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Ausflug mit dem Uncomputer

16.02.2008

Das MacBook Air ist still und kühl wie ein Sonntagnachmittag in einer Tokioter Wolkenkratzer-Hotelbar. Als hermetisch geschlossene Maschine ist es ein Rechner für Menschen, die eigentlich überhaupt keinen Computer haben wollen.

Das MacBook Air fällt in die Kategorie der schönen Rechner. Man sieht förmlich Steve Jobs vor sich, wie er ins Besprechungszimmer schneit und seinen Designern mitteilt, dass Apples Rechner wieder etwas interessanter werden müssten.

"Gentlemen", höre ich ihn sagen, "bauen Sie mir eine Maschine, die aussieht wie ein Quecksilbertropfen, der beim Start einer Raumfähre von der Gravitation in seine Form gepresst worden ist." Die Designer, allesamt wie Steve in schwarze Rollkragenpullover gewandet, nicken und notieren.

Die Ausgangsposition

Tatsächlich beweisen Apples Gestalter mit dem Air, dass sie noch außergewöhnliche Computer herstellen können. Nach den einschlägigen Horrorbildern, die in Wärmeleitpaste eingebackene MacBook-Pro-Prozessoren zeigten, tut es der Firma gut, etwas Hardware-Kompetenz zu demonstrieren.

Allzu einfach fällt der Vergleich zwischen Wintel-Kisten und Apple-Produkten, seit Jobs IBMs Prozessoren den Rücken gekehrt hat. Und allzu stark konzentrierte sich das Unternehmen in jüngster Zeit auf Gestaltung und Konzeption seiner profitablen Gadgets wie iPod und iPhone. Das MacBook Air manifestiert zuallererst die Feststellung, dass Apple Inc. wirklich noch Computer baut.

Die Energie

Das Testgerät kommt gerade rechtzeitig, um es auf eine kurze Reise mitnehmen zu können. Am Westbahnhof entpuppt sich der versprochene ICE als fleckiger Ersatzzug, der fatalerweise keine Steckdosen an den Sitzplätzen bereithält. Die fest eingebaute Batterie des Air ist aber voll geladen, laut Anzeige hält sie für sechs Stunden Arbeit Energie bereit. Das ist gut, denn der Nutzer kann sie selbst nicht wechseln. Im Zug bleibt das nutzlose WLAN-Modul freilich aus, Bluetooth ebenso.

Mit eingeschalteten Drahtlosnetzwerken wird das Air im Batteriebetrieb wohl maximal fünf Stunden schaffen. Das Display ist verspiegelt, aber hell genug, die allermeisten Irritationen im fahrenden Zug zu überstrahlen und vergessen zu lassen. Die Tastaturbeleuchtung gibt sich etwas übereifrig und schaltet sich schon bei helllichtem Tag im Schatten ein, aber sie ist schnell über die Funktionstasten deaktiviert.

Die Reiseschreibmaschine

Die Tastatur selbst ist derjenigen der MacBooks nachempfunden und belegt genauso viel Fläche, die Tasten haben einen angenehmen Hub, die Finger finden sie sicher und schnell.

Das übergroße Trackpad, auf dem sich auch mäßig interessante neue Navigationsgesten malen lassen, gerät allerdings zuweilen unter die Handballen oder die Daumenwurzeln, was bei aktiviertem Einmalklick per Finger dazu führen kann, dass der Cursor beim Textverarbeiten plötzlich irgendwo im Text auftaucht, wo man ihn nicht haben will.

Minimalistisch: Anschluss nur für Kopfhörer, USB2-Geräte und externe Monitore oder Beamer.

==Das Geld==

Ansonsten merkt man beim Schreiben nicht, dass man mit einem Subnotebook arbeitet. Dieses Gefühl der Magerkeit kann der Air-Benutzer beim Blick auf die Schnittstellen nachholen, schließlich gibt es nur einen USB-Port, einen Ausgang für den externen Monitor - und einen für Kopfhörer, um die iPod-Anmutung zu verstärken, die schon beim Blick auf die Festplattenkapazität von lediglich 80 GB aufgekommen ist.

