"Netzsperre in Österreich nicht vorstellbar"
Frankreich will Internet-Nutzern, die wiederholt Urheberrechtsverstöße begehen, künftig die Leitungen kappen. In Österreich stößt die vergangene Woche getroffene Vereinbarung der französischen Regierung mit der Musik- und Filmwirtschaft und den Internet-Anbietern weitgehend auf Unverständnis.
Er könne sich eine vergleichbare Vereinbarung in Österreich nicht vorstellen, meinte Kurt Einzinger vom Verband der österreichischen Internet-Anbieter [ISPA] zu ORF.at.
Ein solches Übereinkommen widerspreche auch geltenden EU-Richtlinien. Internet-Anbieter seien nicht verpflichtet, ihre Netz zu überwachen, so Einzinger.
In Frankreich sollen die Provider jedoch künftig dazu angehalten werden, Filtertechnologien zu implementieren, mit deren Hilfe urheberrechtlich geschützte Inhalte identifiziert werden können.
Darüber hinaus soll eine staatliche Behörde geschaffen werden, auf deren Zuruf Provider ihre Kunden zunächst per E-Mail verwarnen und ihnen bei weiteren Urheberrechtsverstößen den Zugang sperren sollen.
Im Gegenzug verpflichten sich die Inhalteanbieter, Musikproduktionen ohne Kopierschutzmaßnahmen im Netz anzubieten und Filme früher als bisher als Video-on-Demand im Internet anzubieten.
Zweifel an Filtertechnologien
Filtertechnologien würden nicht wirklich funktionieren und "machen wenig Sinn", eine Umsetzung bringe nichts, sagte Einzinger.
Die Art und Weise, wie in Frankreich künftig Inhalte überwacht werden sollen, würde auch Grundrechte aushöhlen und weit über das Ziel hinausschießen, so Einzinger. Darüber hinaus würde das Vertrauen in das Netz zerstört.
"Kein Problemverständnis vorhanden"
"Wenn die Wirtschaft die Frage der gerechten Abgeltung von Urhebern nicht in den Griff bekommt und kein Geschäftsmodell entwickeln kann, das der Markt annimmt, dann hat der Markt versagt. Das mit dem Entzug von essenziellen Bürgerrechten zu beantworten zeigt, dass kein Problemverständnis vorhanden ist, und ist unverhältnismäßig", sagte Peter Rantasa, Geschäftsführer des mica [music information center austria]: "Sollte das tatsächlich so umgesetzt werden, kann man auch von Politikversagen sprechen."
Der Zugang zu Wissen sei nicht nur Bürgerrecht und Menschenrecht, sondern auch für die Gesellschaft Voraussetzung zur Prosperität, meinte Rantasa.
Der Nutzen, sollte sich so etwas überhaupt technisch umsetzen lassen, würde nur einer relativ kleinen Gruppe der Bevölkerung zugutekommen und stehe in keinem Verhältnis zu den gesamtgesellschaftlichen Kosten, so der mica-Geschäftsführer: "Andere derzeit in Diskussion befindliche Modelle wie zum Beispiel die 'Kultur-Flatrate' wären da für Urheber und Nutzer sicherlich interessanter."
Der Musikmanager Peter Jenner [Pink Floyd, The Clash, Billy Bragg], der vor kurzem bei der Konferenz "The fan, the music and the net" im Wiener mica zu Gast war, tritt seit längerem für eine Gebühr für Musik aus dem Netz ein. "Der Musiktausch im Netz ist nicht mehr aufzuhalten, die Tonträgerverkäufe kollabieren", sagte er zu ORF.at. Es müssten Wege gefunden werden, die Arbeit der Musiker zu vergüten.
Audionauten laufen Sturm
Auch in Frankreich wurden die Pläne der Regierung heftig kritisiert. Neben der Konsumentenschutzvereinigung UFC-Que Choisir, die die Vereinbarung zwischen Rechteinhabern, Internet-Anbietern und Regierung bereits am Freitag als repressiv und unwirtschaftlich bezeichnet hatte, meldete sich auch die Association des Audionautes [ADA], die sich für Rechte von Internet-Nutzern starkmacht, zu Wort.
In einer Aussendung bezeichnete die ADA die Pläne als überholt und technisch nicht umsetzbar. Darüber hinaus würden persönliche Rechte eingeschränkt und die Innovation gebremst, kritisierten die Audionauten.
"Zwei weitere Jahre vergeudet"
Tauschbörsennutzern drohe durch die Maßnahmen kaum Gefahr, ätzte ein Experte auf der Branchen-Mailinglist Pho, die Technologie werde nicht funktionieren und könne leicht umgangen werden.
Die Gefahr liege vielmehr darin, dass die Musikindustrie zwei weitere Jahre vergeude, anstatt an Geschäftsmodellen zu arbeiten, die im Internet funktionieren würden.
"Weitblick und Führungsqualität"
Die International Federation of the Phonographic Industry [IFPI] bezeichnete die Vereinbarung hingegen als "Durchbruch" im Kampf gegen die "Internet-Piraterie". Der französische Präsident Nicolas Sarkozy habe "Weitblick und Führungsqualität" bewiesen, jubelte IFPI-Chef John Kennedy am Freitag.
Eine am Montag gestellte Anfrage beim Verband der der Österreichischen Musikwirtschaft [IFPI Austria] zur Thematik blieb bisher unbeantwortet.
Kennedy machte mit einem ähnlichen Vorschlag bereits Anfang des Jahres von sich reden. Ergänzend zu Klagen gegen Tauschbörsennutzer wegen Urheberrechtsverletzungen und rechtlichen Schritten gegen Filesharing-Software-Anbieter sollten künftig die Internet-Anbieter dazu gebracht werden, die Breitbandverbindungen "verdächtiger" Kunden zu kappen, forderte der IFPI-Chef Ende Jänner.
(futurezone | Patrick Dax)