EuGH stärkt Privatsphäre im Internet

29.01.2008

Das Urteil im Fall Promusicae gegen Telefonica ist gefallen. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass EU-Mitgliedsländer ihre Gesetze so gestalten dürfen, dass Provider bei Zivilklagen die persönlichen Daten von Filesharern nicht herauszugeben brauchen. In einer ersten Reaktion auf das Urteil sieht auch die österreichische IFPI ihre Position gestärkt. Die Mitgliedsländer dürften sehr wohl die Herausgabe von Nutzerdaten im Rahmen zivlirechtlicher Prozesse festschreiben.

Am Dienstag entschied das höchste Gericht der EU, dass der Schutz persönlicher Daten grundsätzlich über den Interessen der Medienkonzerne und Rechteinhaber steht.

Er ist damit der Rechtsmeinung von EU-Generalanwältin Juliane Kokott gefolgt, die im Juli 2007 in ihrer Stellungnahme zu dem Fall geschrieben hatte, dass Internet-Provider keine Daten über Kunden, die Tauschbörsen nutzen, an die Inhaber oder Vertreter von Urheberrechten aushändigen müssten.

Persönliche Daten geschützt

Damit ist es EU-Mitgliedsländern erlaubt, ihre nationale Gesetzgebung so zu gestalten, dass Rechteinhaber im Rahmen von zivilrechtlichen Prozessen nicht auf die persönlichen Daten von Internet-Nutzern zugreifen dürfen.

Das Recht der Gemeinschaft verpflichte die Mitgliedsländer nicht dazu, eine Verpflichtung zur Offenlegung personenbezogener Daten im Rahmen zivilrechtlicher Prozesse einzuführen, um den Schutz von Urheberrechten zu gewährleisten, so das Gericht, das die nationalen Gesetzgeber zur Berücksichtigung der Grundsätze der Ausgewogenheit und Verhältnismäßigkeit erinnert.

IFPI sieht Interessen gewahrt

In einer ersten Reaktion auf das Urteil sieht Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI Austria] aber auch die Position der Rechteinhaber gestärkt. Den Mitgliedsstaaten sei es nach dem Urteil grundsätzlich erlaubt, die Weitergabe personenbezogener Daten bei Copyright-Verletzungen zivilgerichtlich zu ermöglichen. "Die EuGH-Entscheidung ist ein erfreulicher Kompromiss", so Medwenitsch in einer Mail an ORF.at, "Damit steht der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegen Provider im österreichischen Urheberrecht wieder auf festen Beinen." Es sei laut EuGH nicht der Zweck der EU-Datenschutzrichtlinien, den Schutz der Urheber auszuhebeln.

Dieser Auskunftsanspruch, der in Paragraf 87b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes festgeschrieben ist, ist derzeit rechtlich umstritten. Am 13. November 2007 setzte der OGH ein Musterverfahren einer österreichischen Verwertungsgesellschaft gegen einen Internet-Anbieter aus. Die Richter baten den EU-Gerichtshof zu klären, ob der im besagten Paragrafen festgeschriebene Auskunftsanspruch mit der EU-Rechtslage vereinbar sei. Das Urteil des Gerichts wird nach Ansicht von Online-Rechtsexperte Franz Schmidbauer erst in ungefähr einem Jahr fallen.

"Ich kann mich jedenfalls der Beurteilung von Dr.

Medwenitsch nicht anschließen", schreibt Schmidbauer ORF.at in einer Reaktion auf die Stellungnahme der IFPI, "§ 87b UrhG steht mit der EuGH-Entscheidung keinesfalls auf festen Beinen."

Zitat aus dem Urteil:

Die Mitgliedsstaaten sind gemäß dem Gemeinschaftsrecht jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung dieser Richtlinien auf eine Auslegung derselben zu stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen.

Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedsstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert.

Mehr zum Thema:

Lesen Sie, welche Auswirkungen das Urteil auf die Rechtslage in Österreich haben wird.

In dem Verfahren wollte Promusicae von Telefonica Daten von Kunden mit dynamischer IP-Adresse, die im Telefonica-Netz KaZaA nutzten, um damit vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen auf die Spur zu kommen.

Telefonica hatte das mit der Argumentation verweigert, dass das Gesetz die Datenweitergabe nur bei strafrechtlichen Verfolgungen und Angelegenheiten der öffentlichen oder nationalen Sicherheit erlaube, und zog vor ein spanisches Gericht, das den Fall an den EU-Gerichtshof verwies.

Zur Vorgeschichte des Falls:

(futurezone | Reuters)