Lauschangriff auf jedes Netzwerk
Während das EU-Parlament gerade überlegt, ob ein veritabler Ausschuss oder ein nicht ständiges Komitee das militärische Abhörsystem ECHELON untersuchen soll, geht der Aufbau des Überwachungsapparats der Polizei auf internationaler Ebene zügig voran.
Auf juridischer Ebene steht das so genannte Rechtshilfe-Übereinkommen, das den "ermächtigten Behörden" Freiheiten zum grenzüberschreitenden Abhören einräumt, die in der Geschichte der modernen Kommunikation einmalig sind, kurz vor seiner Verabschiedung.
Es wird dem EU-Parlament, das vergeblich die Streichung des Paragrafen 18 gefordert hatte, nicht erneut vorgelegt.
Teil I
Zum besseren Verständnis, in welch bedenklichem juridischen
Umfeld die technische Standardisierung vor sich gehen wird,
empfehlen wir die Lektüre insbesondere des ersten Teils unserer
Analyse.
Teil III
Permanente Schnittstellen in allen Netzen
Parallel dazu hat das ETSI seit Mitte 1999 eine mehrere hundert Seiten starke Serie von technischen Papieren produziert, die eine gemeinsame Aussage haben: Von Festnetz bis Internet, von GSM, UMTS bis TETRA-Bündelfunk wird es kein Netzwerk geben, an das die Polizei nicht über Standleitung angeschlossen ist.
In den Hauptvermittlungsämtern für Telefonie und GSM-Roaming Gateways - in Österreich sind diese identisch - werden die "ermächtigten Behörden" mit eigenen Unix-Rechnern präsent sein. Über ein so genanntes "handover interface" sind diese mit dem jeweiligen Netz verbunden.
Drei Kanäle für die Polizei
Auf Kanal HI1 [schwarz] klopft die Polizei [LEA = Law Enforcement
Authority] beim Netzbetreiber [NWO Network Operator] an und
übermittelt eine gerichtlich verfügte Abhörerlaubnis oder auch nur
die Meldung "Gefahr im Verzug".
Innerhalb von Sekunden ...
Der Netzbetreiber schaltet den Sprach- oder auch Datenverkehr der abzuhörenden Person an das Interface weiter.
Die Vermittlungsdaten [Intercept Related Information - wer wann wo mit wem] gehen über den blauen Kanal HI2 an die ermächtigten Behörden. Der [rote] Kanal drei überträgt das Gespräch selbst.
Wenn die Polizei nicht selbst einen Rechner im Netzwerk platziert hat, kommen gewöhnliche 64-Kbit-ISDN-Kanäle zum Einsatz, also ein Anschluss pro abgehörtes Gespräch.
... kann frei geschaltet werden
Der in ETSI-Standard ES 201 671 beschriebene Vorgang nennt sich
"Lawful Interception" [LI] und spielt sich nahezu in Echtzeit ab.
Das entspricht dem Wunschkatalog der Polizei, die offenbar alles
bekommen wird, was sie im Papier
"Absolute Lehrbuchqualität"
Die Standardisierungspapiere sind technisch von hervorragender Qualität, wie Fachleute aus dem Telekom-Bereich übereinstimmend sagen.
Von TETRA bis GPRS wird jedes nur erdenkliche Protokoll abgehandelt, auch auf die Möglichkeit wurde nicht vergessen, dass die abhörende Behörde mit einlangenden Wake-up-Calls konfrontiert werden könnte.
Zu den Funktionsbeschreibungen gibt es übersichtliche Listen aller Befehle in "Man Machine Language" [MML], ein "furchtbar genaues" Kompendium, mehrere hundert Seiten in "absoluter Lehrbuchqualität", wie einer der von der FuZo konsultierten Fachleute sagt.
Herankommen
Die Papiere selbst sind sogar frei erhältlich, aber von ETSI.org
etwas umständlich zu bekommen. Falls es nicht klappen sollte, genügt
eine Mail an den Autor [siehe unten].