Yahoos Mitgift für "Microhoo"

05.02.2008

Mit dem Kauf von Yahoo würde Microsoft bei der Online-Suche weiterhin hinter Google liegen. Doch Yahoo hat mehr zu bieten als seine Suchfunktion. So liegt es im Geschäft mit Online-Werbebannern derzeit vor Google und bietet auch Medieninhalte an.

Das überraschende Angebot von Microsoft, Yahoo für rund 45 Milliarden US-Dollar zu übernehmen, sorgt seit Freitag für hohe Wellen und unzählige Spekulationen.

Während sich Google und Microsoft gegenseitig als Monopolisten und unfaire Geschäftsleute bezeichnen und Yahoo nach guten Alternativen zur Übernahme sucht, rätseln Analysten und Marktbeobachter, wie sich der Deal real auswirken könnte. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass mehr dahinterstecken dürfte als nur ein besseres Ranking bei der Online-Suche.

Microsoft will Zweiter werden

Microsoft argumentierte zuletzt völlig richtig, dass eine Übernahme von Yahoo beide Anbieter zusammen bei der Online-Suche nur auf Rang zwei bringen würde.

Laut Nielsen Netratings nutzten vergangenen Dezember 56,3 Prozent [entspricht rund 4,1 Milliarden Suchanfragen] der US-Amerikaner Googles Suchmaschine, 17,7 Prozent Yahoo und 13,8 Prozent Microsofts Windows Live Search. Comscore bewertet Google mit 58,6 Prozent und Yahoo mit 22,4 Prozent etwas höher, dahinter liegt Microsoft mit 9,8 Prozent.

Google führt weltweit

Auch weltweit ist Google, dessen dominierende Einnahmequelle die kontextbezogene Werbung bei Suchergebnissen ist, laut Comscore-Zahlen mit einem Anteil von rund 62 Prozent von ingesamt 66,2 Milliarden gezählten Suchanfragen im Dezember 2007 unumstritten in Führung.

Yahoo-Sites folgen auf Platz zwei mit 12,8 Prozent, dahinter liegt bereits der chinesische Anbieter Baidu mit 5,2 Prozent. Microsoft folgt mit 2,9 Prozent auf Platz vier. Selbst wenn sich die Anbieter der Plätze zwei bis vier zusammenschließen würden, könnten sie Google derzeit definitiv nicht einholen.

Laut Hitwise-Analystin Heather Hopkins macht Suche mit 70 Prozent den Hauptteil von Googles Online-Präsenz aus. Das stärkste Wachstum zeigen Google.com und YouTube, Orkut und Google Video verlieren.

Yahoo ist größte US-Website

Ein anderes Bild ergibt sich, untersucht man den Zuspruch zu einzelnen Websites des jeweiligen Anbieters: Hier liegt Yahoo laut Comscore mit 136 Millionen Besuchern im Dezember in den USA nur knapp vor Google mit 132 Millionen.

Kombiniert mit Microsofts 120 Millionen könnte Yahoo seine Führung in diesem Bereich deutlich ausbauen, nachdem Google im vergangenen Jahr mit einem Plus von 22 Millionen Besuchern zu Yahoo aufschließen konnte.

Weltweit führt in der Comscore-Statistik dagegen Google mit 72 Prozent aller Besucher, gefolgt von Microsoft mit 66 Prozent und Yahoo mit 59 Prozent [Zahlen ohne Internet-Cafes und Zugriff via Handy].

Erfolgreicher Werbevermarkter

In noch einem Bereich ist Yahoo laut Comscores Ad-Metrix-Zahlen derzeit führend: Bei der lukrativen Banner-Werbung. 2007 schloss Yahoo dazu unter anderem mit Comcast und Zeitungsverlagen entsprechende Vereinbarungen und übernahm zudem Right Media und BlueLithium.

Yahoo führte im November in den USA bei Werbung im eigenen und gut besuchten Netzwerk mit einem Marktanteil von 18,8 Prozent, wobei jeder Yahoo-Nutzer pro Besuch durchschnittlich 20 Werbebanner gezeigt bekam. Fox Interactive Media folgt mit 16,3 Prozent und 47,5 Bannern auf Platz zwei, Microsoft mit 6,7 Prozent und rund zehn verschiedenen Bannern auf Platz drei. Google folgt mit einem Prozent auf Platz sieben.

"Microhoo" dominiert Online-Welt

Nielsen Online rechnet vor, dass "Microhoo" von 86 Prozent aller US-Nutzer besucht werden würde, die dort 15 Prozent ihrer Online-Zeit verbringen und 59 Prozent aller verkauften Online-Werbung-Impressions sehen würden.

