SPG-Verabschiedung "indiskutabel"
Die Wirtschaftskammer kritisiert die Vorgehensweise rund um das Sicherheitspolizeigesetz. Die Abfrage von IP-Adressen bei Gefahr im Verzug sei "völlig unausgegoren", ein Prozedere sei nicht festgelegt, die Kostenfrage nicht geregelt, auf die Netzbetreiber komme eine Fülle von Problemen zu.
"Da geben wir als Wirtschaftskammer eine fünfseitige Stellungnahme ab, und dann wird etwas anderes verabschiedet, was wir überhaupt nicht gesehen haben", ärgerte sich Rene Tritscher vom Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen der Wirtschaftskammer [WKÖ] am Dienstag.
Bekanntlich wurde die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz, die als unveränderter Entwurf weit über die Begutachtungsfrist hinaus im Netz öffentlich zu sehen war, innerhalb von 24 Stunden vor der Abstimmung im Parlament plötzlich ergänzt.
Polizeiliche Ermächtigung
Zusätzlich zur Ermächtigung der Polizei zur Abfrage der Handy-Standortdaten in Notfällen - Auffinden verirrter Wanderer und ähnliche Fälle, hieß es dazu in der Beilage zur Novelle - stand einen Tag vor der Verabschiedung plötzlich auch die Herausgabe temporärer IP-Adressen im Gesetz.
Weder dem Datenschutzrat noch dem Innenausschuss des Parlaments waren die Änderungen vorgelegt worden. Die SPG-Novelle wurde als letzter Punkt der Tagesordnung auf der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause zehn Minuten vor Mitternacht im Parlament abgestimmt.
Das hatte sich am Donnerstag zugetragen.
Indiskutabel, offene Karten
Die Gespräche seien sehr konstruktiv verlaufen, bis der Gesetzesentwurf "in eine völlig andere Richtung abgedriftet und überfallsartig" in der letzten Sitzung des Jahres verabschiedet worden sei. Diese Vorgangsweise sei "indiskutabel", sagte Tritscher, denn wenn, dann sollte man "mit offenen Karten spielen".
Da die Behandlung der "IP-Adressen-Thematik völlig unausgegoren" sei, zeichne sich schon jetzt ab, dass die Umsetzung "nicht reibungslos verlaufen" werde: "Wir sehen eine Fülle von Punkten, wo Probleme auf die Netzbetreiber zukommen werden."
Die Kostenfrage
Weil zwar ein Gesetz verabschiedet, aber das Prozedere nicht ausgehandelt wurde, müssten die Netzbetreiber erst wieder Einzelfall für Einzelfall mit der Exekutive diskutieren.
Und diskutiert werden müsste ebenfalls, was diese Maßnahmen kosten würden, die auf die Netzbetreiber zukommen, sagte Tritscher.
"Nicht sauber gelaufen"
"Parlamentarisch ist das nicht sehr sauber gelaufen", gesteht auch Peter Pointner, der stellvertretende Direktor des SPÖ-Klubs im Parlament, ein. "Das gesamte Unglück dabei war, dass kein Innenausschuss-Termin mehr gefunden werden konnte", sagte Pointner, der die Formulierungen mit dem Innenministerium ausgehandelt hatte, zu ORF.at.
Weil andere Teile des neuen Sicherheitspolizeigesetzes unbedingt im Jänner in Kraft treten mussten, sei dieser Weg gewählt worden.
Verzug, Verzug
Damit ist gemeint, dass ein Gesetz, das bei "Gefahr im Verzug" ohne richterliche Beteiligung im Jänner zur Anwendung kommen soll, unter "Terminverzug"-Bedingungen durchgezogen wurde.
Notfälle, IP-Adressen
Was die Ausforschung von IP-Adressen in Notfällen angehe, so sei diese nur auf eine explizite Rechtgrundlage gestellt worden, so Pointner weiter. IP-Adressen seien in Notfällen bereits vorher weitergegeben worden.
Auf den Einwand, dass im bisherigen Sicherheitspolizeigesetz nur von Telefonanschlüssen die Rede gewesen sei, sagte Pointner: Darunter habe man auch die IP-Adressen subsumiert, wenn zum Beispiel eine gefährliche Drohung per E-Mail eingegangen sei.
Es wurden also Internet-Verkehrsdaten bisher auch ohne eindeutige gesetzliche Regelung "bei Gefahr im Verzug" im Zweifel herausgegeben.
Der Sicherheitsausschuss
Wie sowohl der Abgeordnete Peter Pilz [Grüne] als auch die Wirtschaftskammer gefordert hatten, nämlich dass Paragraf 53a eine Behandlung im Innenausschuss erfahren möge, sei aus ablauftechnischen Gründen nicht möglich.
Über den Weg einer Petition genüge Pilz der Einwand eines einzigen Staatsbürgers, um die Novelle etwa in Form einer "Aussprache" wieder aufs Tapet zu bringen, dazu bedürfe es keiner Mobilisierung für Petitionen im Internet, so Pointner abschließend.
Kein Richter nötig
Nicht nur die fehlende Kostenerstattung für die Netzbetreiber bei Notfällen unterscheidet die Ermittlung von Telefon- und Internet-Daten beim strafrechtlichen Vorgehen.
Während bei Strafverfolgung ein unabhängiger Richter entscheiden muss und in der Regel vorab entscheidet, wird für die Notfallsregelung der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums im Nachhinein informiert.
Der Rechtsschutzbeauftragte
Theodor Thanner hat als Rechtsschutzbeauftragter zwar ein Büro im Innenministerium und war auch dort in der Vergangenheit als Sektionsleiter tätig, leitet aber mittlerweile für das Wirtschaftsministerium die Bundeswettbewerbsbehörde.
"Ich werde mir die Fälle sehr genau ansehen", sagte Thanner zu ORF.at, "Das halte ich schon als Staatsbürger für selbstverständlich."
(futurezone | Erich Moechel)