OOXML: Grummeln hinter den Kulissen
ISO-Arbeitsgruppe immer noch blockiert
Seit die ISO-Standardisierung des Microsoft-Dateiformats Office Open XML [OOXML, Ecma 376, ISO DIS 29500] im Fast-Track-Verfahren Anfang September 2007 wegen zu vieler Negativstimmen gescheitert ist, kommen die Standardisierungsgremien nicht mehr zur Ruhe.
Wie der in dieser Sache natürlich befangene Tim Bray, Director of Web Technologies bei Sun Microsystems, das den Konkurrenzstandard ODF unterstützt, in seinem Weblog schreibt, hat sich der britische Publishing-Experte Martin Bryan, Leiter der Arbeitsgruppe ISO/IEC JTC1/SC34/WG1, in einem öffentlichen Kurzbericht mit geradezu verzweifelten Worten über den Zustand der ISO-Standardisierungsgremien geäußert.
"Die zweite Hälfte des Jahres 2007 war eine sehr schwierige Zeit für die WG1. Ich bin mehr als froh darüber, dass meine dreijährige Amtszeit vorbei ist, und ich bedauere meinen Nachfolger dafür, dass er eine beinahe unmöglich zu bewältigende Aufgabe übernehmen muss", schreibt Bryan.
Der Hintergrund: Im Vorfeld der Fast-Track-Standardisierung von ECMA 376 haben elf Länder im zuständigen ISO-Komitee SC 34 ihren Status von "Beobachter" [Observer; O] auf "Teilnehmend" [Principal; P] ändern lassen. ODF-Befürworter wie der US-Patentanwalt Andy Updegrove warfen Microsoft daraufhin "Committee Stuffing" vor. Der Software-Gigant wolle um jeden Preis seinen Office-Formate-Standard bei der ISO durchbringen und habe daher befreundete nationale Standardisierungsorganisationen dazu gebracht, sich an der Abstimmung zu beteiligen.
Von "O" nach "P"
Nachdem OOXML im Fast-Track-Verfahren überraschend gescheitert war, stellte Updegrove unter Hinweis auf ein Dokument des SC-34-Vorsitzenden Ken Holman fest, dass sich die neuen "P"-Mitglieder der weiteren Arbeit des Gremiums verweigerten und damit die bewährten Konsensmechanismen der ISO außer Kraft setzten. Die neuen "Microsoft-freundlichen" Mitglieder würden sich schlicht nicht mehr an der Arbeit der Gremien beteiligen. Das habe, so Updegrove, dazu geführt, dass auch an den anderen Standards nicht mehr weitergearbeitet werden könne.
Mehrmalige Nachfragen von ORF.at bei der ISO und bei Ken Holman zu diesem Thema blieben entweder ganz unbeantwortet [ISO] oder führten zur Verweigerung offizieller Stellungnahmen [Holman]. Was bleibt, ist die Bezugnahme auf parteiische Streitpostings und veröffentlichte Dokumente der Arbeitsgruppen.
Updegrove rechnete Ende Oktober vor, dass immerhin sieben der elf neuen SC-34-P-Mitglieder, die für OOXML gestimmt haben, nämlich die Elfenbeinküste, Zypern, der Libanon, Malta, Pakistan, die Türkei und Venezuela, sich bis zur Veröffentlichung seines Postings nicht mehr an den Abstimmungen des Gremiums beteiligt hätten.
Protest der Gegenseite
Updegrove antwortete damit entwaffnend auf ein Blog-Posting des XML-Experten Rick Jelliffe, der Updegrove in seinem Weblog bei O'Reilly vorgeworfen hatte, die Abstimmungsverhältnisse falsch berechnet zu haben.
Jelliffe wiederum war im Jänner 2007 ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil er im Auftrag von Microsoft in der Wikipedia Einträge zum Thema OOXML ediert hatte. Microsofts OOXML-Evangelist Doug Mahugh wies in seinem Weblog zustimmend auf Jelliffes Posting hin.
Abstimmung im Februar
Vom 25. bis zum 29 Februar 2008 findet in Genf die Abstimmung des JTC1 über die Standardisierung von OOXML, das im ISO-Jargon derzeit auch als DIS 29500 bezeichnet wird, statt. Nur Repräsentanten jener nationalen Standardisierungsorganisationen, die sich auch an der ersten Abstimmung vom 2. September 2007 beteiligt haben, dürfen daran teilnehmen. Können die JTC1-Mitglieder auf diesem Treffen ihre in den Kommentaren der ersten Runde geäußerten Unstimmigkeiten ausräumen, wird OOXML zum ISO-Standard.
Der P- oder O-Status der Mitglieder spielt in diesem Prozess keine Rolle. Österreich, das als O-Mitglied die Annahme von OOXML als ISO-Standard mit Kommentaren befürwortet hat, könnte also diesmal einen wichtigeren Part spielen als bei der ersten Abstimmung. Beobachter und Pressevertreter sind übrigens von der Teilnahme an dem Arbeitsgruppentreffen ausgeschlossen.
Tim Bray hat in seinem Posting vom Dienstag auch auf die Website DIS29500.org hingewiesen, die von britischen Open-Source-Befürwortern betrieben wird. Dort sind alle bis Anfang September eingereichten Kommentare der nationalen Standardisierungsorganisationen nachzulesen. Auch der des Österreichischen Normungsinstituts [ON], das Anfang September eine Stellungnahme zu den Details der hiesigen Entscheidungsprozesse verweigert hat.