Videothek und Schottenrock

16.01.2008

Indem er Apple zum Medienkonzern umbauen will, geht Steve Jobs das größte Risiko in der Geschichte des Unternehmens ein. Denn es gibt kaum eine Branche, die im 21. Jahrhundert derart schnell an Coolness verloren hat wie die Medienindustrie.

Berechtigt ist sie ja schon, die Enttäuschung der Apple-Fangemeinde. Anstatt der Welt die heiß erwartete UMTS-Version des iPhone zu schenken, kündigte Jobs bei seiner MacWorld-Präsentation am Dienstag mehr oder weniger an, in Hinkunft auch Videothekenbesitzer sein zu wollen - eine Funktion, die, ähnlich wie Chuck Norris und Rubik's Cube, den Höhepunkt ihrer Popularität schon 1985 überschritten hatte.

Als der letzte Superstar-CEO der IT-Welt dann auch noch ankündigte, für ein mageres Software-Upgrade des nicht gerade billigen iPod Touch satte 20 Dollar in Rechnung stellen zu wollen, musste der Berichterstatter den Video-Scrollbalken bemühen, um nachzusehen, ob Steve anstatt der üblichen Jeans nicht doch einen Schottenrock trug.

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Über die Mode

Das Produkt des Abends, das MacBook Air, empfiehlt sich mit seinem eingebauten Akku nicht als schlankstes Notebook, sondern als größter iPod der Welt. Als Entertainment-Produkt also, das Zeitgenossen, die mit "Computern" noch "Arbeit" assoziieren, verwirren und verärgern muss.

Wer Apples Marketingstrategie verstanden hat, wird den fest eingebauten Akku auch nicht als Hypothek für die Erfolgslaufbahn des MacBook Air sehen, sondern schlicht feststellen, dass Apple-Produkte dieser Preisklasse nicht deshalb ausgetauscht werden, weil sie technisch veralten, sondern weil sie stilistisch aus der Mode kommen - und Letzteres passiert bei Cupertinos immer engeren Produktzyklen mittlerweile schnell. Das eine Jahr, in dem sich der Chef mit dem Air gefahrlos in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, dürfte der Akku problemlos überstehen.

Allzu teuer ist das Air übrigens auch nicht. Für vergleichbare Couture-Computer des Hauses mussten Connaisseure in früheren Zeiten auch inflations- und währungskursbereinigt wesentlich mehr Geld auf den Tisch legen als heute für Steves neuen schwerelosen Freund. Für den 20th Anniversary Mac aus dem Jahr 1997 etwa wollte Apple 7.499 US-Dollar haben, der erste Macintosh Portable kostete 1989 6.500 Dollar - ohne Display-Hintergrundbeleuchtung und ohne Festplatte.

Negative Eleganz-Bilanz

Die Vorstellung des durch und durch irrational anmutenden MacBook Air war wichtig, um in der Gesamtpräsentation ein Gleichgewicht zur Uncoolness der anderen Produkte herzustellen. Mit der Online-Videothek und dem iTunes Music Store nähert sich der Magier Steve Jobs leider immer mehr der uncoolsten Branche des noch jungen Jahrtausends an: der Medienindustrie.

Auch der stilistisch unfehlbare Jobs muss Schaden nehmen, wenn er sich mit den fadenscheinigen DRM-Strategien der üblichen Rechteverwalter einlässt. Sicher ist bei Moden immer auch das Element der Bevormundung mit im Spiel, aber die lustvolle Unterwerfung unter den Trend fühlt sich völlig anders an als der abmahnende Zugriff selbst ernannter Datenverkehrspolizisten.

Die wahre Gefahr für Apple besteht also nicht darin, dass die Firma an der Mehrheit ihrer Fans vorbeiproduziert, sondern dass sie wirklich zum Medienkonzern werden möchte und damit an Eleganz und gutem Stil verliert, also jenen Elementen, die von Anfang an die wichtigsten Stützen des Erfolgs von Cupertino waren.

(futurezone | Günter Hack)