EuGH-Urteil lässt zentrale Fragen offen
Während die österreichische IFPI durch das EuGH-Urteil im Promusicae-Fall ihre eigene Position gestärkt sieht, mahnt Internet-Rechtsexperte Franz Schmidbauer richterliche Kontrollen und eine Grenze für Bagatelldelikte im österreichischen Urheberrechtsgesetz an.
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] im Fall Promusicae gegen Telefonica vom Dienstag sehen sowohl Bürgerrechtler und Datenschützer als auch Vertreter der Musikindustrie ihre Positionen gestärkt.
Die österreichische IFPI zeigte sich darüber erfreut, dass der Gerichtshof die Regulierung der Weitergabe persönlicher Daten von Internet-Nutzern an die Behörden und Rechteinhaber den Gesetzgebern in den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen hat. Sie leitet daraus ab, dass der umstrittene Paragraf 87b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes nicht gegen das Recht der Union verstoße.
"Die EuGH-Entscheidung ist ein erfreulicher Kompromiss", so Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der IFPI Austria, in einer Mail an ORF.at. "Damit steht der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegen Provider im österreichischen Urheberrecht wieder auf festen Beinen."
Gerichte umgangen
"Ich kann mich der Beurteilung von Dr.
Medwenitsch nicht anschließen", schreibt der Salzburger Richter und Internet-Rechtsexperte Schmidbauer am Mittwoch ORF.at. "Paragraf 87b UrhG steht mit der EuGH-Entscheidung keinesfalls auf festen Beinen." Besagter Paragraf ist Gegenstand eines Musterverfahrens einer der IFPI nahestehenden Verwertungsgesellschaft gegen einen Internet-Provider, das der OGH im November 2007 zur Klärung an den EuGH verwiesen hat.
Paragraf 87b Absatz 3 UrhG sieht nämlich vor, dass der Provider die persönlichen Daten eines mutmaßlichen Rechteverletzers direkt an den mutmaßlich geschädigten Rechteinhaber herausgeben dürfen soll. Damit wären wiederum die Gerichte umgangen, was gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, so Schmidbauer.
Richterliche Kontrolle herstellen
Demnach geht der EuGH davon aus, dass eine nationale Regelung zur Herausgabe persönlicher Daten an die Rechteinhaber nur dann zulässig ist, wenn ein zuständiges Zivilgericht das anordnet. "Paragraf 87b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes geht aber weit darüber hinaus und ordnet die Herausgabe an den Rechteinhaber direkt an", schreibt Schmidbauer. "Damit wird aber die Kontrolle des Gerichtes ausgeschaltet, und das ist offenbar nicht im Sinne des EuGH und berücksichtigt jedenfalls nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit."
Grenze für Bagatelldelikte einziehen
Gerade den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der EuGH in seinem Urteil vom Dienstag besonders hervorgehoben. Schmidbauer schlägt dem österreichischen Gesetzgeber vor, die richterliche Kontrolle schon vor der Entscheidung durch den EuGH in das Urheberrechtsgesetz einzuziehen und eine Grenze für Bagatelldelikte vorzusehen. Eine Auskunftspflicht sei bei schweren Urheberrechtsverletzungen sinnvoll.
Letztlich liegt die Entscheidung über die Vereinbarkeit des Paragrafen 87b UrhG beim EuGH. Diese ist frühestens in einem Jahr zu erwarten.