Schäuble: Online-Durchsuchung erst 2008

deutschland
29.11.2007

Der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble [CDU] rechnet im Streit mit der SPD über die Online-Durchsuchung nun erst mit einer Lösung im kommenden Jahr.

"Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden wir gemeinsam mit der SPD eine Lösung finden", sagte Schäuble der "Neuen Presse" vom Donnerstag.

BKA-Gesetz erst 2008

Mit dem Gesetz für das Bundeskriminalamt [BKA] werde im kommenden Jahr auch die Möglichkeit der Online-Durchsuchung von Computern "in engen Grenzen" geschaffen. Schäuble wollte ursprünglich die Online-Durchsuchung noch in diesem Jahr einführen, war damit aber am Widerstand der SPD gescheitert, die das Karlsruher Urteil im Frühjahr 2008 abwarten will.

Schäuble hob in der Haushaltsdebatte am Donnerstag im Bundestag erneut die Bedeutung der Online-Durchsuchung "auf einer klaren gesetzlichen Grundlage" hervor. Angesichts der neuen technischen Kommunikationswege per Computer und im Internet müssten die Sicherheitsbehörden "reagieren und Schritt halten können mit jenen, die unsere Sicherheit bedrohen". Online-Durchsuchungen müssten "auf den Ausnahmefall" begrenzt und unter Kontrolle eines Richters möglich sein.

Liberale gegen Angststimmung

Kritik kam jedoch von der Opposition. Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff warf Schäuble vor, er betreibe Panikmache, um die Öffentlichkeit für die Verschärfung unnötiger Sicherheitsgesetze geneigt zu machen. Das fördere eine Angststimmung im Land und schade einer freien Gesellschaft.

Die innere Sicherheit Deutschlands benötige keine "panischen Gesetzgebungsattacken", sondern eine überlegte politische Führung, sagte Wolff. Ähnlich kritisch äußerte sich der Grüne Wolfgang Wieland. Er warf Schäuble vor, mit dem BKA-Gesetz, in dem die Online-Durchsuchung geregelt werden soll, eine Politik "der Zentralisierung und des Überwachungsstaates" zu betreiben.

Polizeigewerkschaft für klare Rechtsgrundlage

Die Gewerkschaft der Polizei [GdP] hob ihrerseits die Notwendigkeit von mehr Personal, besserer Technik und klaren Rechtsgrundlagen zur Kommunikationsüberwachung hervor. Sonst seien die Chancen gering, künftige Anschläge von Terroristen zu verhindern, erklärte GdP-Chef Konrad Freiberg. Eine Analyse der Terrorermittlungen im Sommer, die zur Festnahme von drei Verdächtigen geführt hatten, sei zu "alarmierenden Ergebnissen" gekommen. Die Innenminister müssten sich auf ihrer Konferenz in Berlin damit befassen.

Zu Einzelheiten sagte Freiberg der "Bild"-Zeitung [Freitag-Ausgabe]: "Es gab Überwachungslücken, weil zum Beispiel einer der Täter 15 verschiedene Handys benutzt hat, ein anderer Täter kommunizierte aus 33 verschiedenen Internet-Cafes."

Funklöcher im Sauerland

Zudem habe es auch Kommunikationslücken für die Polizei gegeben, "weil die Verdächtigen den völlig veralteten Analogfunk, mit dem unsere Beamten immer noch arbeiten, abhören konnten". So hätten die Fahnder mit ihren Handys arbeiten müssen, die seien aber wegen Funklöchern im Sauerland nicht überall einsetzbar gewesen.

"Hätte es zeitgleich einen anderen großen Einsatz gegeben, wäre es zu einer Katastrophe gekommen", sagte Freiberg. Da bisher erst drei der mutmaßlich 30 Mitglieder der Terrorgruppe in Haft seien, schloss Freiberg weitere Anschlagsversuche nicht aus.

Österreich: Umsetzung läuft

In Österreich hat es erst gar keine breite öffentliche Diskussion zum Thema Online-Durchsuchung gegeben. Am 17. Oktober gaben Innenminister Günther Platter [ÖVP] und Justizministerin Maria Berger [SPÖ] gemeinsam bekannt, dass sie sich auf die Einführung verdeckter Online-Durchsuchungen im Jahr 2008 geeinigt hätten.

Am 23. November hat eine interministerielle Arbeitsgruppe damit begonnen, die technischen und rechtlichen Grundlagen für die verdeckte Online-Fahndung in Österreich zu klären.

Im Gespräch mit ORF.at bezeichnete der deutsche Bürgerrechtler Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Diskussion über die Online-Durchsuchung als Ablenkungsmanöver. Die Akteure aus Politik und Sicherheitskreisen versuchten nur, vom eigentlichen Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung der Bürger abzulenken: der Vorratsspeicherung sämtlicher Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten.

Grüne: Schäuble argumentiert wie RAF

In einer hitzigen Debatte hat die Opposition dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble vorgehalten, sich im Kampf gegen den Terrorismus einer Wortwahl wie die linksextremistische Rote Armee Fraktion [RAF] zu bedienen. Eine ähnliche Argumentation sei in Deutschland zuletzt vom RAF-Mitglied Andreas Baader zu hören gewesen, kritisierte der Grünen-Innenexperte Wolfgang Wieland am Donnerstag im Bundestag.

Während Schäuble die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwischen ziviler Rechtsordnung und Kriegsrecht aufheben wolle und bei der Frage der Liquidierung von Terrorverdächtigen lande, habe Baader vom Krieg in den Metropolen geredet und die RAF-Häftlinge als Kriegsgefangene bezeichnet.

Der FDP-Innenexperte Max Stadler erklärte, die Opposition müsse geradezu froh sein, dass die Große Koalition in der Innenpolitik zerstritten und deshalb praktisch handlungsunfähig sei. Bereits die Vorratsdatenspeicherung bedeute eine neue Qualität der Überwachung, indem die Daten von Millionen unverdächtigen Bürgern gespeichert würden.

(AFP | futurezone)