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Ratlos am Datenschutztag

28.01.2008

Anlässlich einer Veranstaltung zum internationalen Datenschutztag im Bundeskanzleramt haben leitende Vertreter der Regierungskoalition die umstrittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] verteidigt. Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen, ist dafür, den Datenschutzrat aufzulösen.

"Ich möchte schon darauf hinweisen, dass diese Ausgestaltung des Sicherheitspolizeigesetzes in der Begutachtung von meinem Ministerium abgelehnt worden ist. Man fand daraufhin andere Wege, das Gesetz doch so zu gestalten" wie es dann letztlich herausgekommen sei, sagte Justizministerin Maria Berger [SPÖ] am Montag in den Räumlichkeiten des Bundeskanzleramts.

Podium im Bundeskanzleramt

Anlass war der zweite internationale Tag des Datenschutzes, der im Bundeskanzleramt mit einer Podiumsdiskussion zum Thema begangen wurde.

Harald Wögerbauer [ÖVP], Vorsitzender des Datenschutzrates, Waltraut Kotschy, geschäftsführendes Mitglied der Datenschutzkommission, und Prof. Dietmar Jahnel, Universität Salzburg, diskutierten über aktuelle Fragen des Datenschutzes.

Sicherheitspolizeigesetz

Eines der Themen war natürlich der Verabschiedung des von Ministerin Berger angesprochenen SPG gewidmet, das am 6. Dezember 2007 als letzter Punkt der Tagesordnung in der letzten Sitzung des Nationalrats zehn Minuten vor Mitternacht verabschiedet worden war.

Zur Überraschung [fast] aller enthielt die Gesetzesnovelle wenige Stunden vor ihrer Verabschiedung plötzlich eine Zusatzpassage zur formlosen Auskunftspflicht der Netzbetreiber über temporäre IP-Adressen, wenn eben "Gefahr für Leib und Leben" angenommen werde.

Von links: Moderatorin Eva Souhrada [BKA Verfassungsdienst], Wögerbauer, Kotschy, Pilz. Verdeckt: Jahnel

=="Erschreckend"==

Die Nichtberücksichtigung eines Richtervorbehalts fand Verfassungsrechtler Jahnel "erschreckend" und mahnte ein, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit dieser bedenklichen Tendenz einmal grundsätzlich befassen sollte.

Eine weitere Auffälligkeit stellt für Jahnel der Umstand dar, dass zwar der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums sowie der Netzbetreiber über eine solche Weitergabe persönlicher Daten informiert würden - nicht aber der Betroffene selbst.

Kotschy beklagte nicht nur den Mangel an Ressourcen, sondern auch, dass "es in der letzten Zeit immer schwieriger" werde, "den Belangen des Datenschutzes Gehör zu verschaffen".

Passagierdaten, Erfahrungen

Im Falle des bevorstehenden EU-Systems zur Erfassung der Daten von Flugpassagieren besteht laut Kotschy "besondere Beweispflicht", um nachzuweisen, dass diese neue Datensammlung von "Passenger Name Records" [PNR] auch tatsächlich geeignet sei, Bedrohungen wie Terrorismus abzuwenden.

Wie die Erfahrungen aus Großbritannien zeigten, wo ein derartiges Passagiererfassungssystem seit längerem betrieben werde, sei das eben nicht der Fall: Statt Terroristen haben man Personen aufgegriffen, die mit falsch ausgestellten oder abgelaufenen Visa unterwegs waren.

"Wirksamkeit durch nichts bewiesen"

Auch Jahnel bezweifelte die Notwendigkeit für Europa, ein solches Kontrollsystem einzuführen, dessen Wirksamkeit durch nichts bewiesen sei.

Aufällig sei ebenso, dass bei den PNR-Abkommen die Speicherdauer immer länger geworden sei. Im Falle des Abkommens mit den USA betrage sie sieben plus weitere acht Jahre: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das verhältnismäßig ist."

"Datenschutzrat auflösen"

Der erste Redner aus dem Publikum, Pilz, regte an, einen "sinnvollen Beitrag zum Datenschutztag zu leisten und den Datenschutzrat aufzulösen".

"Der Datenschutzrat tut nichts. Im Gegenteil: Sein Vorsitzender Harald Wögerbauer, der absurderweise parallel die Funktion des stellvertretenden Klubdirektors des ÖVP-Klubs im Parlament innehat, missbraucht seine Funktion zur Unterstützung des Sicherheitspolizeigesetzes. Wögerbauer hat den Datenschutzrat zu einem Vollzugsorgan des Innenministers gemacht und ihn damit ad absurdum geführt. Der Datenschutzrat ist schlicht ein Partei- und Regierungsgremium zur Verhinderung von Datenschutz", so Pilz.

Sowohl Wögerbauer als auch sein Stellvertreter im Datenschutzrat, Johann Maier [SPÖ], wiesen Pilz' Forderung in Aussendungen am Montag scharf zurück. Als eines der Grundrechte sei der Datenschutz zu wichtig, um damit Unfug zu treiben, so Maier.

Wögerbauer hatte die umstrittene Verabschiedung des SPG - die quer durch die Medien fast durchgehend als "Nacht- und-Nebel-Aktion" bezeichnet worden war - als Vorsitzender des Datenschutzrats bis zuletzt verteidigt.

Säumige Regierungen

Die Frage von ORF.at an die Vertreter der beiden Regierungsparteien mochten dann beide Seiten nicht beantworten.

Sie lautete: "Der Datenschutztag 2008 wird hier im Bundeskanzleramt begangen, die Vertreter der Datenschutzkommission sind Beamte des Bundeskanzleramtes ohne eigenes Budget. Wann wird sich eine österreichische Bundesregierung dazu entschließen, nach mehr als einem Jahrzehnt der Säumigkeit die Auflagen der EU-Datenschutzrichtlinie von 1997 zu erfüllen, die nun einmal besagen, dass für den Datenschutz eine finanziell und politisch unabhängige Aufsichtsbehörde zu schaffen sei?"

(futurezone | Erich Moechel)