DSR-Chef verteidigt Handyüberwachung

06.12.2007

Der Vorsitzende des Datenschutzrates [DSR], Harald Wögerbauer, hat am Donnerstag die Ausweitung der Handyüberwachung gegen Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt. Für ARGE-Daten-Chef Hans Zeger hebelt die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes wichtige Kontrollen aus.

Die kritisierte Standortfestellung ohne richterliche Genehmigung sei bei Rettungseinsätzen schon heute Praxis, etwa wenn ein Vermisster im Gebirge geortet werden müsse. Dieser Graubereich werde jetzt rechtlich abgesichert, so Wögerbauer am Donnerstag gegenüber der APA.

Wie ORF.at mehrfach berichtete, hebelt die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes, die am Donnerstag Abend als letzter Tagesordnungspunkt im Parlament beschlossen werden soll, allerdings den Richtervorbehalt beim Abruf von Mobilfunk-Standortdaten gleich generell aus.

Die Regierungskoalition trennt dafür mit einem juristischen Winkelzug die Standortdaten von den Inhaltsdaten ab und stellt fest, dass Standortdaten, die direkt vom Provider abgefragt werden, nicht unter das Fernmeldegeheimnis fallen.

Regierung will Polizei Zugriff auf IP-Adressen geben

SPÖ und ÖVP wollen am heutigen Donnerstag einen Änderungsantrag für die Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes einbringen, der der Polizei bei Gefahr im Verzug auch den Zugriff auf IP-Adressen ohne Richtervorbehalt erlauben soll.

Zufrieden mit dem Erreichten

Der Datenschutzrat, so Wögerbauer, habe sich im Herbst insgesamt dreimal mit dem Thema beschäftigt. Auf Anregung des Datenschutzrates sei der Rechtsschutzbeauftragte in das Gesetz aufgenommen worden. Eine Handyüberwachung im Rahmen der Strafprozessordnung [StPO] werde auch künftig nur mit richterlicher Genehmigung möglich sein.

Dies wird - selbstverständlich - auch in den Materialien zur SPG-Novelle festgestellt, und zwar just in jenem Abschnitt, in dem die Überwachung der Inhalte sorgfältig von der Abfrage der Standortdaten abgetrennt wird. Für letztere soll eben kein Richtervorbehalt mehr gelten.

Rechtsschutzbeauftragter prüft

Außerhalb der StPO, so Wögerbauer, sei die Genehmigung durch den Rechtsschutzbeauftragten einzuholen. Nur bei "Gefahr in Verzug" sei eine "Ex-post-Überprüfung" durch den Rechtsschutzbeauftragten vorgesehen.

Der Rechtsschutzbeauftragte ist wiederum dem Innenministerium zugeordnet. In der Stellungnahme des Datenschutzrats, die ORF.at vorliegt, sieht der DSR eine Kontrolle durch eine Rechtsschutzinstanz als zu einer richterlichen Genehmigung adäquat an.

DSR empfiehlt Einsatz von Expertengruppe

Der Datenschutzrat regt in seiner mehrheitlich beschlossenen Stellungnahme weiters an, eine Expertengruppe mit Vertretern des BKA-VD, dem BMVIT, dem BMJ, dem BMI, der DSK selbst, sowie Vertretern von Mobilfunkprovidern, der AK und der WKO einzurichten, die sich "mit den anstehenden juristischen und technischen Fragen im Zusammenhang mit der TKG-Novelle zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung bzw. mit der Verzahnung zum SPG beschäftigen" solle. Nach Anhörung dieser Expertengruppe werde der DSR eine abschließende Stellungnahme abgeben.

Aus der Stellungnahme des Datenschutzrats [nicht online verfügbar]:

"Der Datenschutzrat regt an, auch im Bereich der Gefahrenabwehr eine - der richterlichen Genehmigung vergleichbare - Genehmigung durch eine Rechtsschutzinstanz [etwa den Rechtsschutzbeauftragten] vorzusehen. In dringenden Fällen - wie z. B. bei Gefahr in Verzug - wäre zumindest eine Ex-post-Überprüfung durch eine derartige Rechtsschutzeinrichtung anzustreben."

Die abweichende Stimme

ARGE-Daten-Obmann Hans Zeger kritisierte am Donnerstag in einer Aussendung die SPG-Novelle. Wäre es dem Gesetzgeber nur darum gegangen, verirrte Tourengeher lokalisieren zu dürfen, hätte die Erlaubnis für den Zugriff auf die Standortdaten auch genau auf diesen Fall eingeschränkt werden müssen.

Stellungnahme von Hans Zeger

~ Link: Hans Zegers Stellungnahme zur SPG-Novelle [PDF] (ftp://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/dsr-stellungnahme-spg-2007.pdf) ~

Wögerbauer wies Zegers Kritik entschieden zurück. Im Datenschutzrat, wo Zeger auch vertreten ist, seien alle datenschutzrechtlichen Bedenken ausführlich diskutiert worden. Die Stellungnahme des Datenschutzrates zur Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz sei fast einstimmig beschlossen worden. Die einzige Gegenstimme habe Zeger abgegeben. Wögerbauer: "Zeger soll

mit seiner Verunsicherung im Datenschutzbereich endlich aufhören."

Abfrage ohne Gerichtsbeschluss

Zegers Kommentar dazu: "In der operativen Anwendung wird es im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass eine Vielzahl von Handydaten nunmehr ohne Gerichtsbeschluss verwertet werden, auch solcher, auf die nicht unmittelbar die neue Bestimmung anzuwenden ist. Diese Grundrechtseingriffe nimmt man offenbar als Kollateralschäden in Kauf."

Nach dem novellierten SPG müsse die Polizei den Zugriff auf die Standortdaten nicht inhaltlich begründen. Zeger: "Auch die nachzureichende Dokumentation gegenüber dem Mobilfunkbetreiber entpuppt sich als Scheinsicherung. Bei allen vergleichbaren Gesetzesbestimmungen beschränkt sich eine derartige Dokumentation bloß auf einen Stehsatz der Art: 'Die Auskunft ist nach den Bestimmungen des §53 Abs.

3b SPG erforderlich.' Niemand darf sich der Illusion hingeben, dass die Polizei inhaltliche Begründungen liefern wird."

(APA | futurezone)