Es gibt auch eine Air-Version mit etwas schnellerem Prozessor und Solid-State-Disk, die dann allerdings beinahe 3.000 Euro kostet. Recht viel leiser als die getestete Variante mit gewöhnlicher Festplatte kann diese aber auch nicht sein.

Die Stille

Überhaupt ist das Air ein zurückhaltender Computer. Es ist nicht leise, sondern still, wohl einer der Vorteile des neuen Intel-Prozessors, der die Maschine antreibt. Benchmarks lasse ich keine laufen, schließlich fährt man mit einem Bentley auch keine Formel-1-Rennen. NeoOffice läuft auf dem Air schön zügig. Auch für die Bildbearbeitung und -verwaltung unterwegs reicht die Geschwindigkeit aus.

Diskretion ist heutzutage sehr viel wert, die Stille ist das mit weitem Abstand stärkste Kaufargument für das MacBook Air, das deshalb ein Computer ist, der nicht vom Denken ablenkt. Im Gegensatz zu den anderen mobilen Intel-Macs wird das Air denn auch nicht heiß. Nach mehrstündigem Betrieb wird es auf der linken Seite etwas warm, vielleicht knapp über Körpertemperatur, das ist alles.

Der Begleiter

Den schönen Bildschirm des Computers könnte man auch dazu nutzen, DVDs abzuspielen, auch die lange Akkulaufzeit empfiehlt das Air durchaus als Unterhaltungsmaschine für unterwegs. Allerdings passt das separat für 89 Euro erhältliche optische Laufwerk nicht mehr zusätzlich zum Rechner auf das Klapptablett des Reisezugs.

Das optische Laufwerk wird nicht über ein separates Standard-USB-Kabel am Air angeschlossen. Vielmehr ist das USB-Kabel laufwerkseitig fest am Gehäuse befestigt, kann also abbrechen. Dafür ist es aber auch unmöglich, das Anschlusskabel etwa im Büro zu vergessen.

Das französische Mac-Blog MacBidouille hat das SuperDrive zum MacBook Air auch an anderen mobilen Intel-Macs getestet und dabei festgestellt, dass es zwar von diesen erkannt wird, aber an ihnen nicht funktioniert, sprich optische Medien weder lesen noch schreiben kann. Eine erste Anfrage von ORF.at bei der österreichischen Agentur, die Apple vertritt ergab, dass das SuperDrive Air tatsächlich nur am MacBook Air funktioniert.

Eingebaut: USB-Kabel am externen SuperDrive.

==Der USB-Port==

Auch alle anderen Geräte müssen sich über den einzelnen USB-Port nachrüsten lassen. Schließlich würde Apple angesichts der Qualitäten des Air signifikant weniger MacBook-Pro-Geräte verkaufen, wenn das neue noch einen USB-Anschluss mehr und vielleicht sogar einen Firewire-Port oder einen ExpressCard-Slot mitbrächte.

So hat derjenige, der sich nicht aufs Notwendigste zu beschränken weiß, auf Reisen schnell einen ganzen Schwarm an Peripheriegeräten dabei, vom optischen Laufwerk bis hin zum Speicherkartenleser. Wenigstens liefert der einzelne USB-Port auch im Akkubetrieb genügend Energie, um meine kleine externe Fujitsu-Siemens-Platte anspringen zu lassen. Die braucht dazu nämlich allzu oft Unterstützung durch ein zweites USB-Stromversorgungskabel.

Auch UMTS-Modems müssen unelegant vom USB-Port baumeln, bei einer Maschine, die sich "Air" nennt, hätte man gerade diese Funktion dann doch gerne fest eingebaut gesehen. Platz im Gepäck spart dann allerdings wieder das wunderbar kleine Apple-Netzgerät mit eingebautem Kabelwickler. Und ja, der MagSafe-Anschluss fürs Netzgerät ist neu, genau wie der Adapter zum Anschluss externer Monitore. Auch so kann man Arbeitsplätze in Südchina sichern.

