Der Gentest und die Globalisierung

23.01.2008

23andme bietet seine Genanalysen nach Versandprinzip nun auch in Österreich an. Das System verstößt zwar in mehreren Aspekten gegen das heimische Gentechnikgesetz, aber da das Geschäft via Post und Internet abgewickelt wird, brauchen sich weder Firma noch Kunden darum zu kümmern.

1.044 US-Dollar inklusive Versand kostet eine Genanalyse bei 23andme, seit Dienstag gilt das Angebot auch für österreichische Kunden. Die kalifornische Firma, die von Anne Wojcicki und Linda Avey auch mit einer Finanzierung von Google in Höhe von umgerechnet 2,9 Millionen Euro gegründet wurde und im November 2007 den Betrieb aufnahm, lockt ihre Kunden mit dem Versprechen, durch die Analyse ihrer Gene mehr über sich selbst zu erfahren.

Die Abwicklung

Die Untersuchung bestimmter Abweichungen in Gensequenzen [Single Nucleotide Polymorphism, SNP] soll Rückschlüsse auf die Herkunft der Kunden sowie ihre Neigung zu bestimmten Krankheiten geben.

Die Abwicklung des Geschäfts ist einfach. Der Kunde fordert über die Website von 23andme ein Untersuchungsset an, gibt etwas von seinem Speichel in das gelieferte Röhrchen und schickt es nach Kalifornien zur Genotyping-Analyse. Nach einigen Tagen kann der Kunde über eine gesicherte Web-Verbindung auf seine von 23andme aufbereiteten Gendaten zugreifen.

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23andme ist keineswegs die einzige Firma, die ihre Dienste auf dem noch verhältnismäßig jungen Markt der Genanalysen anbietet. Auch die isländische Firma deCODE operiert auf diesem Markt.

Das Gesetz

"In Deutschland und in Österreich wäre diese Vorgehensweise illegal", sagt der Biologe Helge Torgersen, am Wiener Institut für Technikfolgenabschätzung für die Bereiche Biotechnologie und Medizintechnik zuständig, "aber da das Unternehmen seinen Sitz in Kalifornien hat, ist es unwahrscheinlich, dass es belangt werden kann."

Das österreichische Gentechnikgesetz schreibt unter anderem vor, dass gentechnische Analysen nur in hierfür vom Gesundheitsministerium zugelassenen Einrichtungen und nur auf Veranlassung eines in Humangenetik oder medizinischer Genetik ausgebildeten Facharztes ausgeführt werden dürfen. [§ 68,1].

Die Beratung

Ein wichtiger Punkt zur Qualitätssicherung ist auch die in Paragraf 69 vorgeschriebene Beratung durch einen in Genetik ausgebildeten Facharzt. Dieser soll nach Willen des Gesetzgebers dafür sorgen, dass die Patienten mit den ermittelten Daten nicht allein gelassen werden. Ohne professionelle Interpretation sind die Daten nicht viel wert.

23andme versucht, seine Kundschaft mit kluger Aufbereitung der Daten in seinem Web-Interface zu informieren. Torgersen vermisst dabei aber die persönliche Aussprache zwischen Arzt und Patient: "Es ist schon etwas anderes, wenn man mit einem Arzt unter vier Augen und unter dem Schutz der ärztlichen Schweigepflicht spricht."

Die Informationen

Auch der Datenschutz ist im österreichischen Gentechnikgesetz geregelt [§ 71]. So müssen die erhobenen Daten vor dem Zugriff Unbefugter in geeigneter Weise geschützt werden, die weitere Verwendung nicht anonymisierter Daten ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Patienten erlaubt.

23andme informiert seine Kunden im Rahmen des Bestellvorgangs mit langen, aber gut verständlichen englischen Texten darüber, was die Gensequenzanalyse kann und was nicht. Es wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Firma keine medizinischen Ratschläge erteile. Außer auf Englisch sind die Erläuterungen bisher aber nur in französischer Sprache verfügbar.

Die Forschung

Akzeptiert der Kunde die Geschäftsbedingungen, verzichtet er auf das Recht auf finanzielle Entschädigung aus den Gewinnen mit pharmazeutischen Produkten, die aus der Analyse seiner persönlichen Daten geschaffen werden könnten.

In den Geschäftsbedingungen ist auch vermerkt, dass die anonymisierten Daten auch zu Forschungszwecken verwendet werden. Das steht nicht im Widerspruch zum hiesigen Gentechnikgesetz. Denn Forschung und Industrie brauchen die Daten aus den Genanalysen.

"Nach bestimmten genetischen Gesichtspunkten optimierte Pharmazeutika sind ein wichtiger Zukunftsmarkt", sagt Manfred Stelzer vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, der sich intensiv mit den rechtlichen Aspekten der Biotechnologie auseinandergesetzt hat. "Zur Forschung ist es notwendig, eine kritische Masse an entsprechendem Datenmaterial von Patienten zur Verfügung zu haben."

Das Geschäft

In den Website-Profilen der 23andme-Gründerinnen Avey und Wojcicki, die zwar mit Bachelor-Abschüssen in Biologie aufwarten können, deren berufliche Schwerpunkte doch eher in den Bereichen Pharmavermarktung und -investments liegen, ist dann auch ausdrücklich vermerkt, dass es das Ziel des Unternehmens ist, die Entwicklung gentechnisch optimierter Medikamente voranzutreiben.

"23andme wird eine standardisierte Ressource schaffen, die das Potenzial hat, bei der Entwicklung neuer Medikamente zu helfen und personalisierte Medikamente auf den Markt zu bringen", heißt es im Profil von Wojcicki. Sprich: Das eigentliche Geschäft macht 23andme nicht mit den Genanalysen, sondern mit der Weiterverwertung der Daten im Dienst der Pharmaindustrie.

Die Umwege

Auch wenn 23andme wichtige Bestimmungen des hiesigen Gentechnikgesetzes wie jene zur persönlichen Beratung und zur Registrierung beim Gesundheitsministerium nicht erfüllt, kann das Unternehmen nicht belangt werden, da es seinen Sitz in Kalifornien hat. "Rechtlich gibt es da kein Problem", sagt Stelzer, "auch die österreichischen Datenschutzbestimmungen sind zahnlos."

Es gebe keine Möglichkeit, kalifornische Unternehmen dazu zu verpflichten, österreichische Vorschriften einzuhalten, auch wenn diese explizit bei hiesigen Konsumenten für ihre Dienstleistungen werben würden. Das Angebot an sich sei schließlich nicht illegal.

Die Standards

"Auch die Konsumenten machen sich nicht strafbar", so Stelzer. Es sei auch dem Gesetzgeber klar, dass viele nationale Regulierungen durch Angebote übers Internet umgangen werden könnten. "In der EU versucht man, zu gemeinsamen Standards zu kommen."

Die Weitergabe persönlicher Daten an Dienstleister wie 23andme sieht Stelzer naturgemäß kritisch: "Da ist noch viel an Bewusstseinsbildung zu schaffen."

(futurezone | Günter Hack)