen kann mit Speicherkarten erweitert werden.

Auf dem Bildschirm [6 Zoll Diagonale bei einer Auflösung von 600 × 800 Pixel] ohne Hintergrundbeleuchtung kommt die bereits bei Sony-Lesegeräten bewährte E-Ink-Technologie zum Einsatz, die im Erscheinungsbild gedruckten Seiten ähnelt.

Die elektronischen Bücher können auf dem Gerät, das auch über eine Tastatur verfügt, durchsucht und annotiert werden. Die Textgröße lässt sich individuell anpassen. Wörter können auch im mitgelieferten "New Oxford American Dictionary" und in der Wikipedia nachgeschlagen werden.

Drahtlose Netzverbindung

Über das "Whispernet"-System, das auf dem von US-Mobilfunkbetreibern angebotenen EV-DO-Breitband-Dienst [Evolution Data Optimized] basiert, ist das Lesegerät mit dem Netz verbunden.

Bücher können also direkt von Amazon auf den Reader geladen werden. Der Download soll nach Angaben des Unternehmens weniger als eine Minute pro Buch in Anspruch nehmen.

Anders als etwa bei dem vor rund einem Jahr präsentierten Sony-E-Book-Reader ist beim Download von elektronischen Büchern der Umweg über den PC nicht mehr nötig. Die Verbindungskosten werden von Amazon übernommen.

Daneben verfügt Kindle auch über ein E-Mail-Programm. Der Preis für das Gerät beträgt 399 Dollar [rund 272 Euro].

Die Batterielaufzeit des Kindle beträgt laut Amazon 30 Stunden. In rund zwei Stunden soll das Gerät vollständig aufgeladen sein.

E-Book-Store mit mehr als 90.000 Titel

Ergänzend zum Lesegeräte stellte Amazon am Montag auch einen E-Book-Store mit rund 90.000 Titel vor. Das Gros der elektronischen Bücher ist im Kindle-Store für 9,99 Dollar zu haben. Klassiker gibt es bereits ab 1,99 Dollar.

Neben Büchern bietet Amazon aber auch Zeitungen ["New York Times", "Wall Street Journal", "Washington Post"] und Magazine ["The Atlantic"] in elektronischer Form an. Zeitungsabos kosten zwischen sechs und 15 Dollar pro Monat. Auch ausgewählte Weblogs können abonniert werden. Pro Blog werden monatlich 0,99 Cent verrechnet.

Kopiergeschützte Bücher

Anders als beim Vertrieb digitaler Musik verzichtet Amazon beim E-Book-Verkauf nicht auf Digital-Rights-Management-Systeme [DRM]. Nach Angaben Nachrichtenmagazins "Newsweek" werden die Bücher mit Kopierschutztechnologien versehen, um ihre unautorisierte Weiterverbreitung zu verhindern. Von Amazon selbst gibt es dazu bisher keine Angaben.

Umsätze verhalten

Bislang kam der Markt mit elektronischen Büchern kaum vom Fleck. In den USA wird der jährliche Umsatz mit E-Books auf maximal 25 Milllionen Dollar geschätzt, ein Bruchteil der 25 Milliarden Dollar, die im Buchhandel umgesetzt werden.

Als Hauptgrund für den schwächelnden Markt gilt die mangelnde Akzeptanz der Lesegeräte. Amazon könnte mit seinem Reader dem E-Book-Markt den Durchbruch bringen, sagte Robert Enderle von der Technologieberatung Enderle Group der "Financial Times Deutschland": "Gut möglich, dass Amazon gelingt, was zuvor Apple im Musikmarkt erreicht hat."

"Markt in Österreich nicht wirklich existent"

Michael Schnepf, Mitherausgeber der österreichischen Zeitschrift "Buchkultur", beurteilt die Erfolgsaussichten für E-Books in Österreich skeptisch. Ein Massenmarkt für elektronische Bücher sei hierzulande nicht wirklich existent, meinte Schnepf gegenüber ORF.at.

E-Books hätten allenfalls in den Bereichen Wissenschaft und Bildung Chancen, wo es darum gehe, dass Inhalte rasch aktualisiert werden können. Im Belletristik-Bereich werden E-Books jedoch auch weiterhin ein Schattendasein fristen, ist Schnepf überzeugt.

Vorerst nur in den USA erhältlich

Vorerst werde der Amazon-E-Book-Reader nur in den USA angeboten, sagte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage von ORF.at. Ob und wann das Lesegerät auch in Europa erhältlich sein werde, sei noch unklar.

(futurezone | Patrick Dax)