Nokia und die Subventionen
Nach der angekündigten Werksschließung von Nokia in Bochum stellt EU-Kommissar Günter Verheugen die staatliche Subventionspolitik infrage. Unterdessen wurden die ersten Mitarbeiter gekündigt.
Es habe "keinen Sinn, dass der Staat Subventionen zahlt, um Unternehmen anzulocken", sagte der EU-Industriekommissar der "Welt am Sonntag". Nokia gebe dazu Anlass, staatliche Subventionen insgesamt infrage zu stellen. "Sollten sich Investitionen nur rechnen, wenn mit Geld der Steuerzahler nachgeholfen wird, dann ist das immer ein Risiko", so der Politiker.
Statt Investitionszuschüsse an private Unternehmen zu geben, sollte das Geld in Bildung, Ausbildung und in den Aufbau einer exzellenten Infrastruktur gesteckt werden, sagte Verheugen.
88 Millionen Euro Subventionen
Nokia hatte für das Werk Bochum 88 Millionen Euro an Subventionen von Bund und Land erhalten. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben [CDU] warf dem Unternehmen nach Bekanntwerden der Schließungspläne Tricksereien im Umgang mit den erhaltenen Subventionen vor.
Wenn der Konzern das Werk in Bochum schließe, müsse er Subventionen von bis zu 41 Millionen Euro zurückzahlen, drohte die Ministerin.
Der finnische Handy-Weltmarktführer kündigte am Dienstag die Schließung seiner Handyproduktion in Deutschland an. Die soll künftig nach Rumänien und Ungarn verlagert werden. Rund 2.000 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.
Erste Kündigungen
Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Schließungspläne für das Werk kam es zu ersten Kündigungen unter den rund 1.000 in dem Werk beschäftigten Leiharbeitern. Dabei handele es sich jedoch um Einzelfälle von Mitarbeitern, deren Verträge nach Auslaufen der Probezeit nicht verlängert worden seien, sagte eine Sprecherin der Zeitarbeitsfirma Randstad.
Auch die Zeitarbeitsfirma Adecco stellte erste Kündigungen für die kommenden Tage in Aussicht. Für die Mehrheit der Beschäftigten werde jedoch nach Alternativen gesucht, hieß es. Bei Nokia sind neben den Leiharbeitern rund 2.300 angestellte Mitarbeiter beschäftigt.
Vorbereitungen für Demonstration
Unterdessen laufen die Vorbereitungen für eine am kommenden Dienstag angekündigte Großdemonstration am Bochumer Nokia-Standort auf Hochtouren. Mit erwarteten mindestens 20.000 Menschen rechnet die IG Metall mit einer der größten Kundgebungen in der Geschichte der Stadt.
Boykott-Aufruf ...
SPD-Chef Kurt Beck rief derweil indirekt zum Boykott von Nokia-Produkten auf. "Mir persönlich kommt kein Nokia-Handy mehr ins Haus", sagte Beck der "Bild am Sonntag". "Wir alle können gemeinsam deutlich machen, dass wir uns nicht vorführen lassen. Deutschland hat 82 Millionen Verbraucher", fügte er hinzu.
... Imageschaden und Umsatzdämpfer
Der Chef des Deutschen Instituts für Markenbewertung, Michael Hartung, sagte der "Bild am Sonntag", der "Schaden für die Marke wird auch mittelfristig größer sein als der Gewinn an Produktivität". Er rechne mit einem "Umsatzdämpfer von zehn bis 15 Prozent in Deutschland, am Anfang deutlich mehr".
Nokia verteidigte seine Schließungspläne für das Bochumer Werk erneut mit Kostendruck. Nokia-Personalchef Juha Äkräs sagte dem Nachrichtenmagazin "Focus", der Standort Rumänien biete enorme Vorteile. "Dort arbeiten die Menschen für ein Zehntel der deutschen Entgelte", so Äkräs. "Selbst wenn sich die Löhne in den kommenden Jahren verdoppeln oder verdreifachen, lohnt sich das."
Das Ende der Nokia-Produktion ist ein weiterer schwerer Schlag für die Mobilfunkindustrie in Deutschland.
Vor gut einem Jahr hatten durch die Pleite von BenQ Mobile rund 3.000 Menschen ihren Job bei der ehemaligen Siemens-Handysparte verloren.
Weitere Streichungen drohen
Nach Einschätzung des deutschen Branchenverbandes BITKOM drohen der Telekommunikationsindustrie in Deutschland weitere Stellenstreichungen. "Wir befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt und weitere Arbeitsplätze in der Produktion von Kommunikationstechnik abgebaut werden", sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer am Sonntag.
Wenn die Herstellung ins Ausland verlagert werde, wanderten im zweiten Schritt auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ab. Die Zahl der Beschäftigten in der Herstellung von Kommunikationstechnik ist nach BITKOM-Angaben bereits von 80.000 im Jahr 2000 auf nur noch 57.500 im Jahr 2007 gesunken.
(futurezone | dpa)