Kritik an Speicherpflicht für alle Logfiles
Zu der umstrittenen EU-Richtlinie zur verpflichtenden Speicherung aller Verkehrsdaten sämtlicher Kommunikationsnetze [Data Retention] fand am Dienstag ein Hearing in Brüssel statt.
Insgesamt 65 - großteils negative - Stellungnahmen von Telekoms und Provider-Vereinigungen, Firmen, Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen seien eingegangen, berichtete Philip Gerard von der Generaldirektion Informationsgesellschaft der EU-Kommission.
Weiters haben drei nicht näher spezifizierte nationale Datenschutz-Kommissionen und ein Justizministerium Stellungnahmen abgegeben. Trotz expliziter und wiederholter Anfragen sei aber keine einzige konkrete Antwort von Justiz- und Polizeibehörden eingetroffen, welche Verkehrsdaten nun genau für welche Zeit gespeichert werden sollten.
Der "Rahmenentscheid zur Zurückhaltung von Daten" ["Draft framework decision on the retention of data"] wurde von Beamten aus den Justiz- und Innenministerien Englands, Frankreichs, Irlands und Schwedens ausgearbeitet.
Diese geplante Richtlinie sieht eine europaweite Speicherpflicht für Verkehrsdaten [wer mit wem wann wie kommuniziert hat] aus allen Netzen vor. Die Mindestdauer der Speicherung soll ein Jahr betragen. Die Höchstdauer von drei Jahren könne von den Mitgliedsstaaten auch überschritten werden, wenn das im nationalen Interesse notwendig sei, heißt es in Artikel 4, Absatz 1.
Eine Chronolgie der Forderungen nach Vorratsspeicherung von VerkehrsdatenDas Schweigen der Ministerien
Über die österreichische Position zur geplanten Speicherpflicht für Internet-Logfiles [WWW, E-Mail, Chat, ICQ etc.] und Verbindungsdaten aus Telefonienetzen aller Art lassen sich nur Mutmaßungen anstellen.
Mehrere Anfragen im Innenministerium ergaben die magere Auskunft, das Justizministerium bearbeite die Angelegenheit.
Wiederholte Anfragen von futurezone.ORF.at im Justizministerium während der letzten zehn Tage blieben unbeantwortet.
Gegen den geplanten Rahmenentscheid haben sich neben Internet-Providervereinigungen und Telekoms auch nationale Wirtschaftskammern wie etwa die österreichische ausgesprochen. Internationale Datenschützer mobilisieren gegen "Data Retention".
90 NGOs und ein Brief
Eine der 65 bei der EU eingegangen Erklärungen, nämlich ein vom
Dachverband European Digital Rights [EDRi] und Privacy International
verfasster Protestbrief, wurde von 90 unabhängigen Organisationen
[NGOs] weltweit unterzeichnet. Darin wird die geplante Richtlinie
als "invasive, illusory, illegal and illegitimate" und als
eindeutiger Bruch von geltendem EU-Recht bezeichnet.
Die Liste der Unterzeichner
MPAA und die Befürworter
Nachdem eine Sprecherin des internationalen Dachverbandes der Wirtschaftskammern der EU-Kommission noch Einseitigkeit vorgeworfen hatte, waren beim Dienstag-Hearing die wenigen Befürworter von Datenspeicherung auf Vorrat am Wort.
Ein Vertreter von Schwedens Justiz, ein Repräsentant der französischen Polizei und eine ebenfalls anwesende Sprecherin der Motion Pictures Association of America [MPAA] führten ganz unterschiedliche Gründe an, warum dies nötig sei.
Frankreich argumentierte mit Terrorismus, Schweden warnte davor, dass ohne verpflichtende Datenspeicherung das Internet endgültig in Kriminalität untergehen werde. Seitens der MPAA hieß es, es solle bloß kein Raubkopierer glauben, dass er sich hinter Datenschutzgesetzen verstecken könne.