09.08.2004

SERIE, TEIL EINS, Eine Chronologie der Stories zum Thema "Data Retention" findet sich am Ende der Story.

Heißer Herbst für Internet-Provider

Ein heißer Herbst 2004, dem ein sehr kostenintensives Jahr 2005 folgen könnte, kündigt sich für Europas Internet-Provider an. Vergangene Woche hat die EU-Kommission begonnen, Stellungnahmen betroffener bzw. interessierter Gruppen zu einer im Entwurfsstadium befindlichen, neuen EU-Richtlinie einzuholen.

Von der Öffentlicheit weitgehend unbeachtet arbeiten Beamte aus den Justiz- und Innenministerien von England, Frankreich, Irland und Schweden an einem so genannten "Rahmenentscheid zur Zurückhaltung von Daten" ["Draft framework decision on the retention of data"], der noch in diesem Jahr umgesetzt werden könnte.

Der vor allem in der EU-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität entstandene Entwurf sieht eine europaweite Speicherpflicht für so genannte Verkehrsdaten aller Kommunikationen aus allen Netzen vor. Die vorgeschlagene Mindestdauer der Speicherung soll ein Jahr betragen.

Die "öffentliche Ordnung"

Die neue Richtlinie beruft sich auf einen viel kritisierten Beschluss des EU-Parlaments aus dem Jahre 2002. In Folge der Attentate von 9/11 hatte eine Mehrheit aus Konservativen und Sozialdemokraten einer de facto Aufhebung der EU-Direktive zum Datenschutz zugestimmt, wenn dies der Strafverfolgung oder der Hebung der nationalen Sicherheit diene.

Im aktuellen EU-Konsultationspapier werden die Aufhebungsgründe für eines der wichtigsten Grundrechte nur noch mit "öffentlicher Ordnung" ["public order"] umrissen.

Sollte der neue Richtlinienentwurf in dieser oder ähnlicher Form kommen, bedeutet das für Internet-Provider, aber auch Telekoms aller Art quer durch Europa einen sprunghaften Anstieg der Ausgaben für Infrastruktur.

Auch VoIP wird überwacht

Im Gegensatz zu den Telekom-Netzen, die in den vergangenen Jahren entsprechend den Überwachungsstandards des European Telecom Standards Institute [ETSI] mit normierten Schnittstellen und Protokollen vollständig erschlossen wurden, existieren für das Internet noch keine vergleichbaren Standards bzw. Infrastrukturen.

Das bedeutet erhebliche Um- und Ausbauarbeiten in den Netzen, da nun Daten erfasst und gespeichert werden müssen, die vordem oft nicht einmal angefallen waren.

Die zusätzliche, schlechte Nachricht betrifft alle Provider, die Netztelefonie [VoIP] anbieten. Auch diese, nicht eben einfach abzugreifenden Datensätze sind von der neuen Richtlinie betroffen, die entsprechenden Standards sind bereits seit längerem in Arbeit.