Polizei-Trojaner in der Praxis

bericht
05.01.2008

Deutsche Verfassungsschützer haben laut "Focus" einen Terrorverdächtigen mit einem Polizei-Trojaner auszuspähen versucht. Der deutsche Bundesnachrichtendienst [BND] setzt Online-Durchsuchungen bereits seit längerem im Ausland ein.

Laut dem deutschen Nachrichtenmagazin "Focus" wurde einem in Berlin lebenden mutmaßlichen Islamisten bereits im Frühjahr 2006 eine getarnte E-Mail mit einem Spionageprogramm im Anhang geschickt.

Dabei sei das Bundesamt für Verfassungsschutz unter anderem auf eine Anleitung zum Bau von Sprengsätzen gestoßen, die der Beschuldigte auf seinem Computer hatte. Der Spähangriff sei dann schon vor einem Jahr wieder beendet worden. Für eine Anklage reichten die gefundenen Materialien nicht.

Angriff entdeckt

Gegenüber dem Magazin gab der Betroffene an, den Spähangriff bemerkt zu haben. Sein russischer Virenscanner habe angeschlagen. Er habe den Verdacht gehabt, dass "jemand etwas mit dem Computer" mache, sagte er dem Magazin. Seither bevorzuge er Internet-Cafes für Chats.

Im Jänner vergangenen Jahres hatte der deutsche Bundesgerichtshof entschieden, dass solche Online-Durchsuchungen "ohne Rechtsgrundlage" seien.

Der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble [CDU] setzte daraufhin eine entsprechende Dienstvorschrift außer Kraft. Das Bundesverfassungsgericht will in diesem Frühjahr über die Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen entscheiden.

BND durchsuchte rund 60 Computer

Technische Unterstützung für den Spähangriff holten sich die Verfassungsschützer beim deutschen Bundesnachrichtendienst.

Agenten des BND haben laut "Focus" allein in den vergangenen beiden Jahren die Computer von rund 60 Zielpersonen im Ausland durchsucht.

Auf Anfrage des Magazins teilte der Auslandsdienst mit, Operationen innerhalb Deutschlands gehörten nicht zu seinem Aufgabengebiet.

Keine Stellungnahme

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Innenministerium wollten sich zu dem Bericht nicht äußern.

Auch eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft sagte auf Anfrage: "Zu der Sache werde ich keine Stellung nehmen."

In Österreich soll die verdeckte Online-Durchsuchung von Computern bereits heuer eingeführt werden. Zum Einsatz kommen soll die Online-Durchsuchung beim Verdacht schwerer Verbrechen, auf die mindestens zehn Jahre Haft drohen. Die Durchsuchung soll es nur auf Anordnung des Staatsanwalts mit richterlicher Genehmigung im Einzelfall geben.

(futurezone | dpa)