Yahoos Werbeplattform Panama und auch Microsofts Werbeprogramm adCenter sind im Vergleich dazu und zu Googles AdSense-Programm deutlich weniger erfolgreich.

Erst Ende Dezember hat die US-Handelsbehörde die umstrittene Übernahme des Online-Vermarkters und weltgrößten Anbieters von Bannerwerbung, DoubleClick, durch Google genehmigt.

Gemeinsames E-Mail-Monopol

Für manche Marktbeobachter ebenfalls ein wichtiger Punkt ist Yahoos gute Position bei E-Mail-Angeboten. Laut Hitwise lag die Domain Mail.yahoo.com mit 4,88 Prozent Anfragen im Dezember in den USA knapp hinter Google.com mit 5,37, während Gmail mit 0,51 Prozent Marktanteil auf Platz zwölf kam. Yahoo.com lag mit 3,86 Prozen auf Platz vier, Mail.live.com von Microsoft mit 2,31 Prozent auf Platz fünf.

Insgesamt habe Yahoos Mail-Service in den USA einen Marktanteil von knapp 55 Prozent, gefolgt von Microsofts Live Mail mit 25,54 Prozent, so Hitwise, das allerdings interne Mail-Systeme wie das von Facebook nicht mitzählt. Rechnet man Microsofts Outlook- und Exchange-Lösungen dazu, würde Redmond nach einem Kauf Yahoos den Großteil des weltweiten E-Mail-Verkehrs verwalten.

Eigener Content lockt Besucher

Neben seinem E-Mail-Service hat Yahoo aber noch andere Angebote im Talon, die Microsofts bisheriger Online-Taktik mit dem MSN-Netzwerk zumindest nahe kommen. Yahoo News, Yahoo Finance, Yahoo Sports, Yahoo Games und natürlich der Online-Fotoservice Flickr und der Link-Dienst del.icio.us haben eine starke und breite Nutzerbasis.

Yahoo produziert zudem eigenen Content fürs Netz und hat dazu unter anderem Journalisten an US-Kriegsfronten geschickt. Laut "New York Times" nutzt Yahoo die Ergebnisse aus der eigenen Web-Suche, um das Angebot auf der Yahoo-Startseite den aktuellen Nutzerwünschen entsprechend in kurzer Zeit umgestalten zu können. Für viele Web-Nutzer ist Yahoo so eine der Startseiten für ihren Einstieg ins Internet geworden.

In Deutschland ist Yahoo lange nicht so beliebt wie Google, berichtet Comscore weiter. Im Oktober erreichte Yahoo mit 11,1 Millionen UVs Platz zehn, ein Plus von acht Prozent gegenüber September. Google verlor dagegen leicht auf 23,2 Millionen UVs.

Microsoft kleckert nie

In der ganzen bisherigen Firmengeschichte haben sich Microsoft und sein jetziger Chef Steve Ballmer, der schon mal eine Minute lang auf der Bühne brüllt "Ich liebe diese Firma", noch nie mit dem zweiten Platz begnügt. Ob es der Browserkrieg war oder Microsofts Einstieg in die Spielewelt, immer war es das erklärte Ziel des Redmonder Konzerns Nummer eins auf dem neuen Markt zu werden.

Manchmal dauerte es ein wenig länger und kostete mehr, als wenn Microsoft sofort reagiert hätte, doch alleine durch seine Marktmacht saß Microsoft meist am längeren Hebel und verdrängte so etwa Netscape ins Datennirvana.

Ballmers Rachegelüste an Google

Umso verwunderlicher erscheint es auf den ersten Blick, dass Ballmer die zweite Position auf dem Suchmarkt nach einem Kauf von Yahoo so hervorhebt. Doch Microsoft hat sich schon mit einigen Kartellstreitigkeiten herumschlagen müssen, daher spielt Ballmer den Ball wohl bewusst flach. Auch Ballmers Argumentation, dass durch den Kauf der Wettbewerb gestärkt würde, erscheint angesichts seinen vehementen Kampfs gegen Linux mehr als merkwürdig.

Doch spätestens seit seinen aktenkundigen Ausrastern rund um die Migration einiger Spitzenleute aus Redmond ins Googleplex ist bekannt, dass Ballmer alles tun würde, um Google zumindest eins auszuwischen. 45 Milliarden Dollar sind hierbei ein wirklich ernstzunehmendes Argument und sollte Google die Diversifikation seiner Geschäftsgrundlage nicht beizeiten gelingen, könnte Microsoft auch diesmal den längeren Atem haben.

(futurezone | Nadja Igler)