Der Friede

Das MacBook Air ist ein Uncomputer, ein Rechner für Leute, denen Computer auf die Nerven gehen. Mit ihrem Geheul, mit ihrem Geknatter. Mit ihren bunten Popup-Boxen, die ständig Aufmerksamkeit fressen, diese kostbarste aller Ressourcen in der Informationsgesellschaft. Mit ihren "Peripheriegeräten" - das Air sagt: weg damit! Wo kein Anschluss, da kein Ärger mit dem Treiber. Der Rest ist schon fest eingebaut und kümmert nur den Techniker, der in drei Jahren den erschöpften Akku wechseln wird.

Im Handbuch des Geräts steht ausdrücklich, dass es keinerlei Bauteile gibt, um die sich der Besitzer zu kümmern brauchte. Der Mensch denkt und arbeitet, das MacBook Air, schon mehr Service als Computer, tritt in den Hintergrund und wird wahrhaftig Luft. Wenn man seinen Deckel schließt, ist es weg, es fällt nicht auf, es ist kein Coffeetable-MacBook. Das Air braucht keinen Anschluss, es scheint zufrieden mit sich selbst zu sein. Steve Jobs wird seines unterm Kopfkissen liegen haben.

Der Ärger

Der große Bruch in diesem Konzept ist dann allerdings doch das Fehlen eines optischen Laufwerks. Wer kommerzielle Software auf DVD besitzt und diese aufspielen will, muss umständlich mit irgendwelchen Laufwerksfreigaben auf anderen Rechnern herumspielen. Das will ich aber nicht müssen, wenn ich gerade 1.699 Euro für ein Notebook bezahlt habe.

Die dürftigen Hilfedokumente auf dem Air, die den Nutzer dabei unterstützen sollen, die Laufwerksfreigabe auf anderen Macs und Windows-Computern einzurichten, sind ein einziges Argument für den sofortigen Kauf des USB-Drives.

Dass das optische Laufwerk weder integriert ist noch mit im Karton liegt, verdirbt den Gesamteindruck. Ironischerweise hat man solche Probleme mit dem Eee PC unter Linux nicht. Dort kommt die Software via Internet auf die Kiste, und die ganze Maschine ist in einer halben Stunde mit allem ausgestattet, was man so braucht. Vielleicht aber benötigt der Käufer des MacBook Air gar keine Software außer der, die schon vorinstalliert ist.

Quadratisch: Das SuperDrive im Air-Look

==Die Zukunft==

Der Uncomputer MacBook Air muss das Missfallen jener Zeitgenossen erregen, die Computer so sehr lieben, dass sie ständig an ihnen herumbasteln möchten und Fehlfunktionen als Lerngelegenheit wahrnehmen. Auch der mit 1.699 Euro recht hohe Preis des Geräts weckt in Rezessionszeiten Unmut, man kann jedoch Geld durchaus für dümmere Produkte ausgeben als für einen stillen Computer.

Wem das Air nicht gefällt, der wartet einfach noch ab, bis Wintel-Maschinen auf den Markt kommen, die auf derselben Mobilplattform basieren - etwa das ThinkPad X300 von Lenovo.

Abgesehen davon dürften wohl auch die anderen Notebook-Serien von Apple bald mit einigen Merkmalen des Technologieträgers Air ausgestattet werden. Leider ist das Air aber nicht der von vielen Apple-Nutzern erwartete Ersatz für das kompakte und elegante 12"-PowerBook G4.

Wenn es Apple mit dem MacBook Air tatsächlich gelingen sollte, einen nachhaltigen Trend hin zum leichtgewichtigen und lautlosen Computer auszulösen, dann könnte sich die Konzeption des Geräts trotz aller Macken letztendlich auch für hartnäckige Cupertino-Gegner gelohnt haben.

(futurezone | Günter Hack)