Grüne planen Verfassungsklage gegen SPG
Die Grünen prüfen derzeit, wie sie eine Verfassungsklage gegen das novellierte Sicherheitspolizeigesetz [SPG] anstrengen können. Das Gesetz verstoße gegen das verfassungsrechtlich garantierte Fernmeldegeheimnis. Die ÖVP wirft Sicherheitssprecher Peter Pilz Aktionismus vor.
Auf einer Pressekonferenz am Freitag in Wien teilte Pilz mit, dass seine Partei dabei sei, eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof [VfGH] gegen das am 6. Dezember 2007 novellierte Sicherheitspolizeigesetz zu prüfen. Pilz zeigte sich optimistisch, dass das SPG neu noch 2008 durch entsprechende Klagen gekippt werden könne.
Verstoß gegen Fernmeldegeheimnis
Konkret gehe es darum, dass der Artikel 53 3a SPG nach Ansicht der Grünen gegen das im Artikel 10a des Staatsgrundgesetzes garantierte Fernmeldegeheimnis verstoße, das einen Eingriff in dieses Geheimnis nur mit richterlicher Genehmigung erlaube.
Im Artikel 53 3a SPG ist seit besagter Novellierung festgelegt, dass die Sicherheitsbehörden bei Gefahr im Verzug ohne Richtervorbehalt IP-Adressen und Handy-Standortdaten bei den Providern abfragen dürfen.
Die Grünen vertreten die Position, dass sie eine Aktivlegitimation dafür haben, Verfassungsklage einzureichen, da das neue SPG das grundsätzliche Vertrauen aller Bürger in den Schutz des Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnisses verletze. Die interne juristische Prüfung der genauen Argumentationslinie soll im Lauf der kommenden Tage abgeschlossen werden.
Laut Pilz wollen die Grünen auch anderen Bürgern die Möglichkeit eröffnen, sich der Verfassungsklage über die Einreichung entsprechender Vollmachten anzuschließen.
Suche nach Verbündeten
Auf Nachfrage von Journalisten sagte Pilz, dass er auch das Gespräch mit besorgten Politikern aus der Regierungskoalition suche. Es gebe auch die Möglichkeit, dass ein Drittel der Nationalratsabgeordneten gemeinsam gegen die inkriminierten Passagen im SPG vorgehe und das Gesetz auf diese Art kippen könne. Pilz kündigte an, sich in dieser Sache an SPÖ-Klubobmann Josef Cap zu wenden.
Zu der von ihm mitinitiierten Unterschriftensammlung zur Einbringung einer Petition gegen das SPG sagte Pilz, er erwarte, dass der Petitionsausschuss des Parlaments den Einspruch Mitte April an den Innenausschuss zur Prüfung verweisen werde.
Zahlen unklar
Pilz verwies darauf, dass auch der Mobilfunkbetreiber T-Mobile dabei sei, als Betroffener eine Verfassungsklage gegen das SPG neu einzubringen. Durch die Ausschaltung der richterlichen Kontrollen müssten nun die Provider prüfen, ob eine Anfrage der Polizei rechtlich in Ordnung sei.
Das bürde den Providern zusätzliche Lasten auf, so Pilz, der darauf hinwies, dass im Jänner 2008 nach Inkrafttreten der SPG-Novelle gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr die Abfragen von IP-Adressen durch die Polizei "im zweistelligen Prozentzahlenbereich" nach oben geschnellt seien.
Exakte Zahlen zur Zunahme der polizeilichen Abfragen mochte Pilz ebenso wenig nennen wie die von ORF.at Anfang der Woche befragten Mobilfunkbetreiber. Er habe mit den Providern vorläufiges Stillschweigen über diese Zahlen vereinbart. Eine entsprechende Statistik werde von den Providern allerdings gegen Ende des Monats veröffentlicht.
T-Mobile prüft Verfassungsklage
Klaus Steinmaurer, Chef der Rechtsabteilung von T-Mobile, sagte am Freitag gegenüber ORF.at, dass das Unternehmen eine interne Statistik über die SPG-Abfragen führe, diese aber weder veröffentlichen noch an Pilz weitergeben werde.
"Wir werden die Zahlen mit dem Justizministerium diskutieren", so Steinmaurer, der bestätigte, dass sein Unternehmen eine Verfassungsklage gegen das SPG neu prüfe.
Diese Prüfung sei Anfang Februar abgeschlossen, so Steinmaurer. Es gehe darum, dass bei einer Verfassungsklage nachgewiesen werden müsse, dass der Kläger von dem inkriminierten Gesetz betroffen sei. Die Frage laute, ob vom SPG neu die Endverbraucher oder das Unternehmen betroffen seien.
Kosten und Verantwortung
Diese Frage sei noch nicht endgültig entschieden, er persönlich sei aber der Meinung, dass das SPG verwassungswidrig sei und auch einen Eingriff in die Systeme von T-Mobile darstelle. Das Unternehmen sei auch von Artikel 53 3b betroffen, in dem die Kostenfrage der Überwachungsanfragen geregelt ist.
Steinmaurer hatte bereits zu Beginn der Woche gegenüber ORF.at zu Protokoll gegeben, dass die Anfragen der Polizei wegen Selbstmordes seit Inkrafttreten des SPG neu am 1. Jänner auffällig nach oben gegangen seien.
Zukunft der Online-Durchsuchung
Auch zu der von Innenminister Günther Platter [ÖVP] und Justizministerin Maria Berger [SPÖ] vereinbarten Möglichkeit zur Online-Durchsuchung nahm Pilz Stellung. Er sei sich sicher, dass die derzeit tagende, von Berger eingesetzte Expertengruppe, die im Februar einen Bericht zur technischen und juristischen Machbarkeit des Unterfangens abgeben solle, den Plan bremsen werde.
Reaktionen der ÖVP
In Aussendungen vom Freitagnachmittag wandten sich Vertreter der ÖVP gegen Pilz' Initiative. Harald Wögerbauer, Vorsitzender des Datenschutzrats, schreibt, dass die SPG-Novelle es dem Rechtsschutzbeauftragten zu überprüfen ermögliche, ob die Polizei die Datenschutzbestimmungen bei ihren Abfragen eingehalten habe. Das sei vor dem 1. Jänner 2008 nicht der Fall gewesen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist dem Innenministerium unterstellt.
Wögerbauer schreibt, dass erst das SPG die vorher bereits praktizierte Übermittlung von IP-Adressen an die Sicherheitsbehörden auf eine gesetzliche und verfassungskonforme Grundlage gestellt habe. Daher habe der Datenschutzrat die Novellierung mit nur einer Gegenstimme [Hans Zeger, ARGE Daten, Anm.] befürwortet.
ÖVP-Sicherheitssprecher Günter Kössl, der gemeinsam mit seinem SPÖ-Pendant Rudolf Parnigoni die umstrittene SPG-Novelle eingebracht hatte, warf Pilz' Aktion "Platterwatch" in einer Pressemitteilung Aktionismus vor.
Eine Anfrage von ORF.at beim Innenministerium für eine Stellungnahme zu den geplanten Verfassungsklagen läuft.
(futurezone | Günter Hack)