Initiative gegen Überwachungsstaat
Die "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat" will im Nationalrat eine parlamentarische Petition einbringen, mit der die Regierung gezwungen werden soll, die umstrittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] doch noch im Innenausschuss zu behandeln.
Am Montag trat im Wiener Presseclub Concordia die "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat" erstmals an die Öffentlichkeit. Die Initiative wird von Informatikprofessoren der TU Wien, von der Österreichischen Richtervereinigung und von der Österreichischen Computer Gesellschaft [OCG] getragen. Auch Peter Pilz, Nationalratsabgeordneter der Grünen, ist an der Initiative beteiligt. Er hat sich zur Verfügung gestellt, die Petition im Nationalrat einzubringen.
Ziel der Initiative ist es, im Parlament eine Petition nach Paragraf 100 der Nationalratsgeschäftsordnung einzubringen. Dem gemäß kann ein NR-Abgeordneter im Petitionsausschuss verlangen, dass ein Gesetz im Fachausschuss behandelt wird.
SPG soll in den Innenausschuss
Im Fall der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG], das am 6. Dezember inklusive eines in letzter Minute von den Sicherheitssprechern der Koalition eingebrachten Ergänzungsantrags ohne größere Debatten kurz vor Mitternacht von der Koalitionsmehrheit abgesegnet wurde, würde das bedeuten, dass sich der seit längerem nicht mehr zusammengetretene Innenausschuss mit der SPG-Novelle doch noch beschäftigen müsste.
Um Pilz, der die Initiative einbringen wird, auch demokratische Legitimation zu verleihen, wirbt die Initiative nun im Internet um Unterstützung. Sie hat zwei Websites aufgesetzt, auf denen sich Bürger dem Antrag anschließen können. Pilz: "Es gibt zwar keine Mindestanzahl von Unterschriften, die wir erreichen müssen, aber unterhalb von 10.000 Teilnehmern wird die Regierung die Initiative nicht ernst nehmen."
Je mehr Menschen sich beteiligen würden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung die Initiative nicht schon im Petitionsausschuss abwürgen werde.
Die Websites der Initiative:
Amnerkung: Sos-ueberwachung.at scheint noch nicht live zu sein. Zurzeit funktioniert nur der erste Link.
Die SPG-Novelle
Die am 6. Dezember verabschiedete SPG-Novelle erlaubt der Polizei bei "Gefahr im Verzug" ohne richterliche Kontrolle den Zugriff auf Handy-Standortdaten. Außerdem haben Internet-Provider bei "Gefahr im Verzug" den Strafverfolgern auf Anfrage unentgeltlich sofort mitzuteilen, welcher Kunde sich hinter einer bestimmten IP-Adresse verbirgt.
Die Kontrolle des polizeilichen Vorgehens soll nicht ein Richter, sondern der dem Innenministerium unterstellte Rechtsschutzbeauftragte wahrnehmen.
Die Initiative will vom Nationalrat wissen, wozu die in den Materialien zum Gesetz erwähnten IMSI-Catcher verwendet werden sollen, warum die Polizei ohne richterliche Kontrolle Zugriff auf die demnächst auch vorratsgespeicherten IP-Adressen haben soll und warum die SPG-Novelle am Innenausschuss vorbeigeschleust und ohne Begutachtungsverfahren beschlossen wurde.
Verantwortungsvoller Umgang
"Wir Informatikprofis wollen einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technologie", sagte Gerald Futschek, Präsident der Österreichischen Computer Gesellschaft, zur Motivation, die Initiative zu gründen.
"Die Bürger haben Sicherheitsbedürfnisse, wollen aber nicht in einem Überwachungsstaat leben. Es sollen nicht alle Internet-Bewegungen überwacht werden dürfen, und wenn die Polizei überwacht, braucht es richterliche Kontrolle." Es gehe darum, so Futschek, den parlamentarischen Beschluss zum SPG nochmals einer ordentlichen Begutachtung zuzuführen.
"Die Bürger der europäischen Staaten haben lange für ihre Grundrechte gekämpft", ergänzte A Min Tjoa, Professor am Institut für Softwaretechnologie und Interaktive Systeme der TU Wien, "darüber sollte man nicht leichtfertig in der Nacht diskutieren."
IMSI-Catcher: Doppelter Einsatz
Zum Einsatz von IMSI-Catchern sagte Tjoa, dass es auch zahlreiche andere Möglichkeiten gebe, Menschen in Notsituationen zu lokalisieren, etwa über "stille SMS". Die IMSI-Catcher erlaubten aber nicht nur die Ortung, sondern auch die inhaltliche Überprüfung der Kommunikation. Tjoa: "Das geht ans Eingemachte der Grundrechte."
Weiters kritisierte er die Ausschaltung der Richter. "Der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums reicht nicht", so Tjoa. Wenn die Polizei jemanden überwache, solle sie das den Betroffenen hinterher auch mitteilen müssen, so dass diese wenigstens später die Möglichkeit hätten, Rechtsmittel gegen die Überwachung einzulegen.
Hannes Werthner, E-Commerce-Experte und Professor am Institut für Softwaretechnologie und Interaktive Systeme der TU Wien, brachte noch die wirtschaftliche Dimension ins Spiel: "Wachstum im E-Commerce braucht Vertrauen. Die Überwachung bremst die individuelle Akzeptanz durch den Einzelnen." Werthner wies auch darauf hin, dass die Europäische Union 1998 auf dem Gipfel von Lissabon die Relevanz des Datenschutzes für die wirtschaftliche Entwicklung herausgestrichen habe.
Alle Träger der Initiative strichen heraus, dass es ihnen nicht darum gehe, der Polizei Fahndungsmöglichkeiten zu nehmen. Es sei aber wichtig, die Grundrechte der Bürger durch Einschaltung der Gewaltenkontrolle vor unverhältnismäßigen Eingriffen durch die Behörden zu schützen.
(futurezone | Günter Hack)