Neue Machtverhältnisse auf Spielemarkt
Am Merger von Activision und Vivendi könnte der bisher größte Videospieleproduzent Electronic Arts [EA] noch eine Weile zu knabbern haben. Durch den Zusammenschluss mit Vivendi ist Activision im Handumdrehen zu einem gleichwertigen Konkurrenten aufgestiegen.
Völlig überraschend, so Insider gegenüber Gamesindustry.biz, sei die Ankündigung am Sonntag gekommen, dass Vivendi und Activision ihre Geschäfte zusammenlegen wollen. Der Gesamtwert der Transaktion beträgt laut Angaben rund 18,9 Mrd. Dollar [12,89 Mrd. Euro].
Überraschend wohl auch für EA-Chef John Riccitiello, der erst wenige Tage zuvor beim Reuters Media Summit in New York meinte, die Zeit der großen Merger sei vorüber. "Ich denke, es wird schon noch Konsolidierungen geben, doch der Großteil ist bereits passiert."
Kombination zweier Welten
Gerade für EA ist der aktuelle Deal auf den ersten Blick unerfreulich: Während Blizzard vor allem [und nur] am Computer und dessen Online-Welt stark ist, hat Activision viel Erfolg auf den Spielekonsolen.
Zu Vivendi Games gehört Blizzard Entertainment, das mit "World of Warcraft" [WoW] und dessen über neun Millionen registrierten Spielern derzeit den Markt für Online-Rollenspiele dominiert, aber auch Titel wie "Diablo" und "StarCraft" im Talon hat.
Dazu gehört auch Sierra mit Titeln wie "F.E.A.R.", "Scarface" und ehemals erfolgreichen Protagonisten wie "Crash Bandicoot" und "Spyro The Dragon" zum französischen Medienkonglomerat, das weiters die 100-Prozent-Töchter Universal Music und Canal+ beheimatet und 56 Prozent am Mobilfunker SFR und darüber eine Beteiligung am Festnetzanbieter Neuf Cegetel hält.
Activision auf Erfolgskurs
Activision auf der anderen Seite hat wegen der hohen Nachfrage, vor allem nach "Guitar Hero" aber auch "Call of Duty", erst vor kurzem seine Prognosen für das Geschäftsjahr 2008 erhöht. Für das aktuelle Quartal rechnete der Konzern mit einem Gewinn je Aktie von 66 statt 51 Cent.
Laut dem Marktforscher NPD war Activision mit einem Marktanteil von 28,7 Prozent im Oktober der größte Publisher in den USA und "Guitar Hero III" das bestverkaufte Spiel im November.
Auch Activisions Umsatz soll um etwa ein Fünftel höher ausfallen und im laufenden Quartal 1,23 Milliarden Dollar betragen. Für das Gesamtjahr erwartet Activision 2,3 Milliarden Dollar Umsatz.
Nachholbedarf bei EA
Für Electronic Arts laufen die Geschäfte nicht ganz so gut. Zwar hat der bisher unumstrittene Branchenführer eine erkleckliche Zahl an gut gehenden Spieletiteln wie "Madden NFL 08'' oder "Die Simpsons", doch macht hierbei vor allem die Masse Kasse. Zudem schreibt EA derzeit Verluste, im letzten Quartal minus 132 Millionen Dollar.
Um sein Spieleportfolio auszuweiten, übernahm EA vor kurzem zwei Entwicklerfirmen: BioWare und Pandemic Studios. Diese sind für ihre Action-, Abenteuer- und Rollenspiel-Games bekannt, bei denen EA bis dato einen Anteil unter zehn Prozent hielt.
Auch bei Games für Nintendos Konsole Wii ist EA derzeit unterrepräsentiert, wie Riccitiello jüngst zugab. "Die Wii ist eine Herausforderung für uns, teilweise wegen der Stärke Nintendos und teilweise, weil die Entwickler mit der Entwicklung von Spielen für die Wii im Gegensatz zur Xbox 360 und PS3 nicht so vertraut sind."
EA: "Fühlen uns als Marktführer"
Die neue Firma Activision Blizzard soll nach der Fusion einen geschätzten Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar erzielen, EA rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem Umsatz zwischen 3,65 und 3,85 Milliarden Dollar. Es entstehe der weltgrößte und profitabelste Anbieter von Computerspielen, teilte Activision am Sonntag mit.
Das sieht Electronic Arts laut Reinhard Leeb, EA-Geschäftsführer in Österreich, anders: "Wir fühlen uns immer noch als Marktführer. EA hat mit Abstand das beste Portfolio und eine klare Strategie für das Wachstum in der Zukunft."
Der Merger werde an der Strategie und dem Geschäft von Electronic Arts nichts ändern. "Wir haben viel in Asien investiert [wo Blizzard mit "World of Warcraft" sehr stark vertreten ist, Anm.] und wir haben Projekte als Konkurrenz zu WoW in Arbeit", erklärt Leeb, der als größte Herausforderung für Activision Blizzard die neue Größe und die Zusammenführung der beiden Firmen sieht.
An der neuen Firma hält Vivendi mit 52 Prozent die Mehrheit mit einer Erweiterungsoption auf 68 Prozent. Activision-Chef Robert Kotick behält seinen CEO-Posten auch in der neuen Firma, Bruce Hack, der Chef von Vivendi Games, wird Vize-CEO und COO wird.
"Der Merger macht Sinn"
Leebs Einschätzung deckt sich mit jener von Niki Laber, Chef des Österreichischen Verbands für Unterhaltungssoftware [ÖVUS]: "Für beiden Seiten ergibt der Merger Sinn: Activision erhält über Vivendi Zugriff auf Ressourcen wie Universal und deren Musik und Zugriff auf den größten Online-Brand Blizzard. Vivendi bekommt dafür die kreative Kraft Activisions."
"Erst die Zeit wird zeigen, ob sich der Merger auch wirklich rechnet. Die kumulierten 6.000 Leute [4.000 bei Blizzard, 2.000 bei Activision] werden es wohl nicht bleiben können. Je nachdem wie schnell die Zusammenführung passiert kann der aktuelle Gewinnvorsprung auch schnell wieder dahin sein", sagt Niki Laber.
Einsparungen bis 100 Millionen US-Dollar
Vivendi und Activision kündigten am Montag an, aus dem Zusammenschluss Einsparungen von 50 bis 100 Millionen US-Dollar [68,2 Millionen Euro] pro Jahr zu erwarten. Bereits im kommenden Jahr sollen Kostensynergien in dieser Größenordnung erreicht werden, teilten beide Unternehmen mit.
Im laufenden Jahr werde Vivendi Games seinen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen um 65 Prozent steigern, sagte Vivendi-Chef Jean-Bernard Levy.
Blizzard gab in einer ersten Reaktion auf seiner Website bekannt, dass sich durch den Merger für Blizzard selbst nichts ändern werde, weder in der Entwicklung noch bei den täglichen Geschäften. Es werde keine Management-Änderungen und/oder Kündigungen aufgrund des Deals bei Blizzard geben.
(futurezone | dpa | Reuters | Bloomberg | Nadja Igler)