Bill Gates' letzter CES-Auftritt
Nach eineinhalb Jahrzehnten hat Bill Gates seinen letzten Microsoft-Auftritt zum Auftakt der Consumer Electronics Show [CES] absolviert. Als Vorstand seiner Stiftung wird Gates ab Sommer 2008 genau in jenen Ländern wohltätig unterwegs sein, die Zukunftsmärkte Microsofts sind.
Die Regeln waren streng für alle, die den letzten Auftritt von Gates unter der Fahne von Microsoft auf der Consumer Electronics Show [CES] am Sonntag um 18.30 Uhr Ortszeit in Las Vegas verfolgen wollten.
Um einen Platz bei Gates' traditioneller "Pre-Show Keynote" zur CES zu ergattern, musste der interessierte Messebesucher nicht nur über eine Eintrittskarte verfügen, sondern auch stundenlang in der Schlange stehen.
Das Anstellen
Wer die Reihe verließ, riskierte, den letzten Auftritt von Gates auf der CES zu verpassen. Gates hatte bekanntlich angekündigt, sich ab dem Sommer ganz aus seinem Unternehmen zurückzuziehen.
Wie hell der Stern des Microsoft-Mitgründers immer noch strahlt, zeigte sich alleine schon beim Einlass. Während man bei Gates viereinhalb Stunden anstehen musste, kommt man bei Intel-Chef Paul Otellini Montagnachmittag mit einer Stunde Warten hinein.
Autos, Filme, smarte Tische
Die wichtigsten Punkte in Gates' Präsentation bezogen sich auf die Integration von Microsoft-Produkten zur Telefonie und mobilen Unterhaltung in Automobile der Marken Ford, Mercury und Lincoln im Modelljahr 2009.
Gates und Microsoft-Unterhaltungschef Robbie Bach kündigten weiters an, die Online-Videothek für die Xbox um HD-Inhalte von ABC und Walt Disney zu erweitern. Gates warb bei der Gelegenheit auch für Microsofts Digital-TV-Produktions- und -Verteilsystem Mediaroom.
Einen weiteren Auftritt hatte Microsofts bereits bekannter "intelligenter Tisch", ein Computer mit Display als Tischplatte, der zur Demonstration der Benutzeroberfläche Surface diente. Die Fähigkeiten des Systems wurden um eine verbesserte Spracherkennung erweitert, die auch in Sprachmenü-Angeboten des Microsoft-Unternehmens Tellme angeboten werden sollen.
Der Tischrechner selbst soll zuerst am Hotelempfang als virtueller Concierge eingesetzt werden. Gates gab in seiner Präsentation der Hoffnung Ausdruck, dass sich Surface auch schon bald in Geschäften bei der Präsentation und Zusammenstellung von Angeboten nützlich machen könnte. So könne ein Nutzer im Geschäft mit Surface ein neues Snowboard gestalten und es auf dem Tischrechner ansehen, bevor er es geliefert bekäme.
Gates zeigte auch ein Video, in dem er humoristisch seinen Rückzug als oberster Software-Architekt von Microsoft thematisierte, der im Juli 2008 bevorsteht. In dem Film tritt Gates in neuen Beschäftigungen als Rapper, Gewichtheber und Präsidentschaftskandidat auf. Immerhin gelang es ihm, zahlreiche Prominente aus Show und Politik wie Jay-Z, Barack Obama, Hillary Clinton, Al Gore, Steven Spielberg und George Clooney zur Mitarbeit zu bewegen.
Systemabstürze
Dabei ist der stets etwas ungelenk wirkende Gates weder ein besonders guter Redner, noch ist er eine per se besonders charismatische Erscheinung. Gates sieht eher aus wie der PC-Verkäufer oder Bilanzbuchhalter von nebenan.
Und wenn er ein neues Produkt demonstriert, kann man damit rechnen, dass auch Unvorhergesehenes passiert.
Bei der Präsentation des neuen Media-Center 2005 produzierte Gates gleich zwei Systemabstürze, dann kam sein Assistent mit einem Tablet-PC nicht ins Internet. Auch dass sein Auftrittspartner, der gefürchtete Late-Night-Talker Conan O'Brien live dazu böse Witze machte, focht Gates überhaupt nicht an.
Geheimnis Blue Screen
Auf der Computer-Fachmesse Comdex 1998 war bereits Ähnliches passiert, bei Gates' Präsentation von Windows 98 stürzte das System gleichfalls mit einem "Blue Screen" vor Tausenden Zusehern ab.
