USA kassieren "digitale Dividende"

20.11.2007

Auf der ITU-Wellenkonferenz wurden die Weichen zur Dominanz beim mobilen Breitband in Richtung USA gestellt. In Europa blockiert Analog-TV bis 2015 diesen Frequenzbereich. Im Falle des bald voll digitalisierten Österreichs sind es die Nachbarstaaten, da Funk keine Grenzen kennt.

Auf der World Radiocommunication Conference der Internationalen Telekommunikationsunion [ITU] in Genf, die gerade zu Ende gegangen ist, wurden die Weichen zur Verteilung der "digitalen Dividende" in Bezug auf den Auslaufposten Analog-TV gestellt.

Wenn statt analog aufmoduliert mit digitalen Protokollen gefunkt wird, dann lassen sich weitaus mehr Sender in denselben Frequenzbereich packen.

Jahre früher als Europa

Durch Videokompression wird pro Kanal deutlich weniger Bandbreite verbraucht, mit digitalen Fehlerkorrekturverfahren werden wechselseitige Interferenzen bis zu einem gewissen Ausmaß "weggerechnet".

Das frei werdende Spektrum kann deshalb neu verteilt werden, das ist die Dividende der Digitalisierung. Und die wird - siehe weiter unten - in den USA um Jahre früher als in Europa einkassiert, hat der Verlauf der ITU-Konferenz gezeigt.

WiMAX wird weit

In Genf wurde ein Teil der zwischen 470 und 862 MHz frei werdenden TV-Frequenzen neu an digitale Breitband-Datendienste zugewiesen, im Regelfall ist damit der neue WiMAX-Funkstandard gemeint.

Für den standen bis dato nur die Bänder um 3,5 GHz bzw. 2,5 GHz und 2,3 GHz [in den USA respektive Südkorea] zur Verfügung, in denen weitaus ungünstigere Ausbreitungsbedingungen herrschen.

Ausbreitung - verkürzt dargestellt

Der Paradigmenwechsel setzt bei ungefähr einem GHz ein, ab da ändern sich die Qualitäten und Ausbreitungscharakteristiken der elektromagnetischen Wellen, sie ähneln immer mehr dem Licht.

Dadurch lassen sie sich zwar immer besser bündeln - wie Licht im Hohlspiegel - und ermöglichen beispielsweise streuungsarme Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Doch häufen sich die Reflexionen, wenn die Wellen auf Hindernisse treffen, der Funk stört sich dann selbst durch seine eigenen Echos.

Faustregel ist, dass die Verbindung etwa so weit reicht, wie freie Sicht gegeben ist, wobei natürlich auch die Dämpfung durch die Atmosphäre eine Rolle spielt.

Wenn die Welle schleicht

In niedrigeren Frequenzbereichen hingegen "schleicht" die Welle bis zu einem gewissen Ausmaß über Hindernisse hinweg und kann auch in Gebäude eindringen.

Aus diesem Grund ist das zur Versteigerung stehende 700-MHz-Band in den USA auch so begehrt, die US-Regulationsbehörde rechnet denn auch mit einem Erlös von 15 Milliarden Dollar für die Bänder, die nach Abschalten des analogen Fernsehens in nächster Zukunft für Breitband-Datenfunk genutzt werden können.

Noch regiert Europa

Dadurch erhofft sich die US-Regierung, die seit Jahren daran nagt, dass die europäischen Standards GSM und UMTS die Welt regieren, während die US-Systeme gerade einmal bei 15 Prozent Weltmarktanteil halten, mit der nächsten Generation mobiler Anwendungen wieder die Technikführerschaft zu übernehmen.

Und es sieht alles danach aus, dass das auch gelingen könnte.

Der Wunschzettel der USA

Wie sich auf der ITU-Wellenkonferenz nämlich gezeigt hat, wo alles nach dem Wunschzettel der USA verlief, wird es für Europa lange Übergangsfristen geben, bis ein Teil des analogen TV-Frequenzbereichs dezidiert für Datenfunk als primärer Dienst gewidmet wird.

Während die Versteigerung des 700-MHz-Bandes in den USA bereits im Jänner 2008 plangemäß über die Bühne geht, lässt man sich in Europa bis 2015 damit Zeit.

UMTS und Analog-TV

Dafür gibt es freilich handfeste Gründe. Zum einen haben die führenden Mobilfunkkonzerne T-Mobile, Vodafone et al. kein Interesse an einem neuen Datenfunk, bevor ihre existierenden UMTS-Netze bis zu deren maximaler Bandbreite ausgebaut sind.

Zum anderen sind die in den USA schon freigeräumten Bandbereiche quer durch das kleinräumige Europa noch durch Analog-TV blockiert, womit wir wieder bei den Ausbreitungsbedingungen sind.

Die analogen Nachbarn

Am Beispiel Österreich zeigt sich das Problem recht deutlich. Während hierzulande die Digitalisierung des Fernsehens alsbald abgeschlossen ist, sind die Nachbarn Tschechien, Slowakei und Ungarn längst noch nicht so weit beziehungsweise hat man dort noch nicht einmal richtig angefangen.

Klar ist, dass es in den Nachbarländern auf Jahre hinaus noch analoges Fernsehen geben wird.

Bis 2015 ist aber TV noch als primärer Funkdienst für die entsprechenden Bänder durch die ITU festgeschrieben. Wer den Primärdienst stört, muss abschalten, so sind die Regeln der ITU.

Es wird also auch im voll digitalisierten Österreich kurzfristig nicht möglich sein, leistungsstarke WiMAX-Sender für das künftig in Europa reservierte Spektrum 790-862 MHz aufzustellen. Da sich der Funk bekanntlich nicht an politische Grenzen hält, würden damit nämlich wenigstens in der Slowakei und Tschechien bestehende analoge TV-Programme gestört.

Umgekehrt würden die benachbarten TV-Stationen wiederum den WiMAX-Datenverkehr in Österreich beeinträchtigen, je näher an Grenze, desto langsamer [durch notwendige Fehlerkorrekturn] bis gar nicht würde die Verbindung dann funktionieren.

Auflagen für Satelliten

Und auch noch einen weiteren US-Sonderwunsch erfüllte die ITU.

Da die im Aufbau befindlichen WiMAX-Netze in den USA im Bereich 2,5 GHz aufwärts senden, wo auch Telekommunikationssatelliten in Richtung Erde strahlen [S-Band 2,535 bis 2,655 GHz] wurden für diese Auflagen bezüglich Sendeleistung und Abstrahlwinkel erteilt.

Bei diesem Modernisierungsschub gibt es freilich nicht nur digitale Dividenden zu kassieren. Zumindest eine Branche sieht ihr Geschäft durch die Aufgabe von Analog-TV akut gefährdet. Welche das ist, wird morgen hier zu lesen sein.

(futurezone | Erich Moechel)