Horrorszenarien für das Netz

21.11.2007

Laut einer Studie des Markforschungsinstituts Nemertes droht das Internet spätestens 2010 unter der Datenlast von Online-Videos und Musik-Downloads zu erlahmen. Kritiker sehen in der Studie einen Versuch, die Position der US-Telekoms in der Debatte über die Netzneutralität zu stärken.

Internet-Nutzer würden sich an die Zeiten langsamer Einwahlmodems erinnert fühlen, wenn sie in wenigen Jahren im Netz surfen, warnte Johna Till Johnson, Präsident des US-Marktforschungsunternehmens Nemertes, in der Tageszeitung "USA Today".

Quälend langsame Verbindungszeiten und abgebrochene Downloads stünden den Internet-Nutzern in spätestens drei bis fünf Jahren bevor, wenn die Investitionen in den Netzausbau nicht bald massiv ausgebaut würden, lautete der Befund des Marktforschers.

55 Milliarden Dollar Investitionsbedarf

In einer von seinem Institut Anfang der Woche veröffentlichten Studie wird der Investitionsbedarf in den nächsten Jahren allein in den USA mit 42 bis 55 Milliarden Dollar [28 bis 37 Mrd. Euro] beziffert.

Das seien 60 bis 70 Prozent mehr, als die Anbieter derzeit an Investitionen planen, heißt es in dem Papier.

Noch vor zwei Jahren habe niemand die Datenmengen vorausgesehen, die von Online-Videodiensten und Musik-Downloads verursacht werden. Alleine die Online-Videoplattform YouTube generiere monatlich 27 Petabyte [27 Millionen Gigabyte] an Datenverkehr, sagte Johnson der Zeitung.

Andere Anwendungen wie etwa Videokonferenzen und E-Learning würden die Datenmengen rasant ansteigen lassen. Auch der Zugriff von mobilen Diensten werde den Bandbreitenbedarf in die Höhe schnellen lassen.

Innovationsstillstand droht

Die Telekommunikationsunternehmen hätten Schwierigkeiten, mit den Datenmengen Schritt zu halten.

Die Infrastruktur müsste aufgerüstet werden, sonst drohe dem Internet eine Art Singularität. Ein Stillstand, der die Innovationskraft versiegen lassen würde.

Dieser Entwicklung könnte das nächste Google, YouTube oder Amazon zum Opfer fallen, mahnen die Autoren der Studie.

Debatte über Netzneutralität

Im Netz sorgte die Studie für heftige Diskussionen. Das Papier solle die Position der US-Telekommunikationsanbieter in der Debatte über die Netzneutralität stärken, war auf der Website der Initiative "Save the Internet" zu lesen.

So würden die Marktforscher etwa durch die Internet Innovation Alliance [IIA] unterstützt, die sich den Kampf gegen die Netzneutralität, die den gleichberechtigten Transport der Daten aller Anbieter gewährleisten soll, auf die Fahnen geschrieben habe.

In ihrem Bestreben, zu mehr Kontrolle über das Internet zu gelangen, würden Studien wie jene von Nemertes finanziert und Bilder des nahenden Armageddon an die Wand gemalt.

"Man sollte sich von dieser Panikmache nicht blenden lassen", war auch im Berliner Weblog Netzpolitik.org zu lesen.

Inhalteanbieter sollen Ausbau mitfinanzieren

US-Telekommunikationsunternehmen stellen das Prinzip der Netzneutralität seit einigen Jahren infrage.

Große US-Telekomkonzerne erklärten, den Erfolg der großen Serviceanbieter wie Yahoo und Google vor Augen, dass diese eigentlich für die genutzten Leitungen bezahlen und so den Infrastrukturausbau mitfinanzieren sollten.

WWW-"Urvater" Tim Berners-Lee warnt seit längerem vor derlei Auswüchsen. Wenn ein Anbieter von Video-Downloads dafür bezahlen würde, dass er Zugang zu bestimmten Kunden eines bestimmten Kabelnetzbetreibers bekommt, würde das Internet als solches aufhören zu existieren, so Berners-Lee.

Diskussionen auch in Österreich

Auch hierzulande gab es bereits Diskussionen über die Netzneutralität.

Im Jänner brachte Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer das Thema in seinem Weblog zur Sprache und regte ein gemeinsames Geschäftsmodell von Infrastruktur- und Inhalteanbietern an, das den Ausbau der Infrastruktur erschwinglich machen sollte.