SPG erlaubt Zugriff auf Standortdaten
Die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes kommt am Donnerstag im Parlament zur Abstimmung. Sie erlaubt der Polizei den Zugriff auf Standortdaten ohne Richtervorbehalt - eine Entwicklung, die das SPÖ-Justizministerium eigentlich eindämmen wollte.
Für Beobachter überraschend hat die Regierungskoalition die Abstimmung über die Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] für Donnerstag, den 6. Dezember, auf die Tagesordnung des Parlaments setzen lassen, ohne sie vorher nochmals im Innenausschuss zu behandeln.
Versteckt hinterm Fußball
Im Vordergrund der Berichterstattung stehen dabei die neuen Befugnisse der Polizei im Umgang mit Fußball-Hooligans im Vorfeld der heraufdräuenden Fußball-Europameisterschaft.
Zu den neuen Bestimmungen im SPG gehört aber auch eine Neufassung des §53, die es den Sicherheitsbehörden erlaubt, "zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht" sowie, vor allem, "zur Abwehr gefährlicher Angriffe", wie es in den Erläuterungen heißt, ohne richterlichen Vorbehalt auf Standortdaten zugreifen zu dürfen.
Auf Umwegen zu Standortdaten
Das juristische Manöver, über das den Behörden der Zugriff auf die Standortdaten beim Provider ohne Richtervorbehalt erlaubt werden soll, ist in den "Materialien und Erläuterungen" zur SPG-Novelle beschrieben.
Die Standortdaten, so heißt es dort, unterlägen zwar gemäß §93 Telekommunikationsgesetz 2003 dem Kommunikationsgeheimnis. Dieser "Begriff des Kommunikationsgeheimnisses" sei aber "nicht ident zu setzen mit dem, was der historische Gesetzgeber zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses [...] unter Richtervorbehalt gestellt hat".
Vorher abgreifen, statt lauschen
Die gesetzlich geschützte Vertraulichkeit eines Gesprächs beziehe sich nämlich nur auf die "Kommunikation auf dem Übertragungsweg, auf dem sich die Kommunikationspartner vor Zugriffen nicht ausreichend schützen können, nicht jedoch vor Eingriffen außerhalb davon." Vorgänge außerhalb des Übertragungsbereichs seien daher "nicht Gegenstand des Fernmeldegeheimnisses".
Solange die Standortdaten also nicht "auf dem Übertragungsweg abgefangen", sondern "durch Erhebung beim Diensteanbieter gewonnen werden", liege kein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis vor.
Fahndung ohne spezifischen Anlass
Die Mobilfunkbetreiber sollen daher die Standortdaten eines Mobiltelefons auch dann bekanntgeben können, wenn "zuvor kein Notruf einer hilfsbedürftigen Person beim Betreiber eines Notrufdienstes eingelangt ist".
In der neuen Fassung des SPG steht, dass die Fahnder vom Provider "Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmererkennung [IMSI]" verlangen dürften, "Sowie technische Mittel zur Lokalisierung einer von einem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zum Einsatz zu bringen". Die Provider sollen für ihre Hilfeleistung nach den Tarifen der Überwachungskostenverordnung entschädigt werden.
600.000 Euro für IMSI-Catcher
Mit dem "technischen Mittel" meinen die Verfasser des Textes auf den ersten Blick den IMSI-Catcher, der dann auch in den Materialien zur Novelle als zu beschaffendes Gerät angegeben ist - zum Preis von 600.000 Euro. Nun ist der IMSI-Catcher ein Gerät, das zuallererst dem Abhören von Handy-Gesprächen dient, indem es sich als Basisstation im Mobilfunknetz ausgibt.
Inwieweit ein solcher IMSI-Catcher dazu notwendig sein soll, vermisste Menschen zu lokalisieren, dazu schweigen sich die Unterlagen zum Gesetz allerdings aus.
SPG-Novelle plus Data-Retention
So richtig interessant jedoch könnte das juristische Manöver zur Umgehung des Richtervorbehalts beim Zugriff auf Standortdaten im Zusammenhang mit der in Österreich immer noch unerledigten Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung werden. Zwar ist diese Umsetzung aufgrund großkoalitionärer Unstimmigkeiten und zahlreicher technischer und finanzieller Probleme derzeit auf Eis gelegt.
Klar ist jedoch, dass sich im politischen Armdrücken um den Zugriff auf den Datenschatz aus der Vorratsspeicherung sämtlicher Telefon- und Internet-Verbindungsdaten im ersten Moment die von der SPÖ geführten Justiz- und Verkehrsministerien gegen das von ÖVP-Innenminister Günther Platter geführte Haus durchsetzen konnten.
Strafprozessordnung zu unbequem
Denn während das Innenministerium den Datenzugriff gerne im Sicherheitspolizeigesetz untergebracht hätte, bestand Justizministerin Maria Berger [SPÖ] darauf, ihn im Rahmen der Strafprozessordnung zu regeln. Dies wiederum hätte bedeutet, dass die Informationen aus der Data-Retention nicht als bequemes Universalfahndungswerkzeug ohne Richtervorbehalt eingesetzt, sondern vorläufig nur - wie von der EU vorgesehen - im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität hätten verwendet werden dürfen.
An diesen Entwicklungen vorbei hat sich die Polizei mit der SPG-Novelle und dem darin verankerten Zugriff auf die Standortdaten jedenfalls schon im Vorfeld der heimischen Regelung zur Data-Retention den direkten Durchgriff auf ein Filetstück aus dem üppigen Datenmenü gesichert.
Die Probleme
Für Richter Franz Schmidbauer lautet die Kernfrage, wie es um den Status der "Gefahr im Verzug"- Regelung zur Herausgabe der Standortdaten durch den Netzbetreiber bestellt ist.
Zur bisherigen Judikatur in Bezug auf Eingriffe in die Grundrechte passe eine solche Regelung nur, so Schmidbauer, wenn garantiert sei, dass die einstweilige Erhebung der Standortdaten wegen Gefahr im Verzug nach einem gewissen Zeitraum einem unabhängigen Richter vorgelegt werde. Als Beispiel dafür führt Schmidbauer die Frist von 24 Stunden zwischen der Festnahme eines Verdächtigen und seiner Vorführung vor einem Richter an.
Eine solche Frist ist im Text der SPG-Novelle im Bezug auf den Zugriff auf Standortdaten nicht zu finden.
Wenn das beim Umgang mit Standortdaten nach dem novellierten SPG nicht festgehalten sei, dann wäre das "eine neue Qualität, die nicht in den bisherigen Umgang mit den Grundrechten passt", sagt Schmidbauer auf Anfrage von ORF.at.
Einführung einer Unterscheidung
Ein weiterer Konfliktpunkt steckt in der Richtlinie 006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Vorratsdatenspeicherung selbst. In dieser nämlich werden Standort- und Verkehrsdaten grundsätzlich und durchgehend gleichwertig behandelt.
Sie bilden sozusagen das fixe Gegensatzpaar zu den Inhaltsdaten, die stets ganz klar voneinander unterschieden werden, es ist stets von "Verkehrs - und Standortdaten" die Rede, die gespeichert werden, während die Inhalte unberührt bleiben sollen.
Die SPG-Novelle hingegen misst den Standortdaten eine andere Qualität zu als den Verkehrsdaten, um den Behörden den Zugriff auf die Standortdaten ohne Richtervorbehalt zu ermöglichen. Inwieweit dieses Manöver vor dem Recht der Union Bestand hat, bleibt abzuwarten.
(futurezone | Günter Hack | Erich Moechel)