Richter kritisieren Kennzeichen-Scan

deutschland
20.11.2007

Das deutsche Bundesverfassungsgericht steht dem massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungslisten kritisch gegenüber.

Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier fragte in der Verhandlung dazu am Dienstag, wie verhindert werden könne, dass Bewegungsprofile der Halter erstellt werden.

Die Karlsruher Richter überprüfen die Landesgesetze von Hessen und Schleswig-Holstein. Diese erlauben es der Polizei, automatisch Kennzeichen zu erfassen und mit Fahndungslisten abzugleichen [1 BvR 2074/05].

Informationelle Selbstbestimmung verletzt

Mehrere Autobesitzer sehen sich dadurch in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und hatten gegen die Regeln geklagt. Mit dem Abgleich der Kennzeichen mit den Fahndungslisten sollen Fahrzeuge und Kennzeichen aufgespürt werden, die beispielsweise als gestohlen gemeldet sind.

Das hessische Gesetz gilt seit 2006, das schleswig-holsteinische seit 2007 für zunächst zwei Jahre. Ähnliche Regelungen gibt es unter anderem in Bayern und Brandenburg. Das Urteil dazu wird für das nächste Jahr erwartet.

Die Polizei benutze beim automatischen Abgleich nur zwei Fahndungslisten des BKA, verteidigte der hessische Staatsminister Volker Bouffier die Regelung. Die Überprüfung sei also eingeschränkt. Das sei keine Datenerhebung ins Blaue hinein, sondern polizeiliche Aufgabenerfüllung. Die Ermittler müssten schließlich 2,7 Millionen gesuchte Kennzeichen finden. Bewegungsprofile der Halter seien schon rein technisch nicht möglich.

Unpräzise Gesetzestexte

Die Richter ließen durch zahlreiche Fragen erkennen, dass sie die Gesetze unter anderem aufgrund des zu unscharfen Wortlautes kritisch sehen. Wie denn sichergestellt werde, dass die Polizei nur auf die zwei BKA-Datensätze zugreife, fragte etwa der Bearbeiter des Verfahrens, Wolfgang Hoffmann-Riem. Das sei in den Gesetzen nicht geregelt. Weiters wurde die Frage aufgeworfen, ob die Länder für solche Gesetze überhaupt zuständig seien.

Allein die Teilnahme am Straßenverkehr mache den Bürger zum potenziellen Verdächtigen, kritisierte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, Udo Krauß. Die Behörden erhöben massenhaft Daten, hätten aber nur geringen Erfolg. So seien in Hessen 2007 bisher eine Million Pkws abgeglichen worden, aber nur jeder 3.000. sei ein Treffer gewesen.

Speicherung nur bei Treffern

Oft würden durch den Abgleich nicht versicherte Fahrzeuge gefunden, die eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer seien, widersprach Bouffier. Radarmessgeräte lieferten schon jetzt mehr Daten über die Halter als die automatische Erfassung, sagte ein Vertreter Schleswig-Holsteins. Er verwies darauf, dass die Daten nur bei Treffern gespeichert würden.

Ermittler können Kennzeichen entweder aus dem fahrenden Polizeiwagen heraus oder - wie bei einer Geschwindigkeitskontrolle - von einer festen Station aus aufnehmen. Mittels einer Software wird die Buchstaben- und Zahlenfolge automatisch mit den Fahndungslisten verglichen.

Ausweitung auf "Gefährder" und "Störer"

Schleswig-Holstein kam seit August auf nur 15 Treffer, weil es beim Datenabgleich die Schengener Datei außen vor lässt und von der so genannten Inpol-Datei in Deutschland zur Sachfahndung nur Einträge jüngeren Datums nutzt. Die so auf rund 71.000 Kennzeichen reduzierte Datei, könne aber durchaus um Autokennzeichen von bekannten Gefährdern, gewaltbereiten Demonstranten oder anderen Störern erweitert werden, räumte ein Landesvertreter auf die kritischen Fragen des Gerichts ein.

Laut einem Bericht der Chemnitzer "Freien Presse" [Dienstagsausgabe] will auch Sachsen nach der Grenzöffnung zu Polen und Tschechien am 21. Dezember an wichtigen Verbindungsstraßen mobile und stationäre Geräte einsetzen, die sämtliche Nummernschilder der vorbeifahrenden Autos erfassen. Zur Anzahl und zu den Standorten der festinstallierten Geräte machte der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo [CDU] dem Bericht zufolge keine Angaben.

(Reuters | dpa)