OLPC startet Serienauslieferung des XO

03.12.2007

100.000 Schul-Notebooks hat die Initiative One Laptop Per Child [OLPC] vergangene Woche an Uruguay geliefert. Die Geräte werden nun an Bildungseinrichtungen verteilt. Auch Peru hat eine Tranche der Schul-Notebooks geordert. Der Einsatz der Geräte in Schwellenländern erfordert umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Nach einer Reihe von Pilotprojekten in Entwicklungsländern hat nun die reguläre Auslieferung des XO-Laptops begonnen.

Binnen drei Tagen hatten die mitgereisten Freiwilligen des OLPC-Projekts die ersten 1.000 Stück des Geräts an die Escuela No. 109 und weitere Schulen ausgeliefert.

Das Kopfzerbrechen

Binnen zwei Wochen werden weitere 7.000 Stück verteilt, die übrigen 90.000 von der Regierung Uruguays bestellten Einheiten kommen in den nächsten Monaten an die Reihe.

Das größte Kopfzerbrechen habe der Schutz der Lernmaschinchen gegen Diebstahl bereitet, schreibt Ivan Krstic, Sicherheitschef des OLPC-Projekts.

Der Preis

Schließlich werde der XO auch in Länder ausgeliefert, in denen das durchschnittliche Jahreseinkommen weit unter dem aktuellen Verkaufspreis des Geräts liege.

Der hält im Moment bei etwa 150 US-Dollar für Großabnehmer, während ein karitativer Doppelpack im Rahmen einer Sonderaktion direkt bei OLPC für 399 Dollar erhältlich ist. Dafür gibt es zwei Geräte, eines davon geht an den Käufer, eines an ein Projekt in einem Entwicklungsland.

Das Sicherheitskonzept

Um zu verhindern, dass die Lieferungen statt im Schulunterricht auf dem Schwarzmarkt landen, wurde ein mehrstufiges Sicherheitskonzept entwickelt.

Es beginnt damit, dass der OLPC praktisch aus einem Guss besteht. Sämtliche Komoponenten sind mit dem Motherboard verlötet, um Demontage und Schwarzhandel mit Teilen der Hardware vorzubeugen. Vor dem Verlassen der Fabrik werden die Laptops deaktiviert und können nur mit einem speziellen Entwicklerschlüssel in Gang gebracht werden.

Die Freiwilligen

Deswegen waren Krstic und andere Freiwillige mitgereist, um die Projektpartner in Uruguay, Mitarbeiter eines halbstaatlichen Technologie-Instituts, in den Umgang damit einzuweisen.

Nach ihrer Wiederbelebung melden sich die Laptops einmal pro Tag entweder via Internet oder bei einem lokalen Server in der betreffenden Schule an und werden dann für einen bestimmten Zeitraum freigeschaltet. Als Server genügt ein dafür umgerüsteter OLPC.

Daemon gegen Diebstahl

Geschieht dies nicht, werden sie von einem ständig laufenden Anti-Diebstahls-Programm deaktiviert. Nach Angaben der Entwickler ist dieser "Anti-Theft"-Daemon auf den kleinen Linuxmaschinen auch im Administrator-Modus nicht abzuschalten.

Logischerweise hat ein solches mehrstufiges Sicherheitskonzept erhöhten Arbeitsaufwand bei der Erstaktivierung zur Folge.

Handarbeit

In Uruguay kam noch dazu, dass sich die Behörden entschieden hatten, anstatt der enthaltenen Software [Ship1] die Beta der nächsten Version mit einem selbst geschriebenen Zusatzprogramm aufzuspielen.

Jedes Gerät musst ausgepackt, mit Batterien bestückt und über einen USB-Stick neu geflasht werden, was erklärt, warum es einige Monate dauern wird, bis die gesamte Tranche von 100.000 Stück die betreffenden Schüler erreicht hat.

Das Eingemachte

Die Nachricht, dass auch die Regierung Perus Ende der vergangenen Woche 260.000 Stück geordert hat, hat nicht nur bei den Entwicklungshelfern einen neuen Motivationsschub ausgelöst.

Das gesamte Projekt liegt nicht nur deutlich hinter dem Zeitplan zurück, auch die angestrebten Stückzahlen wurden bis jetzt ebensowenig erreicht, wie die damit verbundene Kostensenkung auf 100 Dollar.

Der Preisverfall

Bekanntlich steht die Hardware-Industrie dem "100-Dollar-Laptop" großteils ablehnend bis feindselig gegenüber, da sich bereits ein weltweiter Preisverfall bei Notebooks im mittleren bis unteren Segment abzeichnet.

Weil darin nun einmal die Masse jener Laptops enthalten ist, die Firmen für ihre Angestellten erwerben, geht es für die Industrie sozusagen um das Eingemachte.

Offene Ablehnung

Warum die Riesen Microsoft und Intel dem Projekt eher mit Ablehnung gegenüberstehen, erklärt sich allein schon durch dessen Konfiguration.

Die CPU stammt vom Intel-Rivalen AMD, das Betriebssystem ist Linux. Während Microsoft XP-Lizenzen für Schüler und Studenten der ärmsten Länder um drei Dollar quasi verschenkt, hat Intel ein eigenes Gerät namens "Classmate" entwickelt, das für etwa 230 US-Dollar denselben Regierungen angeboten wird, die sich für den XO-Laptop interessieren.

Intel hat sich im Juli 2007 dazu entschlossen, dem OLPC-Aufsichtsrat beizutreten, spielt also in beiden Projekten eine wichtige Rolle.

Intels ClassMate

Verträge über die Lieferung von mehreren hunderttausend Stück wurden bereits mit bevölkerungsstarken Staaten wie Nigeria oder Pakistan abgeschlossen.

Teile der Tranche werden mit einer Linux-Distribution ausgeliefert, aber auch mit Windows XP. Dass Intels ClassMate im Unterschied zum OLPC nicht im freien Handel erhältlich ist, legt nahe, dass der Chipgigant beim genannten Endpreis so gut wie nichts verdient.

Der von Asus auf den Märkten der Industriestaaten angebotene Eee PC, der auf einer ähnlichen Hardwareplattform basiert wie der ClassMate, kostet im Handel 299 Euro [Version mit 4-GB-Flashdisk].

Strategische Investitionen

Bei den Initiativen Microsofts wie Intels handelt es sich klar ersichtlich um strategische Investitionen.

Die einzigen Märkte weltweit, die in näherer Zukunft zweistellige Wachstumsraten beim PC-Absatz bringen werden, sind jene der derzeitigen Schwellenländer.

(futurezone | Erich Moechel)