Der Schatten der Geheimdienste
Das Übereinkommen zur Rechtshilfe in Strafsachen, das im internen EU-Papier COPEN 21 vom 23. März 2000 festgehalten wird, enthält Passagen, die nicht nur rechtsstaatlich äußerst bedenklich klingen, sondern die Handschrift geheimer Dienste tragen.
Geregelt wird in dem Papier das legale Abhören von GSM-Anschlüssen. Der FutureZone liegt das Papier nun in Auszügen vor.
In Zusätzen [die der bis dato unbekannte Vorsitz der COPEN-21-Arbeitsgruppe zur Aufnahme in das Übereinkommen vorschlägt] wird von den "Mitgliedsstaaten Flexibilität erwarte[t] ... hinsichtlich der Verwendung von bereits gesammeltem Material, wenn zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dringliche Maßnahmen geboten sind" [Paragraf 18, Absatz 3, b].
Praktisches Beispiel
Für den im zweiten Teil der Serie geschilderten Fall des
britischen Staatsbürgers, dessen GSM-Handy von einer britischen
Behörde abgehört wird, während er sich auf dem Hoheitsgebiet von
Österreich aufhält, kann dies bedeuten, dass zwölf Tage lang alle
seine Telefonate in Österreich mit österreichischen und anderen
Anschlüssen abgehört werden und die Inhalte verwendet werden, ohne
dass ein Gerichtsbeschluss aus irgendeinem der beteiligten Länder
vorliegt.
Unter den Agenden der Geheimdienste
Der "unterrichtete Mitgliedsstaat wird über jegliche derartige Verwendung unter Angabe der Gründe unterrichtet", kann aber, entweder bis zum Ablauf der Fristen von vier bzw. zwölf Tagen oder durch einen unabhängigen Gerichtsentscheid in diesem Zeitraum, nichts dagegen unternehmen, dass eine ausländische Behörde inländische Telekommunikation abhört.
Nach Ansicht des Vorsitzes der Arbeitsgruppe soll dieser "Gefahr im Verzug"- Paragraf
"nicht allzu eng ausgelegt werden", damit etwa auch "Maßnahmen zur Abwehr von Straftaten" gedeckt sind. Sofern dies überhaupt geregelt ist, fällt vorbeugendes Abhören in den meisten Legislaturen in die Domäne der Geheimdienste und nicht in jene der Polizei.
Vollends aus jener Grauzone, die wenig mit ordentlichen Gerichten, aber viel mit nicht öffentlichen Nachrichtendiensten zu tun hat, scheint folgende Passage zu stammen:
"Ist der überwachende Mitgliedsstaat der Ansicht, dass die nach Absatz 2 mitzuteilenden
Informationen" - Name der abhörenden Behörde, Informationen übder Delikt, Zielperson und Dauer der Überwachung - "besonders geheimhaltungsbedürftig sind, können diese Informationen der zuständigen Behörde über eine besondere Behörde übermittelt werden, sofern dies zwischen den betreffenden Mitgliedsstaaten bilateral vereinbart wurde."
Abhörunion Europa IWie man Wissen rückgängig machen will
Spätestens nach Ablauf der Frist von zwölf Tagen kann der "unterrichtende Mitgliedsstaat" verbieten, die abgefangenen Informationen zu verwenden, sollte die Überwachung nationalem Recht widersprechen. Anderer Ausweg: Das unterrichtete Land formuliert Bedingungen für die Verwendung der Informationen [!].
Ganz besonders im Falle Großbritannien, wo die Agenden von Geheimdiensten und Polizei nicht sauber getrennt sind - gerade in Überwachungsangelegenheiten übernehmen die UK-Dienste gewöhnlich das operative Geschäft.
Die nächste Ratssitzung
Die voraussichtlich nächste Gelegenheit, das Übereinkommen zu
verabschieden, dürfte die nächste Ratssitzung der Innen- und
Justizminister