Musikwirtschaft umgarnt Provider

20.02.2008

Der österreichische Musikmarkt ist 2007 neuerlich um sieben Prozent geschrumpft. Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] will nun mit neuen Geschäftsmodellen auf Flatfee-Basis gegen den Umsatzschwund ankämpfen. Dabei sollen auch die Internet-Anbieter zur Mitarbeit gewonnen werden.

"Unser Ziel ist es, die Provider als Partner im Aufbau eines Business-Modells zu gewinnen", sagte IFPI-Präsident und Universal-Music-Austria-Chef Hannes Eder am Mittwoch bei der Präsentation des Jahresberichts der österreichischen Musikwirtschaft in Wien.

Denn von den rund 2,8 Millionen Österreichern, die über einen Internet-Zugang verfügen, kauften im vergangenen Jahr lediglich 500.000 Musik-Downloads im Internet. "Es gibt ein riesiges Potenzial", so Eder. Man müsse nur die Einstiegsschwelle zum digitalen Musikkauf niedriger ansetzen.

Musikmarkt schrumpft weiter

Der österreichische Musikmarkt ist im vergangenen Jahr nach Umsätzen um sieben Prozent zurückgegangen. Mit einem Anteil von 83 Prozent ist die CD nach wie vor das dominante Format. Digitale Downloads [online und mobil] machten 2007 sechs Prozent des Gesamtmarktes aus, nach Musik-DVDs [sieben Prozent] und vor Musikkassetten und Vinyl [0,5 Prozent]. Insgesamt wurden in Österreich im abgelaufenen Jahr 201 Millionen Euro für den Kauf von Musik ausgegegeben. 2006 waren es noch 216 Millionen Euro.

Der Umsatz mit Downloads wuchs im vergangenen Jahr um 14 Prozent. Erstmals wurde mit dem Musikverkauf über Online-Shops und Mobiltelefone die Zehnmillionengrenze sowohl beim Umsatz [zehn Millionen Euro] als auch bei den verkauften Einheiten [10,2 Millionen] überschritten.

Flatfee-Modelle

Um dem Umsatzschwund gegenzusteuern, will die IFPI nun auf Flatfee-Modelle setzen, bei denen Österreichs Internet-Nutzer gegen eine monatliche Gebühr auf ein breites Repertoire an Musik zugreifen können. Die Gebühr könne auch über Provider, Sponsoren oder Werbung finanziert werden, sagte Eder.

Man habe sich nun an die Provider gewandt, um sie zur Mitarbeit zu bewegen, denn für solche Modelle seien Partner notwendig, sagte Eder: "Sie sind nicht selbst gesteuert."

Erste Gespräche

Auf Ebene der Wirtschaftskammer sei man bereits an die Provider herangetreten, sagte IFPI-Austria-Geschäftsführer Franz Medwenitsch. Die ersten Reaktionen seien positiv gewesen. Einen Zeitplan oder gar konkrete Gebührenmodelle gebe es aber noch nicht.

Nutzung oder Besitz

Die Musikwirtschaft wolle gemeinsam mit den Internet-Anbietern "vielschichtige Modelle" ausarbeiten, kündigte Eder an.

Die Tarifgestaltung werde sich daran orientieren, ob auf die Musik-Files nur zugegriffen werden kann oder ob sie tatsächlich in den Besitz der Nutzer übergehen.

Auch Kombinationen aus Nutzung und Besitz seien vorstellbar, meinte Eder, dessen Label Universal Music bereits an ähnlichen Modellen mit dem Mobiltelefonhersteller Nokia arbeitet.

"Comes with Music"

Gemeinsam mit Nokia bastelt Universal Music an dem Angebot "Comes with Music". Dabei sollen Käufer von Nokia-Handys ein Jahr lang kostenlos Zugriff auf rund eine Millionen Musiktitel im kopiergeschützten Windows-Media-Audio-Format [WMA] haben.