Das Gates nachgesagte legendäre Geschick bei Software-Präsentationen besteht nämlich darin, dass es dem Publikum nichts ausmacht, wenn eine Panne passiert, im Gegenteil. Gates wirkt nur authentischer, denn so etwas kann jedem Bilanzbuchhalter jederzeit passieren.
Dieser Mann auf der Bühne sieht nicht aus wie ein Bühnenstar, sondern wie ein Verkäufer, der sich redlich bemüht, die neuesten Vorteile seines selbst erfundenen, äußerst erfolgreichen Produkts herauszustreichen.
Wohltaten im Hintergrund
Wenn sich Gates, wie angekündigt, ab Juli 2008 ganz aus dem Tagesgeschäft bei Microsoft zurückzieht, tritt er nicht ab, sondern nur einen weiteren Schritt in den Hintergrund. Gates wird der Firma weiterhin als Chairman erhalten bleiben, allerdings ohne operative Funktion.
Die wohltätige Stiftung Bill and Melinda Gates Foundation hat mit den Turbokapitalisten der Microsoft Corporation nämlich durchaus etwas gemein.
Die weltweit haushoch dominante Macht in Computer-Betriebssystemen hat Schwellen- und Entwicklungsländer als letzte und noch dazu riesige Wachstumsmärkte der PC-Zukunft im Visier.
Dass dort schon Hunderte Millionen Microsoft-Betriebssysteme illegal in Betrieb sind, erleichtert es, dass der längst erfolgte Markteintritt in näherer Zukunft auch entsprechend abgegolten wird.
Am Beispiel Vietnam
Ob Indien oder Vietnam: Es handelt sich dabei im Wesentlichen um jene Staaten, in denen auch die Stiftung Bill und Melinda Gates zu wohltätigen Zwecken operiert.
Mit dem vietnamesischen Ministerpräsidenten Phan Van Khai war Gates zum Beispiel bereits 2005 in den USA zusammengetroffen, Memoranden wurden unterzeichnet.
Als Gates im April 2006 in Hanoi wie ein Staatsgast empfangen wurde, gab der Premierminister bekannt, dass alle Ministerien des Landes ab sofort alle verwendeten Windows-Betriebssysteme legal erwerben würden.
Die Stiftung, Microsoft
Dazu wünschte sich Khai über die staatliche Nachrichtenagentur Vietnams, dass Microsoft dabei helfe, eine Universität für Informationstechnologie zu errichten. Von der Stiftung erwarte man sich eine Fortsetzung der Programme gegen Hepatitis B und Aids, sagte der Premier Vietnams.
Ein Jahr später kam Gates - diesmal privat - auf Einladung nach Vietnam zurück, um 240.000 zusätzliche Dollar für ein Projekt gegen Gebärmutterhalskrebs zu spenden. Khai verlieh seiner Erwartung Ausdruck, dass die aufstrebende IT-Wirtschaft des Landes auch von Microsoft weiter unterstützt werde.
95 Prozent Raubkopien
Vietnam hatte mit einer Rate von 95 Prozent Raubkopien bei Software - überwiegend Microsofts Windows und Office - jahrelang die Reihe der Software-Schurkenstaaten angeführt.
Über das knapp dahinter liegende China [93 Prozent]berichtete die Business Software Alliance - die von Microsoft massiv unterstützte Branchenlobby -, dass den Herstellern bereits 2003 über 2,6 Milliarden Dollar an Lizenzgebühren vorenthalten worden seien.
Strategisches Interesse
Damit soll keineswegs das außerordentliche, humanistische Engagement des Microsoft-Gründers geschmälert werden, der ab Sommer "nur noch" einer der größten je für wohltätige Zwecke gegründeten Stiftungen vorstehen wird.
Es soll nur angemerkt werden, dass Gates dabei auch einem übergreifenden strategischen Interesse der von ihm mitgegründeten Firma folgt.
One Laptop per Child [OLPC]
Das ist gerade in Zeiten, in denen ein eigensinniger MIT-Professor namens Nicholas Negroponte unter hohem Interesse der weltweiten Öffentlichkeit damit beginnt, die Entwicklungs- und Schwellenländer mit billigen Linux-OLPC-Laptops zu versorgen, von besonderer Wichtigkeit.
Weder der zweitprominenteste Keynote-Speaker auf der CES 2008, Intel-Chef Otellini, noch Gates können das geringste Interesse daran haben, dass ein kleiner Rechner wie der OLPC millionenfach verbreitet wird.
Das komplette Gerät kostet samt Betriebssystem mit etwa 190 Dollar kaum mehr als die neueste Standardversion von Windows Vista in den USA und ist billiger als neuere Intel-Chipsätze für Notebooks.
(futurezone | Erich Moechel | AP)