Nach den bisher bekanntgewordenen Plänen können diese auf PC, Handy und mobile Musik-Player geladen werden. Das Brennen auf CD soll hingegen nicht möglich sein.

Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen

Die Internet-Anbieter will die IFPI allerdings nicht nur zur Mitarbeit an neuen Geschäftsmodellen gewinnen. Sie sollen die Musikwirtschaft auch im Kampf gegen nicht lizenzierte, urheberrechtlich geschützte Musik-Downloads im Netz unterstützen, wünschten sich Eder und Medwenitsch. Diese würden sich derzeit in der Frage der Urheberrechtsverletzungen im Netz eher "zurücklehnen".

Denn obwohl digitale Musikverkäufe nach Stückzahlen 2007 um mehr als 60 Prozent auf 10,2 Millionen Einheiten gewachsen sind, dürften nichtlizenzierte Downloads aus Online-Tauschbörsen zahlenmäßig weit überwiegen, vermutete Eder.

Netzsperre nicht angestrebt

An Internet-Sperren nach wiederholten Urheberrechtsverletzungen im Netz, wie sie etwa in Frankreich und Großbritannien diskutiert werden, denke man dabei jedoch nicht. "Das wollen wir nicht", antwortete Medwenitsch auf eine Frage von ORF.at. Das Urheberrecht dürfe allerdings auch nicht zum "eigentumslosen Gut" werden, meinte der IFPI-Geschäftsführer.

Internet-Anbieter und Musikwirtschaft müssten ein "gemeinsames Problembewusstsein" entwickeln, forderte Eder.

In Frankreich soll Internet-Nutzern, die wiederholt gegen das Urheberrecht verstoßen, künftig der Netzzugang gekappt werden. Darauf einigte sich im vergangenen November die französische Regierung mit der französischen Medienindustrie und Internet-Anbietern. Auch in Großbritannien werden solche Pläne diskutiert.

Kritiker meinen, dass solche Sperren technisch kaum umsetzbar seien und darüber hinaus Grundrechte aushöhlen würden. Auch das Vertrauen in das Netz würde zerstört, sagte Kurt Einzinger vom Verband der österreichischen Internet-Provider [ISPA] vor kurzem zu ORF.at.

E-Commerce überholt Fachhandel

Der Strukturwandel im Musikgeschäft wird auch durch einige interessante Details im Jahresbericht der Musikwirtschaft unterstrichen. So hatte 2007 erstmals der Online-Einzelhandel beim CD-Verkauf den stationären Fachhandel überholt und hält mittlerweile eine Anteil von elf Prozent [2006: acht Prozent] beim CD-Verkauf. Der Fachhandel fiel auf sechs Prozent [2006: acht Prozent] zurück.

Da der Großteil der CDs online jedoch über Amazon verkauft werde, fließe die Wertschöpfung weitgehend an Österreich vorbei, monierte Eder, der sich in diesem Zusammenhang einen "großen österreichischen E-Commerce-Anbieter" wünschte. Den Löwenanteil am CD-Verkauf hält in Österreich seit Jahren der Großvertrieb über Handelsketten [Saturn, Libro und andere] mit 64 Prozent.

Streams mit starken Zuwächsen

Nachgerade explosionsartig sind mit einem Plus von mehr als 300 Prozent Streams auf 3,3 Millionen gewachsen. Die Labels schneiden dabei an Werbeeinnahmen mit und lukrieren von den Anbietern auch Vorauszahlungen.

Das Produktgeschäft gehe zurück, daneben entwickle sich aber das Lizenzgeschäft, so Eder. Neben den Einnahmen aus Tonträgerverkäufen und digitalen Downloads sichern sich die Labels mit sogenannten "360 Grad"-Verträgen mit Künstlern aber auch zunehmend Pfründe beim Merchandising und im Live-Geschäft.

Aus dem ehedem monolithischen Tonträgermarkt werde ein aufgefächerter Markt, sagte Eder: "Das wird auch in den nächsten Jahren weiter gehen."

(futurezone | Patrick Dax)